In Verfahren betreffend den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung wird häufig nach einem „Automatismusverfahren“ verfahren, nämlich nach dem Motto: Neue Straftat = Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung. Dass das so nicht richtig ist, zeigt der LG Duisburg, Beschl. v. v. 10.09.2013 – 3A Qs-936 Js 39262/08-20/13 – auf. Da war der Angeklagte in laufender Bewährung erneut straffällig geworden. Die dafür verhängte Strafe hatte er zu 2/3 verbüsst, der Rest war zur Bewährung ausgesetzt worden. Dennoch hat das AG die Bewährung aus der ersten Verurteilung widerrufen. Dazu das LG:
Die Notwendigkeit eines Widerrufs ist jedoch nicht isoliert nach der neuen Straftat zu beurteilen, sondern es ist bei der nunmehr zu treffenden Sozialprognose auch die weitere Entwicklung des Verurteilten nach diesen Taten zu berücksichtigen, weshalb neue Straftaten nicht zwingend zum Widerruf der Strafaussetzung führen und einer günstigen Prognose nicht durchweg entgegen stehen (vgl. BGH, NStZ 2010, 83). Vorliegend war zu berücksichtigen, dass gegen den Verurteilten zwischenzeitlich die Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 08.11.2012 zu zwei Dritteln vollstreckt worden ist, was die Erwartung begründet, dass der Verurteilte unter dem Eindruck einer vollstreckten Freiheitsstrafe und der zusätzlichen Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich des Strafrests keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Die Kammer schließt sich insoweit der Prognose an, die die 1. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg in ihrem Beschluss vom 16.11.2012 hinsichtlich der Aussetzung der Vollstreckung des Rests der Strafe aus ihrem Urteil vom 08.11.2012 getroffen hat. Neben der Teilvollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe war zudem zu berücksichtigen, dass alle Taten bereits lange Zeit zurückliegen und der Verurteilte seit fast 2 Jahren strafrechtlich nicht wieder in Erscheinung getreten ist.
In welchem OLG-Bezirk wird denn nach einem solchen Automatismus verfahren?
Um einen Widerruf einer Bewährung zu kassieren, muss man sich jedenfalls im hiesigen Bezirk (südlich der Mainlinie) ganz schön anstrengen, also entweder unablässig – also trotz mehrfacher Mahnungen und Anpfiff in der persönlichen Anhörung – Auflagen missachten oder sich eine unbedingte Freiheitsstrafe einhandeln.
Wenn die neue Verurteilung dagegen auf eine Geldstrafe oder (wie in 90% aller Fälle) auf eine abermalige Bewährungsstrafe lautet, mag der Widerruf vielleicht beantragt werden, aber selbst wenn er einmal ausgesprochen wird, dann wird er spätestens im Rechtsmittelverfahren gekippt, weil die Verlängerung der Bewährungszeit oder eine Verschärfung der Auflagen ausreiche. Solche Bewährungskaskaden können gut und gerne vier oder fünf Verurteilungen umfassen (jauch bei einschlägigen Wiederholungstaten, die keine bloßen Bagatellen betreffen).
Was den Nebeneffekt hat: Wenn dann wirklich keine Bewährung mehr drin ist, haben sich schon so viele Strafen angesammelt, dass der Verurteilte dann bei dem dann folgenden domino-artigen Widerruf eine längere Zeit absitzen muss. Auch nicht schön.