Die Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers hat in der Praxis im Revisionsverfahren erhebliche Bedeutung. Die Rechtsprechung der OLG ist hier verhältnismäßig streng und verweist den Angeklagten meist darauf, dass er seine Revision ja zu Protokoll des Urkundsbeamten begründen könne und damit genügend Unterstützung habe. Wenn man allerdings den OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.11.2013 – 1 Ws 366/13 – liest, fragt man sich, ob da nicht dem Angeklagten Steine statt Brot gegeben werden. Denn: In der Sache ist so ziemlich alles schief gelaufen, was nur schief laufen konnte. Im Einzelnen::
- Die (nicht verteidigte) Angeklagte legt gegen das sie verurteilende Urteil Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle ein und beantragt zugleich die Bewilligung von „Prozesskostenhilfe“.
- Die zuständige Rechtspflegerin weist die Angeklagte dann nicht, was m.E. aber nahe liegen musste, nicht darauf hin, dass Angeklagten im Strafverfahren keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, sondern gibt ihr einen Vordruck für die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (vielleicht sollte man der Rechtspflegerin einen Pflichtverteidiger beiordnen?).
- Die Angeklagte begründet die Revision nicht.
- Das zuständige LG entscheidet bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auch nicht über das „Prozesskostenhilfegesuch“.
- Das LG verwirft dann aber die Revision wegen fehlender Revisionsbegründung und lehnt das „Prozesskostenhilfegesuch“ ab, weil Angeklagten im Strafverfahren keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden könne.
- Die Angeklagte stellt einen „Antrag auf Überprüfung des Verwerfungsbeschlusses“.
- Die Generalstaatsanwaltschaft fasst den Antrag als einen auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 S. 1 StPO) auf, beantragt aber – ich verkneife mir das das: natürlich – ihn als unbegründet zu verwerfen.
Das OLG Braunschweig richtet es dann und ordnet wegen der Schwierigkeit der Sach-/Rechtslage einen Pflichtverteidiger bei. So weit so gut. M.E. hätte das OLG aber auch Farbe bekennen können/sollen und die von ihm offen gelassene Frage: Ob die Angeklagte im konkreten Fall schon deshalb nicht mehr an die Urkundsbeamtin verwiesen werden kann, nachdem sie von dieser nicht darüber belehrt worden ist, dass der Strafprozessordnung für Angeklagte das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe fremd ist, kann dahin stehen.“ entscheiden sollen, und zwar m.E. mit einem kurzen: Nein. Denn was ist von einer Unterstützung zu halten, wenn die unverteidigte/unerfahrene Angeklagte nicht nur noch nicht einmal darüber aufgeklärt wird, dass es die von ihr beantragte PKH in diesem Verfahren nicht gibt, sondern der Irrtum der Angeklagten noch verstärkt wird, in dem ihr die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im PKH-Verfahren übergeben wird.
Man fragt sich allerdings auch, wie man das Verhalten der Kammer des LG bewerten soll, in der offenbar niemand auf die Idee gekommen ist, dass man den „Prozeßkostenhilfeantrag“ der Angeklagten auch auslegen könnte. Ok, die Revision aus formellen Gründen zu verwerfen, ist auch einfacher.