Durch das BGH, Urt. v. 04.09.2014 – 4 StR 473/13 – hat das Verfahren betreffend den Tod Quri Jallow vor einigen Wochen sein Ende gefunden. Das Verfahren hat die Justiz über einen längeren Zeitraum beschäftigt. Gegenstand des Verfahrens war der Tod des 22-jährigen aus Sierra-Leone stammenden Ouri Jallow in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau am 07.01.2005. Angeklagt wegen fahrlässiger Tötung war der zu diesem Zeitpunkt in dem Polizeirevier als verantwortlicher Dienstgruppenleiter tätige Polizeibeamte. Nach den Feststellungen des LG ist Ouri Jallow an einem inhalativen Hitzeschock verstorben nachdem er die Matratze in Brand gesetzt hatte, auf der er fixiert war. Dabei verwendete er ein Feuerzeug, das entweder zuvor bei seiner Durchsuchung übersehen worden war oder ein Polizeibeamter in der Gewahrsamszelle verloren hatte. Ouri Jallow war zu diesem Zeitpunkt hochgradig alkoholisiert. Er wies bei seiner Festnahme eine BAK von fast drei Promille auf. Seine Fixierung war auf Empfehlung eines Arztes erfolgt, weil er bei Aufnahme in den Gewahrsam Selbstverletzungsversuche unternommen hatte.
In einem ersten „Anlauf“ hatte das LG Dessau-Roßlau den Angeklagten im Dezember 2008 nach einer an 58 Tagen durchgeführten Hauptverhandlung vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge im Amt freigesprochen. Der BGH hatte dieses Urteil aufgehoben, Das LG Magdeburg hatte dann im zweiten Durchgang uim Dezember 2012 nach 67-tägiger Hauptverhandlung wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Begründung: Er habe es zugelassen habe, dass der Gewahrsam des Ouri Jallow ohne ständige optische Überwachung vollzogen worden sei.
Der BGH hat dann jetzt diese Verurteilung bestätigt. Er hat – so die PM des BGH – in Übereinstimmung mit dem LG einen Sorgfaltsverstoß des Angeklagten bejaht, weil er als zuständiger Dienstgruppenleiter nicht für eine ständige optische Überwachung des späteren Todesopfers gesorgt habe. Eine solche Überwachungsmaßnahme sei wegen der besonderen Umstände des Gewahrsamsvollzugs (starke Alkoholisierung, Gefahr weiterer Selbstverletzungen, eingeschränkte Selbstschutzmöglichkeiten infolge der Fixierung) geboten gewesen. Durch die unzureichende Überwachung des Ouri Jallow sei dessen Tod auch mitverursacht worden.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger hat der BGH ebenfalls verworfen und hat damit das LG bestätigt, dass den Angeklagten nicht wegen Freiheitsberaubung mit Todesfolge schuldig gesprochen hat. Zwar habe es der Angeklagte gesetzeswidrig unterlassen, eine richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung des Ouri Jallow herbeizuführen. Dieses Unterlassen sei aber für den Tod von Ouri Jallow nicht ursächlich geworden, weil – auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ – davon auszugehen sei, dass der zuständige Richter im Falle seiner Einschaltung wegen des selbstgefährdenden Verhaltens des Ouri Jallow und seiner hochgradigen Alkoholisierung den Gewahrsam zum Schutz vor Selbstverletzung für zulässig erklärt und dessen Fortdauer angeordnet hätte. Ouri Jallow wäre deshalb auch bei ordnungsgemäßem Vorgehen des Angeklagten nicht freigekommen.
Insgesamt begründet der BGH auf 43 Seiten, was man hier schlecht darstellen kann. Daher will ich mich mit den Leitsätzen begnügen, der sich auf die Revisionen von StA und Nebenkläger bezieht:
1. Hat es der hierfür verantwortliche Polizeibeamte unterlassen, nach einer ohne richterliche Entscheidung erfolgten Ingewahrsamnahme oder Festnahme, an der er selbst nicht beteiligt war, die für die Fortdauer der Freiheitsentziehung erforderliche unverzügliche Vorführung beim Richter vorzunehmen bzw. die für sie gebotene richterliche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen, ist dies geeignet, den Vorwurf der Freiheitsberaubung durch Unterlassen zu begründen.
2. Jedoch entfällt die Kausalität eines solchen Unterlassens jedenfalls dann, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der zuständige Richter bei unverzüglicher Vorführung und rechtmäßiger Entscheidung – unter Ausschöpfung ihm zustehender Beurteilungsspielräume zugunsten des Angeklagten – die Fortdauer der Freiheitsentziehung angeordnet hätte.
Die Entscheidung ist übrigens für BGHSt bestimmt.
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