Archiv für den Monat: Dezember 2012

Wochenspiegel für die 51 KW., das war die Reise nach Jerusalem, die 10 Mio €-Kaution und die Bundesweihnachtskugel

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Heute dann den Wochenspiegel für die letzte volle Arbeitswoche des Jahres 2012, na ja, der ein oder andere wird auch schon eher in die Weihnachtsferien gegangen sein. Dafür sprechen m.E. die vielen automatischen Nachrichten, die in der letzten Woche auf die Versendung von Emails schon eingetrudelt sind. Zu berichten ist aus der letzten Woche über:

  1. die Richter am BGH, die die Reise nach Jerusalem spielen,
  2. Schusswaffen im Gericht (?),
  3. einen „Teilrückzieher“ im Fall Mollath, vgl. auch noch hier und hier,
  4. die 10 Millionen Euro-Kaution,
  5. die Frage, ob 22 Richter irren können,
  6. die Haftung bei einem als unfallfrei verkauften Unfallfahrzeug,
  7. die Frage, was ein Verkehrsunfall i.S. des § 142 StGB ist,
  8. den Klarnamenzwang bei Facebook, vgl. auch hier,
  9. die Reaktionszeit von 60 Minuten auf Kundenanfragen,
  10. und dann waren da noch die Weihnachtsgrüße mit der Bundesweihnachtskugel.

Immer an der Wand lang…..

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Ein Autofahrer, der sehr nah an einer Hauswand entlang fährt, muss besondere Vorsicht walten lassen und kann sich nicht auf die Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers berufen, wenn er einen an der Hauswand befestigten Blitzableiter streift. Das hat das AG München mit dem AG München, Urt. v. 27.06.2012, – 241 C 31612/10 – entschieden, wie die PM des AG München vom 10.12.2012 mitgeteilt hat. Da heißt es:

Die Tochter des späteren Klägers parkte Ende 2009 mit dem Wagen ihres Vaters, einem Fiat Bravo, auf dem Kundenparkplatz eines Einrichtungszentrums. Beim Einparken stieß sie gegen einen Blitzableiter, der an der Außenfassade des Einrichtungshauses befestigt war und 6 cm von der Fassade in den Stellplatz hineinragte. Dadurch wurde der Kotflügel des Fahrzeuges beschädigt. Die Reparaturkosten betrugen 795 Euro. Diese Kosten wollte der Eigentümer des Autos von dem Inhaber des Einrichtungszentrums. Schließlich habe dieser gegen seine Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Der Blitzableiter sei in der Wandfarbe gestrichen und somit nicht erkennbar gewesen. Der Betreiber des Einrichtungshauses weigerte sich zu zahlen. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass die Tochter des Autobesitzers derart nahe an die Außenfassade fahre. Sie hätte bei ihrem Einparken einen ausreichenden Sicherheitsabstand wahren müssen. Der Eigentümer des Fiats erhob daraufhin Klage vor dem Amtsgericht München.

Die zuständige Richterin wies die Klage jedoch ab. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht vor. Zwar sei derjenige, der eine Gefahrenlage schaffe, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Es müsse aber nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden, sondern nur diejenigen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten dürfe und die nach den Umständen zumutbar seien. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Blitzableiter nur 6 cm von der Wand in den Parkplatz hineinrage. Allein der Außenspiegel sei deutlich breiter als 6 cm. Zu einer Beschädigung des PKWs könne es daher nur kommen, wenn dessen Fahrer in einem sehr spitzen Winkel einparke und extrem nah an die Wand fahre. Tue er aber dieses, habe er besondere Vorsicht walten zu lassen. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Betreibers des Einrichtungszentrums scheide daher aus.

Das Urteil ist rechtskräftig.“

 

 

 

Das Gute kommt (fast) zum Schluss – (Ausnahme)Kostenentscheidung bei § 153a StPO

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Das Gute kommt (fast) zum Schluss? Ja, das Arbeitsjahr ist bei vielen, wie mir die große Zahl an automatischen Antworten auf Mails zeigt, fast zu Ende. Das Jahr 2012 hat zwar noch eine Woche, aber da scheint dann auch nicht mehr viel los zu sein an den beiden „Arbeitstagen“ am 27. und 28.12.2012- Daher schon heute – natürlich bloggen wir auch an den kommenden Tagen – der Hinweis auf den kosten- und auslagenmäßig interessanten AG Backnang, Beschl. v. 16.10.2012 – 2 Ds 93 Js 111535/11, der nach Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO ergangen ist und die notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt hat, was in der Praxis eher die Ausnahme sein dürfte.

Das AG Backnang begründet seine Entscheidung wie folgt:

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO.

Von der Möglichkeit des § 467 Abs. 4 StPO, wonach im Falle einer Ermessenseinstellung davon abgesehen werden kann, die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, hat das Gericht keinen Gebrauch gemacht. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Auch bei Einstellungen nach Ermessen gilt als Grundsatz die Regelung des § 467 Abs. 1 StPO. Ferner ist anerkannt, dass die Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen sind, wenn der bei der Einstellung noch vorhandene Verdacht sich auf eine Straftat bezieht, die sehr viel leichter wiegt als der Vorwurf, zu dessen Entkräftung der Angeklagten die Auslagen entstanden sind (Meyer-Goßner, § 467 StPO, Rn. 19). Dies ist vorliegend der Fall. Die Staatsanwaltschaft hat der Angeklagten zunächst gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt, das Gericht hat die entsprechende Anklage in vollem Umfang zur Hauptverhandlung zugelassen. Aufgrund des auf Antrag des von der Angeklagten hinzugezogenen Verteidigers eingeholten Sachverständigengutachtens stellte sich heraus, dass der diesbezügliche Anklagevorwurf nicht aufrecht erhalten werden kann; die verbliebenen weiteren Anklagevorwürfe waren allesamt von deutlich geringerem Gewicht. Bereits dieser Umstand führt dazu, dass ein Abweichen vom Grundsatz des § 467 Abs.1 StPO nicht sachgerecht erscheint.

Hinzu kommt vorliegend, dass der wesentliche entlastende Umstand, der überhaupt erst zur Einstellung führte, ausschließlich aufgrund des begründeten Antrags des Verteidigers ermittelt wurde. Die Staatsanwaltschaft sah im Ermittlungsverfahren keinen Anlass, die Angaben des Zeugen S. überprüfen zu lassen, und das Gericht ließ die Anklage in vollem Umfang zu, ohne etwa von der Möglichkeit des § 202 StPO Gebrauch zu machen. Werden aber wesentliche entlastende Umstände von den Strafverfolgungsbehörden nicht von Amts wegen ermittelt, sondern bedarf es hierzu entsprechender Verteidigeranträge, so erschiene es unbillig, die Angeklagte mit den hierfür anfallenden Anwaltskosten zu belasten.

Die Argumentation sollte man im Augen/Gedächtnis behalten. 

Bedeutungslos – das muss man eingehend begründen

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Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache unterliegt nach der Rechtsprechung des BGH besonderen Anforderungen. In dem Bereich ist die Rechtsprechung des BGH verhältnismäßig streng, wie der BGH, Beschl. v. 27.11.2012 – 5 StR 426/12 – noch einmal zeigt.

Zum Sachverhalt: In einem BtM-Verfahren hatten die Angeklagten „die Vernehmung der Zeugen O. und L. – ersteren als Zeugen vom Hörensagen, letzteren als unmittelbaren Zeugen – zum Beweis der Tatsache begehrt, dass der Mitangeklagte P. in der Justizvollzugsanstalt T. , in der er als Vollzugsbeamter tätig war, mit Drogen gehandelt habe. Zur Begründung hat das Tatgericht ausgeführt, die Beweistatsache lasse keine zwingenden Schlüsse auf die „Glaubwürdigkeit“ des Mitangeklagten zu. Sie beträfe lediglich einen Randbereich seiner Aussage. Im Übrigen hätten die Angeklagten selbst eine Tatbeteiligung eingeräumt.

Dem BGH reichte das nicht:

Dies genügt nicht den Anforderungen, die an die Begründung der Ablehnung eines auf eine Indiztatsache gerichteten Beweisantrags zu stellen sind. Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb (BGH, Urteil vom 7. April 2011 – 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713 mwN). Dies nötigt zu einer Einfügung der Beweistatsache in das bisher gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2011 – 5 StR 397/11, NStZ-RR 2012, 82)…..“

Anfängerfehler: Strafzumessung im BtM-Verfahren ohne Wirkstoffgehalt?

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Der BGH war mit des Strafzumessung in einem landgerichtlichen Urteil, das den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen, davon in einem Fall in nicht geringer Menge, und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt hatte, nun gar nicht zufrieden und er es hat im BGH, Beschl. v. 24.10.2012 – 4 StR 377/12 mit dürren Worten aufgehoben.

In den Fällen 1 bis 11 der Urteilsgründe fehlen Feststellungen zum Wirk-stoffgehalt des gehandelten bzw. im Besitz des Angeklagten aufgefundenen Marihuanas. Ohne diese Angabe vermag das Revisionsgericht nicht zu prüfen, inwieweit die Einzelstrafen rechtsfehlerfrei bemessen sind, da die Wirkstoff-menge einen wesentlichen Umstand für die Beurteilung der Schwere der Tat und die Bestimmung des Schuldumfangs darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom  22. Oktober 2002 – 4 StR 345/02 – und vom 27. April 2004 – 3 StR 116/04, StV 2004, 602).

In den Fällen 12 und 13 der Urteilsgründe rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht den Umstand, dass das Amphetamin und das Kokain sichergestellt worden sind, nicht strafmildernd berücksichtigt hat. Zwar braucht der Tatrichter im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Bemes-sung der Strafe bestimmend gewesen sind (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Es stellt aber grundsätzlich einen gewichtigen und deshalb erörterungsbedürftigen Strafmilderungsgrund dar, wenn die Betäubungsmittel sichergestellt werden und es deshalb nicht zu einer Gefährdung von Drogenkonsumenten kommen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. März 2006 – 4 StR 42/06, NStZ-RR 2006, 220, und vom 7. Februar 2012 – 4 StR 653/11, NStZ-RR 2012, 153). Im Fall 12 der Urteilsgründe kommt hinzu, dass der Drogenversand den Ermittlungsbe-hörden aus der Telefonüberwachung bekannt war.

Zumindest hinsichtlich der fehlenden Feststellungen zum Wirkstoffgehalt m.E. ein Anfängerfehler. Und auch die anderen beanstandeten Punkte sollte man wissen und beachten. Und dann kommt das auch noch vom LG Münster :-(.