Ungeklärt war in der Rechtsprechung bislang die Frage, ob der Betroffene vor einer Atemalkoholmessung über die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung an dieser belehrt werden muss oder nicht. Einige Instanzgerichte hatten das bejaht (vgl. LG Freiburg NZV 2009, 614, AG Frankfurt am Main NZV 2010, 266), z.T. ist es aber auch verneint worden (AG Michelstadt NZV 2012, 97). Im vergangenen Jahr hatten sich dann auch Cierniak/Herb zu Wort gemeldet und eine Belehrungspflicht ebenfalls verneint (vgl. NZV 2012, 409. Damit lagen bereits gewichtige Stimmen gegen die Belehrungspflicht vor. Und das ist jetzt noch verstärkt worden. Denn inzwischen hat das erste OLG entschieden und sich gegen die Belehrungspflicht ausgesprochen, nämlich OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.04.2013 – (2 B) 53 Ss-OWi 58/13 (55/13). Das OLG führt aus:
„Das Amtsgericht hat offen gelassen, ob der Betroffene vor der Messung des Atemalkohols darüber belehrt worden ist, dass seine Mitwirkung daran freiwillig ist. Es hat angenommen, dass eine solche Belehrung nicht erforderlich sei und deshalb ihr Fehlen auch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führen könne.
Dies trifft zu.
Allerdings wird vertreten, dass das Fehlen einer Belehrung über die Freiwilligkeit der Teilnahme an einer Atemalkoholmessung zu deren Unverwertbarkeit führe. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Teilnahme an dem Test eine aktive Beteiligung des Beschuldigten erfordere, er jedoch nicht verpflichtet werden könne, aktiv an der eigenen Überführung mitzuwirken (LG Freiburg NZV 2009, 614; AG Frankfurt a. M., Urteil vom 18. Januar 2010, 998 OWi 2022 – 955 Js -OWi 20697/09, zitiert nach juris).
Dieser Ansicht vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. Er folgt vielmehr den von Cierniak/Herb (Pflicht zur Belehrung über die Freiwilligkeit der Teilnahme an einer Atemalkoholmessung?, NZV 2012, 409) überzeugend dargelegten Erwägungen. Danach gilt Folgendes:
Die unterbliebene Belehrung über die Freiwilligkeit des Tests führt nicht zu einer Unverwertbarkeit der Messung (so auch AG Michelstadt NZV 2012, 97). Es ist zwar anerkannt, dass niemand gegen seinen Willen zu seiner Überführung beitragen muss. Im Strafverfahren ist ein Beschuldigter grundsätzlich nicht verpflichtet, aktiv die Sachaufklärung zu fördern. Ein Beschuldigter ist nicht gehalten, zu seiner eigenen Überführung tätig zu werden. Deshalb darf er nicht zu Tests, Tatrekonstruktionen, Schriftproben oder zur Schaffung ähnlicher für die Erstattung eines Gutachtens notwendiger Anknüpfungstatsachen gezwungen werden (BGH NJW 1986, 2261;, 2263; NStZ 2004, 392, 393). So darf ein Beschuldigter, der einer Verkehrsstraftat verdächtig ist, auch nicht zu einem Atemalkoholtest gezwungen werden (BGH VRS 39, 184). Diese Grundsätze haben auch in anderen Verfahren, in denen ähnliche Sanktionen wie im Strafrecht drohen, Geltung (BVerfG NJW 1981, 1431 = BVerfGE 56, 37), auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren (BVerfG NJW 1981, 1987 = BVerfGE 55, 144; Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 55 Rn. 8).
Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob über die Freiwilligkeit der Mitwirkung auch belehrt werden muss.
Gesetzlichen Regelungen kann eine solche Pflicht nicht entnommen werden. Der Gesetzgeber hat Belehrungspflichten nur in besonderen Fällen geregelt. So muss nach § 81h Abs. 4 StPO der Betroffene im Falle einer DNA-Reihenuntersuchung darüber belehrt werden, dass diese Maßnahme nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden darf. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO sieht die Belehrung des Beschuldigten über sein Schweigerecht vor. Letztgenannte Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach allein für Vernehmungen. Eine entsprechende Anwendung auf andere Fälle kommt nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber in anderen Fällen eine Belehrungspflicht ausdrücklich geregelt hat, wie etwa in § 81h Abs. 4 StPO, und deshalb eine Regelungslücke nicht besteht (Cierniak/Herb a. a. O., 412 f).
Die Rechtslage bei Blutentnahmen nach § 81h StPO ergibt nichts anderes. Anerkannt ist zwar, dass die Einwilligung des Beschuldigten eine richterliche Anordnung entbehrlich macht. Diese Einwilligung muss ausdrücklich und eindeutig sein. Dabei muss der Beschuldigte in der Regel auch über sein Weigerungsrecht belehrt werden (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 2005, 399). Dabei geht es in den Fällen, in denen eine förmliche richterliche Anordnung rechtmäßig wäre, nicht um die freiwillige Hingabe eines für die Ermittlungsbehörden sonst nicht zur Verfügung stehenden Beweismittels, sondern nur um einen Verzicht auf die Einhaltung einer verfahrensmäßigen Absicherung der Beschuldigtenrechte, der den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit nicht unmittelbar betrifft (Cierniak/Herb a. a. O., 412).“
Damit dürfte die Frage entschieden sein. Wer als Verteidiger aber ggf. wissen will, was sein OLG dazu meint – und dann vielleicht der BGH (siehe aber Cierniak :-)): Der darf den Widerspruch in der Hauptverhandlung nicht vergessen. Sonst bringt es in der Rechtsbeschwerde nichts.
Ja, so ist die Staatsgewalt. Aus meiner Sicht gibt es keine Freiwilligkeit ohne dem Wissen darum. Nachweispflichtig über die Freiwilligkeit wäre in einem Rechtstaat die Strafverfolgungsbehörde – aber halt auch nur in einem Rechtsstaat. Hierzulande wird dagegen ein verlogenes Über-den-Tisch-ziehen als kriminalistische List gepriesen.
Die Freiwilligkeit ist juristisch gesehen ein Verzicht auf das Verfassungsrecht der Selbstbelastungsfreiheit. Es müssen also die Regeln wie bei jedem Verzicht liegen. Listiges Verhalten darf nicht belohnt werden.
sascha Petzold
Abwegige Wortakrobatik zur Erreichung des gewünschten Ziels: Nicht sein kann, was nicht sein darf.
Wie der Kollege Petzold schon zutreffend ausführte: „Keine Freiwilligkeit ohne Wissen darum“ – und das ist in der doch tendenziell eher obrigkeitshörigen deutschen Öffentlichkeit eher nicht gegeben.