Archiv für den Monat: Juli 2013

„Allein“ die Behinderung des Verkehrsblitzers – strafbar? Nein, allein nicht…

Am 12.09.2012 hatte ich unter dem Titele: Die “Behinderung” des Verkehrsblitzers – was ist das? über den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.08.2012 – 2 (7) Ss 107/12 – AK 57/12 berichtet, in dem das OLG den BGH gefragt hatte: „Ist eine Geschwindigkeitsmessanlage eine eigenständige, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienende Anlage im Sinne des § 316 b Abs. 1 Nr. 3 StGB?“ Grundlage für den Vorlagebeschluss des OLG war folgender Saachverhalt – ich zitiere aus dem früheren Posting:

„Am Tattag hatte der Angeklagte gegen 10.30 Uhr in B. auf der C-Straße aus Verärgerung darüber, dass er unmittelbar zuvor mit überhöhter Geschwindigkeit von einem Geschwindigkeitsmessgerät geblitzt wurde, sein Kastenwagen direkt vor den Sensor der dort mobil aufgestellten Geschwindigkeitsmessanlage abgestellt, um weitere Messungen zu verhindern. Nachdem der Messbeamte den Angeklagten, der weggegangen war, mehrfach telefonisch erfolglos aufgefordert hatte, den Kastenwagen zu entfernen, rief der Messbeamte ein Abschleppunternehmen. Inzwischen fuhr der Angeklagte, dem das Abschleppen angedroht worden war, den Kastenwagen weg und stellte an derselben Stelle einen Traktor mit Anhänger ab und ließ den Frontlader herunter, so dass er nicht abgeschleppt werden konnte. Erst nach Eintreffen der Polizei entfernte der Angeklagte den Traktor. Aufgrund des Verhaltens des Angeklagten konnte – wie von ihm beabsichtigt – die Messstelle ca. eine Stunde von dem Messbeamten nicht betrieben werden.“

Das OLG wollte den Angeklagten wegen Störung öffentlicher Betriebe gemäß § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB verurteilen, sah sich daran jedoch durch einen entgegenstehenden Beschluss des OLG Stuttgart vom 03.03.1997 (NStZ 1997, 342 f.) gehindert.

Nun hat der BGH im BGH, Beschl. v. 15.05.2013 – 1 StR 469/12 – die Antwort gegeben. Die Vorlage ist unzulässig, weil die Voraussetzungen gemäß § 121 Abs. 2 GVG nicht gegeben sind. Es fehle an einer dem Tatbestand des § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB unterfallenden Tathandlung des Angeklag­ten. Das OLG Karlsruhe könne daher mangels Tatbestandsmäßigkeit gem. § 316b Abs. 1 StGB nicht von der Rechtsansicht des OLG Stuttgart NStZ 1997, 342 abweichen. Dazu der BGH:

„..1. § 316b Abs. 1 StGB weist eine zweiaktige Struktur auf. Der Tatbe-stand setzt für den hier allein in Frage kommenden § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB eine Störung oder eine Verhinderung des Betriebs einer der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienenden Anlage voraus. Diese Störung oder Verhinderung muss ihre Ursache (siehe nur Fischer, StGB, 60. Aufl., § 316b Rn. 6) da-rin haben, dass eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar gemacht oder – was hier ersichtlich von vorn-herein nicht in Frage kommt – die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzogen wird.

Hier kommt allenfalls das Merkmal des Unbrauchbarmachens einer dem Betrieb dienenden Sache, dem wie auch immer technisch gestalteten Messgerät, in Betracht, was aber entgegen der vom vorlegenden Oberlandesgericht vertretenen Auffassung ebenfalls ausscheidet.

2. Vorliegend hat der Angeklagte die beabsichtigten Geschwindigkeitsmessungen allein dadurch verhindert, dass er mit seinen jeweils in Richtung des Messstrahls geparkten Fahrzeugen Messungen anderer vorbeifahrender Fahrzeuge verhinderte. Dabei wirkte er jedoch, anders als bei dem vom Oberlandesgericht Stuttgart (NStZ 1997, 342 f.) entschiedenen Fall, nicht einmal äußerlich durch Beschmieren oder bspw. Bekleben auf die Substanz der Sache ein. Es lag mithin keine Manipulation an dem Messgerät selbst oder einem wesentlichen Teil davon vor, die zu einer tatsächlichen Funktionsminderung geführt haben könnte, was aber Voraussetzung einer Tatbestandsmäßigkeit wäre (zur Erforderlichkeit einer Einwirkung auf die Sachsubstanz vgl. OLG Celle, NStZ 2005, 217; BVerfG NVwZ 2006, 583; LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 317 Rn. 9, 11; SK-StGB/Wolters, 129. Lief. § 316b Rn. 10; Fischer, aaO; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 316b Rn. 5). 

Der Generalbundesanwalt hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass derjenige den Tatbestand nicht er-füllt, der einen Fernsprechanschluss dadurch blockiert, dass er diesen anwählt und nicht auflegt (vgl. LK-StGB/Wolff aaO). Dem entspricht auch, dass bei Blockadeaktionen gegenüber einem Zug es nicht ausreichend ist, wenn dessen Weiterfahrt durch Personen auf den Gleisen verhindert wird; erst bei einem direkten Einwirken auf die Gleise selbst kann der Tatbestand gegeben sein (OLG Celle NStZ 2005, 217 f.).

So liegt der Fall auch hier. Mit dem Parken seiner Fahrzeuge vor dem Sensor der Messeinheit hat der Angeklagte zwar weitere Messungen anderer Fahrzeuge verhindert, an einem direkten Einwirken auf die Sachsubstanz fehlte es aber. Dies erweist sich schon daraus, dass bereits ein leichtes Versetzen des Messfahrzeuges oder (je nach Gerät) auch nur der Messeinrichtung Messungen wieder möglich gemacht hätte. …“

Nur der Vollständigkeit halber: RVG-Reform dürfte kommen – nur noch einen Tag Daumen drücken

Wenn man sich die Tagesordnung der morgigen Bundesratssitzung anschaut, dann kann man zunächst mal ganz beruhigt sein. Denn als TOP 62 und TOP 63 findet man dort das „Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG)“ und das „Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts“, also die beiden Gesetze, für die die Länder ein Paket geschnürt hatten mit dem Inhalt: Kommt das eine nicht, kommt das andere auch nicht.

In den zu diesen beiden TO-Punkten gehörenden BR-Drucksachen 541 und 542/13 heißt es, dass der Bundestag die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses angenommen hat. Damit ist dann wohl der Weg für die Reformen frei. Fraglich ist dann nur noch, wann die Änderungen in Kraft treten. Es war mal in den Gesetzesmaterialien der 01.08.2013 als Fixtermin vorgesehen. Jetzt ist es der in Artikel 50 der (übliche) ersteTag des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats. Das kann der 01.08.2013 sein,. ich glaube aber eher an 01.09.2013. Aber: Kommen wird die Reform – nur noch einen Tag Daumen drücken. :-). Bisschen dauern wird es aber, bis der Bundesrat morgen bei den TOP 62 und 63 angekommen ist.

Neue Töne bei der Polizei – das „Peter-Ramsauer-Gedächtnissignal“

© MarkusBeck – Fotolia.com

In der „Westfälischen Nachrichten“ von gestern – hier auf Borkum dauert es immer, bis die „Tages“Zeitung – eingetroffen ist – lese ich gerade, dass morgen im Bundesrat auch eine Entscheidung über neue Polizeisignale ansteht, also „neue Töne bei der Polizei“ (vgl. auch hier). Die „Westfälischen Nachrichten“ sprechen von einem „Hauch von Hollywood“. Danach soll neben Blaulicht und dem uns allen bekannten „TaTüTata, in Zukunft auch rotes Blinklicht und eine heulende Sirene zulässig sein. Hintergrund ist, dass diese Änderung es für die Polizeibeamten sicherer und effektiver machen soll, Autos zu stoppen.

Hintergrund dieser Meldung ist die Änderung der StVZO durch die 48. ÄnderungsVO, die sich hinter Folgendem verbirgt (vgl. BR-Drucks. 445/13):

§ 22a Absatz 1 wird wie folgt geändert:
……

Änderung Nach Nummer 19 wird folgende Nummer 19a eingefügt:
„19a. Warneinrichtungen mit einer Folge von Klängen verschiedener Grundfrequenz
(Anhaltehorn) (§ 55 Absatz 3a);

und

§ 52 wird wie folgt geändert:
…………
c) Absatz 3a wird wie folgt gefasst:
„(3a) Kraftfahrzeuge des Vollzugsdienstes der Militärpolizei, der Polizeien des
Bundes und der Länder sowie des Zollfahndungsdienstes dürfen folgende Kennleuchten
und Signalgeber haben:
1. Anhaltesignal
2. nach vorn wirkende Signalgeber für rote Lichtschrift sowie
3. nach hinten wirkende Signalgeber für rote oder gelbe Lichtschrift.
Kraftfahrzeuge des Vollzugsdienstes des Bundesamtes für Güterverkehr dürfen mit
einem nach hinten wirkenden Signalgeber für gelbe Lichtschrift ausgerüstet sein.
Die Kennleuchten für rotes Blinklicht und blaues Blinklicht dürfen nicht gemeinsam
betrieben werden können. Ergänzend zu den Signalgebern dürfen fluoreszierende
oder retroreflektierende Folien verwendet werden.“.

Also nicht erschrecken, wenn es neue Töne bei der Polizei gibt. Vielleicht nennen wir die Töne/den Ton das „Peter-Ramsauer-Gedächtnis-Signal“ 🙂 🙂

Die Strafbarkeit bloggender Rechtsanwälte – zumindest ein Etappensieg duch das AG Hamburg

© strixcode – Fotolia.de

Zur Strafbarkeit bloggender Rechtsanwälte ist in den vergangenen Tagen und Wochen einiges in den Blogs geschrieben worden. Ausgangspunkt waren die Strafverfahren, die gegen verschiedene Kollegen, die u.a. im Rahmen von Blogbeiträgen auch aus laufenden Verfahren berichten, eingeleitet worden waren (vgl. u.a. Bloggen kann gefährlich sein – Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat ein Ermittlungsverfahren wegen eines Blogbeitrags gegen mich eingeleitet; oder Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen: Ich muss nicht klüger als der BGH sein, oder vielleicht doch?) bzw. die Unterlagen aus Verfahren auf ihrer Homepage im Rahmen einer Dokumentation eingestellt hatte (vgl. dazu Mag die Staatsanwaltschaft Augsburg engagierte Strafverteidiger nicht? oder die Ermittlungen gegen G.Strate, vgl. auch noch hier).

Im “Fall Strate” als Ableger aus dem Fall Mollath“ hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg in einem gegen den Kollegen Strate wegen des Verdachts der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen eingeleiteten Verfahren (§ 353d Nr. 3 StGB) beantragt, unter „Vorbehalt der Beschlagnahme des Datenspeichers des Servers und der Speichermedien, auf dem sich die im Antrag genannten Dokumente befinden, die Löschung der auf der Internetseite www.strate.net <http://www.strate.net> befindlichen Links und des zugehörigen Inhalts im Internet anzuordnen„. Den Antrag hat das AG Hamburg mit dem AG Hamburg, Beschl. v. 27.06.2013 – 166 Gs 377/13 -, den der Kollege Strate dankenwerter Weise auf seine Homepage hier eingestellt hat, zurückgewiesen.

Kurzzusammenfassung: Kein Anfangsverdacht, denn

  1. Die vom Kollegen Strate eingestellte Einstellungsverfügung wird nicht vom Schutzzweck der Norm des § 353d StGB erfasst.
  2. Die Veröffentlichung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 26.04.2013 sowie der gutachterlichen Stellungnahmen des BKH vom 04.03. und 16.04.2013 sind ebenfalls nicht tatbestandsmäßig. Bei der in regelmäßigen Zeitabständen zu erfolgenden Überprüfung der Unterbringung durch das LG Bayreuth gemäß § 67e StGB handelt es sich nicht um ein Strafverfahren.
  3. Auch die Veröffentlichung des Wiederaufnahmeantrages der StA Regensburg ist nicht tatbestandsmäßig. Zwar ist ein Wiederaufnahmeverfahren ein Strafverfahren im Sinne von § 353d Nr. 3 StGB, jedoch hat dieses Verfahren noch gar nicht begonnen. Das Wiederaufnahmeverfahren wird erst durch einen entsprechenden Beschlusses des LG Regensburg eingeleitet, mit dem die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Mollath angeordnet wird.

Liest sich doch ganz gut und wird die bloggenden Kollegen – mich natürlich auch – freuen. Vielleicht freuen sich aber auch der ein oder andere BVerfG- oder BGH-Richter. Denn die veröffentlichen ja auch aus laufenden Gerichtsverfahren 🙂 (vgl. dazu der Kollege Pohlen in: Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen: Ich muss nicht klüger als der BGH sein, oder vielleicht doch?).

Ich bin mal gespannt, ob die StA Hamburg den Beschluss so hinnimmt oder ob Beschwerde eingelegt wird. Zumindest aber schon mal ein Etappensieg.

Ausländische Fahrerlaubnis hat keine Ende.. schon wieder geht ein Verfahren zum EuGH

© sashpictures - Fotolia.com

© sashpictures – Fotolia.com

Demnächst werden wir mal wieder etwas vom EuGH zur ausländischen Fahrerlaubnis hören (zum wie vielten Mal eigentlich?). Denn das VG Sigmaringen hat mit dem VG Sigmaringen, Beschl. v. 30.04.2013, 4 K 133/13 – dem EuGH (schon wieder) einige Fragen zur Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis, und zwar einer österreichischen, vorgelegt

Dem VG geht es u.a. um die Frage, ob die Entziehung einer in Österreich erteilten EU-Fahrerlaubnis durch deutsche Behörden bei fehlendem Wohnsitz im Inland zulässig ist oder ob insofern eine ausschließliche Zuständigkeit des Ausstellerstaates besteht. Das VG hat folgenden Sachverhalt zu entscheiden (vgl. dazu aus der PM v. 21.05.2013):

„Die Klägerin ist österreichische Staatsangehörige und hat eine österreichische Fahrerlaubnis. Bei einer Polizeikontrolle im Allgäu wurden Anzeichen für Cannabiskonsum festgestellt, der mit dem anschließenden Bluttest in nicht unerheblichem Umfang bestätigt wurde. Sie wehrt sich nun gegen den Entzug der Fahrerlaubnis durch die deutsche Verkehrsbehörde. Die weiter informierte österreichische Behörde erklärte, dass sie wegen der Drogenfahrt nichts unternehmen werde. Der festgestellte hohe psychoaktive THC-Wert von 18,8 ng/ml und der THC-COOH-Gehalt von 47,4 ng/ml gebiete keine andere Bewertung, da es, im Gegensatz zu Alkohol, keine Grenzwerte gebe.

Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass die zu treffende Entscheidung maßgeblich von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängt. Nach nationalem Recht könne die Anfechtungsklage keinen Erfolg haben. Es stelle sich daher die Vorlagefrage, ob die nach der 3. Führerscheinrichtlinie gemeinschaftsrechtlich sich ergebende Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine einer nationalen Regelung der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehe, nach der das Recht, von einer ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, nachträglich auf dem Verwaltungswege aberkannt werden muss, wenn der Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis mit dieser in Deutschland ein Kraftfahrzeug unter Einfluss illegaler Drogen führt und in der Folge, nach den deutschen Bestimmungen, seine Fahreignung nicht mehr besteht. Es sei nicht hinreichend geklärt, ob der Mitgliedstaat, auf dessen Territorium Verkehrsverstöße begangen würden, aus denen sich Anhaltspunkte für Fahreignungszweifel ergeben würden, gegen den Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis mit Wohnsitz im Ausland fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen ergreifen könne.“