Archiv für den Monat: Dezember 2014

Adventskalender Tür 19: Es ist da, unser OWi-Handbuch, 4. Aufl., oder: Sex des Alters?

b_owiSo, heute dann im Adventskalender mal richtige Werbung, allerdings verpackt. Denn hinweisen will ich auf unser „Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl.“, das gestern erschienen ist. Und es ist heute morgen dann auch schon eingetroffen und ich habe die Plastikschutzhülle von einem Exemplar bereits entfernt. Ein erotisierendes Gefühl 🙂 , oder wie ein Kollege neulich meinte: Sex des Alters?

Ein herzliches „Danke-schön“ an alle, die sich im Verlag um das Buch und das Erscheinen des Werkes noch in 2014 bemüht haben. War wegen der „Wechsel-Wirren“ nicht einfach, war aber auch das letzte Mal. Jetzt läuft alles wieder normal/gut. Ab jetzt werden wieder Bücher gemacht 🙂 .

Erscheinen also noch rechtzeitig vor Weihnachten. Ja. Ein Schelm, wer Schlimmes dabei denkt. 🙂 . Nein, nein. Ist schon richtig gedacht. Noch so rechtzeitig, dass man das Buch noch als Weihnachtsgeschenk bestellen kann. Ob die Auslieferung allerdings noch klappt, weiß ich nicht. Dann kommt es aber eben pünktlich zum neuen Jahr. Daher: Hier geht es zum Bestellformular und hier geht es zum Buch – für diejenigen, die es noch nicht kennen. Würde mich zwar überraschen, wenn das viele wäre, aber den ein oder anderen vielleicht doch…

Ich habe da mal eine Frage: Bekomme ich die Rechtsgespräche während der HV bezahlt?

Fotolia © AllebaziB

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Auch wenn das BVerfG die Regelungen zur Absprache/Verständigung (§ 257c StPO) nicht mag, sie sind geltendes Recht und werden in der Praxis auch angewendet. Und Sie haben ggf. auch gebührenrechtliche Auswirkungen. Welche? Nun, das zeigt sich recht schön in der Frage, die ein Kollege vor einigen Tagen an mich gerichtet hat:

„…..ich habe ein Frage: Ich habe in einem Verfahren von 9:00 Uhr ab bis ca. 15:20 h verteidigt. In der Zeit von 13:30 Uhr bis 15: 15 Uhr fand ein Rechtsgespräch statt. Nun zieht mir die nette Rechtspflegerin diese Zeit ab und sagt, dass das Rechtsgespräch durch die Verfahrensgebühr abgegolten sei. Einen Zuschlag nach 4116 RVG erhalte ich also nicht. Meiner Meinung nach gehört das Rechtsgespräch zur Hauptverhandlung und die Zeit dafür muss in die Terminsgebühr ?einberechnet werden. Kennen Sie diesbezüglich eine Entscheidung, die mir hilft?  Über eine kurze Mitteilung würde ich mich sehr freuen….“

„Kurze Mitteilung“ hat er bekommen und gibt es hier dann am Montag auch. Und: Dies war das letzte Gebühren-Rätesel in 2014 – weiter geht es wieder am 02.01.2015.

Marco Reus: Warum keine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis?

© PhotoSG - Fotolia.com

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Da ist man mal einen Tag nicht ganztägig am PC, da gibt es interessante Themen, in die man sich gern eingeschaltet hätte. Mich hatte zwar gestern noch ein Kollege „angestubst“. Da war es aber schon zu spät. Die „Chefin“ hatte Weihnachtsmarkt auf dem Programm und da war jeder „Widerspruch“ sinnlos.

Das gestrige „High-Ligth-Thema“ war – neben Edathy, der dadurch fast ein wenig in den Hintergrund gedrückt wurde – das Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) von Marco Reus. Insgesamt fünf Taten – mehr hat man nicht ermittelt bzw. vielleicht wollte man es auch nicht, da der Aufwand dafür doch recht hoch gewesen wäre – und dafür eine Gesamtgeldstrafe von 540.000 €. Entstanden aus 90 Tagessätzen zu je 6.000 €. Das ist – schon wegen der Höhe der Geldstrafe, aber auch wegen der Person des Verurteilten – das ist Marco Reus, nachdem der Strafbefehl rechtskräftig (geworden) ist – natürlich ein Thema, das Presse, Funk und Fernsehen und dann natürlich auch die Blogs interessiert. Der erste war der Kollege Pohlen mit „Der teuerste Strafzettel aller Zeiten? Marco Reus muss 540.000 Euro zahlen.“  Zu dem „Interview“ des Kollegen Burmann im FOCUS hat der Kollege Mechior schon etwas ausgeführt (vgl. hier: Der Verkehrsrechtsexperte spricht). Die Antworten des Kollegen dort sind zumindest missverständlich, meine ich.

Zu den von ihnen aufgeworfenen Fragen nur kurz, um Wiederholungen zu vermeiden:

Ob es nun der „teuerste Strafzettel alles Zeiten“ war – so sieht es Spiegel-online – wage ich zu bezweifeln. Da ist nach oben noch Luft. Denn auch in einem Strafbefehl könnte bei einer Geldstrafe die nach §§ 40 Abs. 1 Satz 2, 54 Abs. 2 Satz 2 StGB höchst zulässige Zahl von Tagessätzen festgesetzt werden, also bei einer Gesamtgeldstrafe 720 Tagessätze. Da sind die 90 Tagessätze, die das AG hier festgesetzt hat, doch recht moderat. Und auch bei der Tagessatzhöhe ist noch Luft, da die nach § 40 Abs. 2 Satz 3 StGB bis zu 30.000 € betragen kann. Das wäre doch ggf ein wenig (?) mehr als die 540.000 €, wobei ich meine, dass bei den Einkommensverhältnissen von Marco Reus sicherlich auch mehr als 6.000 €/Tag „drin gewesen“ wären. Das entspricht einem Monatseinkommen von „nur“ 180.000 € und einem Jahreseinkommen von „nur“ 2,16 Mio €. M.E. bekommt der junge Mann monatlich mehr vom BVB, „bekommt“ ist gewählt, um den Begriff „verdient“ zu vermeiden. 🙂

Und dann die Frage, ob Marco Reus „vorbestraft“ ist. M.E. ist er „vorbestraft“, da nun mal durch den Strafbefehl eine Strafe festgesetzt ist. Eine ganz andere Frage ist, ob er sich auch als „vorbestraft bezeichnen“ muss. Das muss er nach den Regelungen im BZRG nicht, da die Strafe eben die Grenze von 90 Tagessätze nicht übersteigt – was im Zweifel bewusst so im Ermittlungsverfahren ausgehandelt worden ist. Ist aber m.E. eh egal, da es ja nun doch jeder weiß….

Was mich seit gestern umtreibt, ist die Frage: Warum keine (isolierte) Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis? Das hatte auch den Kollegen, der mich gestern angestubst hatte, bewegt. Und dazu findet man recht wenig. Bei Spiegel-online gar nichts und bei Focus heißt es dazu nur :

11. Reus will nun seine Fahrprüfung nachholen. Sein Anwalt soll gesagt haben, Reus werde mit keiner Führerscheinsperre belegt. Wie ist das zu bewerten?

„Da hat er Glück gehabt, würde ich sagen. Eine Führerscheinsperre zwischen drei und neun Monaten wäre durchaus realistisch gewesen, aber sie passiert nicht zwangsläufig. Die Staatsanwaltschaft schätzt hier die Eignung, ein Kraftfahrzeug zu führen, ein. Es gäbe durchaus Argumente, dass Reus ungeeignet ist. Er hat sich jahrelang über bestehendes Recht hinweggesetzt.“

In der Tagespresse habe ich dann heute morgen auf der Grundlage einer AFP-Meldung gelesen: „Ihm solle nicht die Möglichkeit verbaut werden, das Ablegen einer Fahrprüfung nachzuholen, begründete dies die Sprecherin der Ermittlungsbehörde„.

Na ja, das zweite Mal – nach der in meinen Augen doch recht moderaten Gesamtgeldstrafe – Glück gehabt? Ich meine – mit dem Kollegen Burmann: Ja. Und an der Stelle verstehe ich die Entscheidung des Amtsgerichts und den wahrscheinlich deckungsgleichen Antrag der Staatsanwaltschaft nicht. Die Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. eine isolierte Sperrfrist nach den §§ 69, 69a StGB kommt bei Fahren ohne Fahrerlaubnis grundsätzlich in Betracht. § 21 StVG ist zwar nicht im Regelkatalog des § 69 Abs. 2 StGB enthalten. Gleichwohl kann aber das Fahren ohne Fahrerlaubnis Rückschlüsse auf mangelnde (charakterliche) Eignung zulassen und so bei Mehrfachtätern zu einer Fahrerlaubnisentziehung führen (BGH NStZ-RR 2007, 89 = NZV 2007, 212 = VRR 2006, 430). Und warum das bei Marco Reus nicht der Fall sein soll, erschließt sich mir nicht. Festgestellt sind mehrere Taten über einen längeren Tatzeitraum. Und damit hätte man m.E. ohne große Probleme die erforderliche charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bejahen können. Warum man es nicht getan hat? Letztlich sind Antworten auf diese Frage, nur Spekulationen, aber von einem wird man m.E. ausgehen können: Auch diese Frage wird Gegenstand von Gesprächen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung gewesen sein; davon, dass solche gelaufen sind, wird man ausgehen können/dürfen/müssen.

Das angeführte Argument „Ihm solle nicht die Möglichkeit verbaut werden, das Ablegen einer Fahrprüfung nachzuholen„. halte ich im Übrigen nicht für besonders stark, um von einer isolierten Sperrfrist abzusehen. Vielleicht wäre es besser gewesen und hätte die charakterliche Eignung gestärkt, wenn zunächst mal eine Sperrfrist von sechs bis neun Monaten – auch das wäre bei den fünf Taten schon recht moderat – festzusetzen, um eine gewisse „Nachreife“ herbei zu führen. Nun ja, StA und AG haben – aus welchen Gründen auch immer – anders entschieden. Ein wenig merkwürdig ist das allerdings schon, da andere Verurteilte im Zweifel dann doch mit so viel Milde an der Stelle kaum rechnen dürfen.

Ach so: Einen wird die Entscheidung übrigens freuen. Wen? Nun, den Inhaber der Fahrschule, bei der Marco Reus dann demnächst die Schulbank drücken, sprich den „Führerschein machen wird“. Der wird sich im Zweifel vor Neukunden, die mit Marco Reus die Fahrschulbank drücken wollen, nicht retten können. Ich empfehle schon mal die Anmietung eines größeren Saals 🙂 .

Ach so: Nicht dass der Eindruck entsteht, ich sei nun Schalke-Fan oder so. Bin ich nicht. Wer dieses Blog regelmäßig liest, weiß, dass mir Fußball ziemlich egal ist. 🙂 .

Adventskalender Tür 18: „Paragrafenkrawatten“ und/oder „Paragrafenunterhemden“?

© Coloures-pic - Fotolia.com

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Die Gerichtsentscheidungen, die sich mit Advent befassen, laufen derzeit überall, zum Teil „Alle Jahre wieder“. Und immer wieder etwas Neues zu finden, ist gar nicht so einfach. Also weiche ich aus und schaue, was LTO gemacht hat. Und da kann man dann sehr schön verweisen auf: Zehn unnütze Geschenke für Juristen: Paragraphenkrawatten und Schlimmeres“ in der vergangenen Woche gelaufen. Eine sehr schöne und amüsante Zusammenstellung von „Präsentideen für alle, die Freundschaften gern mit einem Lächeln beenden“. 🙂 Man könnte auch sagen, von Dingen, die man nicht braucht, oder?

Sehr schön fand ich die Paragrafenkrawatte – sicherlich der Knaller für jeden Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung/Hauptverhandlung 🙂 . Vielleicht könnte man aber auch Eindruck schinden mit dem „Paragragenunterhemd“. Auch ein Knaller, mit dem man – je nach Situation – sicherlich Eindruck schinden kann. Oder lieber doch nicht?

Wie schnell darf ich am „Zebrastreifen“ fahren?

© Pink Badger - Fotolia.com

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Das richtige Verhalten – nämlich die „richtige Geschwindigkeit“ – an einem Fußgängerüberweg ist Gegenstand des OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.05.2014 – 1 Ss 358/14 – gewesen, mit dem das OLG ein landgerichtliches Urteil aufgehoben hat. Das LG hatte den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt und eine nicht angepasste Geschwindigkeit angenommen. Das OLG sieht das anders:

„b) Auch ausgehend von einem entsprechend markierten Fußgängerüberweg ist das Urteil jedenfalls deshalb aufzuheben, weil das Landgericht keine Umstände festgestellt hat, nach denen der Angeklagte, dessen Ausgangsgeschwindigkeit nicht festgestellt werden konnte, verpflichtet gewesen wäre, mit einer niedrigeren als der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h an die Unfallstelle heranzufahren. Vor diesem Hintergrund kann die Feststellung, dass der Angeklagte den Unfall bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 40 km/h hätte verhindern können, den Fahrlässigkeitsvorwurf ebenso wenig begründen wie die Möglichkeit, dass er sich „dem Fußgängerüberweg mit einer höheren Geschwindigkeit als 40 km/h genähert hatte“. Das Landgericht hätte zugunsten des Angeklagten vielmehr davon ausgehen müssen, dass er mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h an die Unfallstelle heranfuhr. Ob er den Unfall bei dieser Ausgangsgeschwindigkeit hätte verhindern können, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

Eine Verpflichtung des Angeklagten, unabhängig vom Auftauchen des Geschädigten mit einer niedrigeren als der dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h an den Überweg heranzufahren, ergab sich nach den Urteilsfeststellungen weder aus § 26 Abs. 1 Satz 2 StVO noch aus § 3 Abs. 1 StVO.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 StVO in Verbindung mit Satz 1 dieser Vorschrift muss ein Fahrzeug „dann“ – und nur dann – mit mäßiger Geschwindigkeit an einen Fußgängerüberweg heranfahren, wenn ein Fußgänger den Überweg erkennbar benutzen will (vgl. Burmann / Heß / Jahnke / Janker, a. a. O., § 26 Rn. 4 – 4b). Abweichenden früheren Entscheidungen – auch derjenigen des Oberlandesgerichts Düsseldorf, auf die sich das Landgericht beruft – lag eine 1988 außer Kraft getretene Fassung von § 26 Abs. 1 Satz 2 StVO zugrunde, in der es statt „dann““deshalb“ hieß, was bei wörtlicher Auslegung eine allgemeine Verpflichtung zu mäßiger Geschwindigkeit vor Fußgängerüberwegen ergab. Diese Auslegung ist mit der aktuellen Fassung des Gesetzes nicht mehr vereinbar. Dass im vorliegenden Fall vor dem Auftauchen des Geschädigten ein Fußgänger den Überweg erkennbar benutzen wollte, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

Aus § 3 Abs. 1 StVO ergibt sich nichts anderes. Es gibt keine allgemeine Verpflichtung eines Kraftfahrers, seine Geschwindigkeit alleine deshalb zu verlangsamen, weil die nicht ausschließbare Möglichkeit besteht, ein Fußgänger könne den Überweg benutzen (vgl. OLG Karlsruhe, NZV 1992, 330). Zwar kann etwas anderes gelten, wenn durch haltende oder parkende Fahrzeuge ein Teil des Überwegs oder der angrenzende Gehweg für den Kraftfahrer nicht einsehbar ist (vgl. BGH, NJW 1961, 35 ). Dass dem im vorliegenden Fall so gewesen wäre, ist dem Urteil aber ebenfalls nicht zu entnehmen; im Gegenteil ist ausgeführt, dass der Geschädigte bereits „auf dem Gehweg sichtbar“ war (UA S. 7).

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verpflichtung zur Mäßigung der Geschwindigkeit selbst dann nicht besteht, wenn ein Fußgänger parallel zur Fahrbahn neben dem Überweg geht (vgl. OLG Karlsruhe, NZV 1992, 330). Vor diesem Hintergrund begründet die bloße Möglichkeit, dass ein Fußgänger aus einer „kurz hinter dem Überweg einmündenden Querstraße“ (UA S. 8) – oder auch einem nicht einsehbaren Hauseingang – auftauchen könnte, möglicherweise eine Verpflichtung zu erhöhter Aufmerksamkeit, aber noch keine zur Mäßigung der Geschwindigkeit.“