Archiv für den Monat: März 2014

Wirksamkeit der Ersatzzustellung: „Wohnst“ du da?

© ferkelraggae - Fotolia.com

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Während des Studiums war ich in den Semesterferien Briefträger bei der Post. das war ein schöner Job, bei dem man zwar morgens früh anfangen musste – aufstehen war noch nie ein Problem für mich -, aber dafür i.d.R. auch schon mittags fertig war. Und der Job wurde gut bezahlt. Ich weiß noch, dass bei der Einarbeitung durch erfahrene Kollegen der Post, großes Gewicht auf die Fragen der Zustellung gelegt wurde. Warum und wieso, darüber habe ich damals – das räume ich ein – mir nur wenig Gedanken gemacht. Im Laufe des Studiums usw. lernt man dann sehr schnell, dass die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung verfahrensentscheidend sein kann. Daher auch immer in allen FA-Kursen mein Rat: Achten Sie auf die Wirksamkeit der Zustellung, häufig entscheidet sich ggf. schon da das Verfahren für den Mandanten.

Deshalb heute dann ein Hinweis auf den OLG Hamm, Beschl. v. 27.03.2013 –  III-5 RVs 50/13, der die mit der Wirksamkeit einer Ersatzzustellung zusammenhängenden Fragen zum Gegenstand hat. Das war der Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung im Wege der Ersatzzustellung geladen worden. Als er nicht erschien, hat das LG seine Berufung verworfen. Der Angeklagte hat dann die Unwirksamkeit der Ladung geltend gemacht, weil er an der Stelle, an der geladen worden war, nicht tatsächlich wohnhaft sei.Das OLG hat die Zustellung als wirksam angesehen:

„Dem Angeklagten wurde die Ladungsverfügung im Wege der Ersatzzustellung zuge­stellt. Diese Ersatzzustellung war nicht etwa deswegen unwirksam, weil der Ange­klagte unter der Meldeanschrift nach eigenem Vortrag tatsächlich nicht wohn­haft gewesen sein will.

Zwar ist die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO stets nur dann gegeben, wenn diese durch Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten erfolgt. Grundsätzlich gilt insoweit als Wohnung der räumliche Lebens­mittelpunkt des Zustellungsempfängers, wobei maßgeblich ist, ob er hauptsächlich in den Räumen lebt; es ist dann sogar unerheblich, ob es sich hierbei um die Meldeanschrift han­delt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 37 Rdnr. 8).

Jedoch ist die tatsächliche Benutzung einer Wohnung dann nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO, wenn sich der Adressat nicht nur für diese Wohnung angemeldet hat, sondern sich als dort wohnend geriert, seinen Schriftwechsel unter dieser Anschrift führt und er seine Post dort abholt (vgl. OLG Hamm, VRS 106, 57, 58; OLG Jena, NStZ-RR 2006, 238; BayObLG VRS 106, 452, 453).

So liegt der Fall hier. Der Angeklagte war während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens unter der Ladungsanschrift A-Straße in B. gemeldet und postalisch jederzeit zu erreichen. Zu allen drei Hauptverhandlungsterminen des erstin­stanzlichen Verfahrens konnte er problemlos geladen werden, obwohl er – aus-weislich seines Vorbringens in der Revisionsrechtfertigung – „bereits längere Zeit“ bei seiner Lebensgefährtin gelebt haben will. Indes hat er keinerlei Anstalten unternommen, sich umzumelden, woraufhin noch im November 2012 die Ladung unter der o.g. postalischen Anschrift erfolgt ist. Der Angeklagte muss sich daher die An­schrift A-Straße in B. als Ort im Sinne der gesetzlichen Vorschrift entgegenhalten lassen, an dem Zustellungen an ihn bewirkt werden konnten.

Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, weitere Nachforschungen anzustellen. Eine diesbezügliche Verpflichtung hätte nämlich vorausgesetzt, dass der Angeklagte vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt oder vortragen lässt, der geeignet ist, sein Ausbleiben genügend zu entschuldigen, dem Gericht somit hin­reichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 16. Mai 2013 – 5 RVs 34/13 -). Vorliegend hat sich zwar aus dem Bericht der Führungsaufsichtsstelle vom 30. Januar 2013 erge­ben, dass sich der Angeklagte „fast ausschließlich bei seiner Freundin“ aufhalte, je­doch geht aus dem Bericht unmissverständlich hervor, dass er weiterhin bei seiner Mutter unter der Anschrift A-Straße in B. gemeldet ist. Da unter dieser Adresse erst wenige Wochen zuvor erfolgreich eine Ladung zur Hauptver­handlung durchgeführt werden konnte, war das Landgericht nicht gehalten, diesbezüglich weitere Nachforschungen anzustellen.

„fraglos gegebene querulatorische Tendenzen“, oder: Rüffel für die StA

© Dan Race - Fotolia.com

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Manche Entscheidungen, die ich auf der Homepage des BGH finde, sind in mehrfacher Hinsicht berichtenswert, so z.B. auch der BGH, Beschl. v. 21.01.2014 – 5 AR (VS) 29/13. Der ist doppelt interessant. Denn zunächst: Wann findet man schon mal einen im Rechtsbeschwerdeverfahren im §§ 23-er-ff. EGGVG Verfahren ergangenen BGH-Beschluss? Aber das wird getoppt durch den – in meinen Augen – der StA erteilten Rüffel im Beschluss, in dem es dann heißt:

„Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Beschwerdeführers vom 7. Januar 2013, die Staatsanwaltschaft Stuttgart zu verpflichten, seine an diese gerichtete Strafanzeige vom 1. September 2011 zu bescheiden, als unbegründet verworfen, weil der Beschwerdeführer sein Antragsrecht missbraucht habe und damit eine Bescheidungspflicht der Staatsanwaltschaft nach § 171 Satz 1 StPO entfalle. Die hiergegen gerichtete, vom Oberlandesgericht zugelassene und damit statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

1. Der Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG war bereits unzulässig, so dass eine Sachentscheidung des Oberlandesgerichts nicht hätte ergehen dürfen. Gegenstand des Verfahrens nach § 23 EGGVG ist eine unmittelbare Verletzung eines subjektiven Rechts des Antragstellers durch eine staatliche Maßnahme oder ihre Ablehnung bzw. ihre Unterlassung (§ 24 Abs. 1 EGGVG). An der Unmittelbarkeit fehlt es bei einer unterbliebenen Mitteilung nach § 171 Satz 1 StPO. Denn der Beschwerdeführer ist – wovon auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeht – dadurch nicht gehindert, sich ungeachtet einer Nichtbescheidung gegen die Behandlung seiner Strafanzeige zu beschweren, anschließend gegebenenfalls ein Klageerzwingungsverfahren durchzuführen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 172 Rn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. April 2010 – 2 Ws 147/08; zur Frist Graalmann-Scheerer in LR, 26. Aufl., § 172 Rn. 109).

2. Der Senat merkt allerdings an, dass ungeachtet fraglos gegebener querulatorischer Tendenzen des Beschwerdeführers einem verantwortungsvol-len Umgang mit Justizressourcen besser als durch den Versuch der Herbeiführung einer Grundsatzentscheidung dadurch Rechnung getragen werden dürfte, dass die Staatsanwaltschaft die offensichtlich haltlose, aber gegenüber früheren Anzeigen partiell einen neuen Sachverhalt betreffende Strafanzeige angemessen knapp bescheiden würde.“

Ich meine, man merkt dem BGH an: Er ist nicht nur „not amused“, sondern genervt :-).

Das war der 38. StV-Tag in Dresden: Hier die Ergebnisse

entnommen wikimedia.org

entnommen wikimedia.org

Gestern ist der 38. StV-Tag in Dresden zu Ende gegangen. Drei Tage mit interessanten Veranstaltungen und Vorträgen. Gestartet mit einem fulminanten Eröffnungsvortrag des Kollegen Prof. Dr. E. Wilhelm aus Dresden zu Fehlerquellen bei der Überzeugungsbildung. Man muss(te) nicht alle Positionen unterschreiben, aber es war eine spannende und kurzweilige Stunde, die Geschmack auf mehr gemacht hat.

Das „Mehr“ haben dann die AG am Samstag gebracht. Ich zitiere dazu aus der „Abschlussmail“ der Strafverteidigervereinigung:

„Reform des Betäubungsmittelrechts, Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe und richterliche Kontrolle bei der Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern – die Ergebnisse des 38. Strafverteidigertages

Nach drei Tagen ging am Sonntag den 23. März 2014 der 38. Strafverteidigertag in Dresden zu Ende. Mehr als 650 Anwält/innen, Vertreter/innen der Justiz und Wissenschaftler/innen haben unter dem Titel »Vom Bedeutungsverlust der Hauptverhandlung« aktuelle Entwicklungen der Rechtspolitik und der Rechtsprechung diskutiert und Forderungen an Regierung und Rechtspolitiker formuliert.

In seiner Eröffnungsrede zu dem Thema des Strafverteidigertages befasste sich der Dresdner Rechtsanwalt Prof. Dr. Endrik Wilhelm mit den Fehlerquellen bei der richterlichen Überzeugungsbildung. 

Am Samstag trafen insgesamt sechs Arbeitsgruppen zusammen, die sich dem Generalthema des Strafverteidigertages aus dem Blickwinkel einzelner Problemfelder des Strafprozesses näherten: 

Die AG 1 (»Was bleibt vom Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung?«) diskutierte die Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung und sprach sich gegen einen erleichterten Transfer von im Ermittlungsverfahren gewonnenen Beweisergebnissen in die Hauptverhandlung aus.

Die AG 2 (»Abwesenheitsrecht des Angeklagten?«) forderte die Einführung eines disponiblen Anwesenheitsrechtes des Angeklagten, das durch eine Präsenzpflicht und ggfs. eine Vertretungsbefugnis des Verteidigers zu ergänzen ist.

Die AG 3 (»Sammeln und Verwerten «) stellte die Möglichkeiten polizeilicher Informationsgewinnung innerhalb der EU dar, befasste sich mit dem aktuellen Entwurf der europäischen Ermittlungsanordnung und kritisierte dessen unzulänglichen Datenschutzregelungen und Rechtsschutzmöglichkeiten.

Die AG 4 (»Die Instrumentalisierung des Strafverfahrens zur Durchsetzung verfahrensfremder Zwecke«) kritisierte das System der Akteneinsichtsrechte Dritter im Strafverfahren als inkohärenten Flickenteppich und forderte zum Schutz der Interessen der Betroffenen einen Katalog von Einschränkungen der bestehenden Akteneinsichtsrechte dem Grunde und dem Umfang nach.

Die AG 5 (»Das Für und Wider einer Entkriminalisierung des Umgangs mit Drogen«) forderte die Aufgabe der Drogenprohibition, die Sie in Übereinstimmung mit 120 deutschen Strafrechtsprofessoren als „gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch“ ansieht.

Die AG 6 (»Freiheitsentziehende maßregeln – Besserung in Sicht«) wies auf die stetig ansteigenden Zahlen der im Maßregelvollzug untergebrachten Gefangenen und mahnte eine dringend erforderliche Neuorientierung in der Kriminalpolitik an, weg vom unbegrenzten Wegsperren hin zu einer Resozialisierung und Therapierung von Straftätern.

Die Abschlussdiskussion am Sonntag, den 23. März 20143 befasste sich mit dem  Thema »Unrecht im Namen des Volkes«.“

Am Samstagabend hatte des dann – getreu dem Motto: „Wer arbeitet, darf auch feiern“ die berühmte – manche sagen „berüchtigte“ – Abendveranstaltung des StV-Tages gegeben. Interessante Location, in der die Disko-Veranstaltung lief. Da merke ich dann allerdings doch, dass man älter wird.

Alles in allem eine sehr schöne Veranstaltung, die Lust auf den 39. StV-Tag macht, der, wenn ich die richtigen Infos habe, 2015 in Lübeck stattfindet.

 

Sonntagswitz: Nach dem StV-Tag in Dresden: Die Sachsen

 

© Teamarbeit – Fotolia.com

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Ich war seit Freitag auf dem StV-Tag in Dresden: Wie immer eine Reise wert, der StV-Tag und natürlich Dresden. Für den Sonntagswitz bieten sich da dann – wenn man es fast drei Tage gehört hat – Witze über das „Sächsische“ und über die Sachsen an, die Leser/Kollegen aus Sachsen mögen es mir nachsehen.

Auf dem Standesamt. Der Beamte: „Un wie solln nu dährGleene heeßn?“
„Nu, mir dachdn an Dangkward!“
Standesbeamte: „Also, heern Se, seinen Nahm will ich wissn, nich, wasser mal warn soll!“

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In der Schule. „Wer kann von euch das Präsens von „haben“ konjugieren?“
Der kleine Heinrich versucht es: „Ichhabe, du hast… er
hat… da hammrsch, da habdrsch, da hammses!“

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Bei einer Polizeikontrolle fragt ein Polizist einen Studenten: „Wie issn Ihr Name?“
„Baul
Meier.“
„Baul Meier…soso… Sie! Dasmachn Se nich midd mir! Wenn Se
dängkn, Sie genn mich vorräbbln!“
„Na guhd, dann schreim Se ähmd Gotthold Ephraim Lessing.“
„Nu sehnse, warum denn nich glei so!“

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Zwei Polizisten laufen Streife. Ein Auto hält. Ein Mann beugt sich aus dem Fenster und spricht einen derUniformierten in Englisch an.
Der Polizist zuckt die Achseln. „Ich gann Se nich vorrschdehn!“
Der Ausländer versucht 
es mit Französisch, Spanisch und Russisch! Immer mit dem gleichen Ergebnis.
Als er weiterfährt, sagt der andere zu seinem Kollegen: „Hasde
das middgekrichd – dähr gonnde vier Schbrach nü!“ “
Na un! Haddsn was
genidzd?“

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Und dann war da noch:

Die Baustelle des „Palast der Republik“ wurde auf Kosten vieler anderer Vorhaben vordringlich mit Baumaterial versorgt. Deshalb nannten ihn die  Sachsen den „Ballast der Republik“.

Wochenspiegel für die 12. KW., das war U.Hoeneß, erotischer Inhalt vor Gericht und Beweisfotos

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

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Die vergangene Woche war verhältnismäßig normal, noch ein wenig Hoeneß, nachdem die StA München auf ihre Revision verzichtet hat, aber das war es dann. Jedenfalls kein (weiteres) herausragendes Thema, sondern eben die „normalen Beiträge“. Wir berichten also über:

  1. das Hoeneß-Verfahren mit: Rechtsstaat adieu?! Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf die Revision in Sachen Hoeneß!, oder: Die „Lebensleistung“ des Herrn H., oder: Freiheit für Hoeneß: Steuerhinterziehung ist keine Straftat, auch mit unserem Beitrag: Hoeneß-Urteil rechtskräftig – Nun reicht es dann aber auch, bitte nicht nachtreten, aber zu Ende ist es doch wohl noch nicht (?): Uli H. – Späte Einsicht oder Taktik bis zuletzt ?,
  2. Videokameras in Autos (sog. Dashcams) sind rechtswidrig!,
  3. Rechtsschutzversicherung, keine Deckungsanfrage,
  4. den Wert erotischer Inhalte vor Gericht,
  5. ein Jahr Alptraum,
  6. die Strafbarkeit des Einlösens fremder Online-Gutscheine,
  7. eine typische Handbewegung,
  8. die Frage, ob von Privatpersonen angefertigte “Beweisfotos” gegen das Recht am eigenen Bild verstoßen konnen,
  9. die schwerwiegende Verletzung der Kernpflichten eines Polizeibeamten,
  10. und dann war da noch: Kleiner Scherz zwischendurch ….