Das AG verurteilt den Betroffenen am 25.02.2010 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung und verhängt auch ein Fahrverbot. Dagegen legt der Betroffene Rechtsbeschwerde ein. Ausweislich eines richterlichen Vermerks vom 19. 10.2011 wurde das in Rede stehende, am 25. Februar 2010 verkündete Urteil in der Folge zunächst „(…) aus Gründen, die aus der Akte nicht ersichtlich sind (…) nicht abgesetzt und zugestellt“. Nachdem man die Akte wieder gefunden hat (vom Verf. :-)) wird das Rechtsbeschwerdeverfahren betrieben und die Sache kommt endlich zum OLG. Der Betroffene hatte sicherlich schon auf eine Einstellung wegen Verjährung gehofft. Aber das OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.03.2012 – 6 Ss 54/12 belehrt ihn eines Besseren, na ja zumindest anders:
„b. Hinsichtlich der von der Verteidigung erhobenen Einrede der Verjährung verhält es sich wie folgt:
Gemäß § 32 Abs. 2 OWiG läuft die (Frist der) Verfolgungsverjährung, die als Verfahrensvoraussetzung/-hindernis vom Senat im Rahmen der Rechtsbeschwerde von Amts wegen eigenständig unter Benutzung aller verfügbaren Erkenntnisquellen im Freibeweisverfahren zu überprüfen ist (vgl. Gürtler, in Göhler, OWiG, 15. Aufl., Vor § 31 Rdnr. 3 sowie Seitz in Göhler, aaO., § 79 Rdnr. 47a), in Bußgeldsachen nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, sofern vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges oder ein Beschluss nach § 72 OWiG ergangen ist; eine zeitliche Limitierung gibt es in diesem Zusammenhang nicht (vgl. Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 32 Rdnr. 16), weshalb infolge der Ablaufhemmung auch die Grenze der absoluten Verjährung durchbrochen werden kann.
Hiernach ist festzustellen, dass die Tat vom 22. Januar 2009 nicht verjährt ist. Durch das angefochtene Urteil wurde die am 25. Februar 2010 noch nicht abgelaufene Verjährungsfrist gemäß § 32 Abs. 2 OWiG zum Ruhen gebracht. Der Senat verkennt nicht, dass eine gerichtliche Entscheidung im Sinne der genannten Vorschrift, die an einem wesentlichen Formmangel leidet und sich (insofern) als unvollständig erweist, für den Eintritt dieser Hemmungswirkung nicht ausreichen kann (vgl. Gürtler in Göhler, aaO., § 32 Rdnr. 7; OLG Frankfurt, DAR 2007, 38 f.; OLG Hamm ZfS 2004, 92 f.). Ein entsprechendes, dem Ruhen der Verfolgungsverjährung entgegen stehendes Defizit lässt sich vorliegend indes nicht feststellen: Für den Fall eines erstinstanzlichen Urteils ist die Verkündung der betreffenden Entscheidung für das Ruhen der Verfolgungsverjährung gemäß § 32 Abs. 2 OWiG notwendig aber auch ausreichend. Auf die inhaltliche Richtigkeit des Urteils kommt es nicht an (vgl. Bohnert, aaO., § 32 Rdnr. 11); demzufolge sind auch rechtlich fehlerhafte Entscheidungen geeignet, den Ablauf der Verjährungsfrist zu hemmen, sofern kein nichtiges Urteil anzunehmen ist, was (ausnahmsweise) dann in Betracht kommen kann, wenn besonders gravierende Mängel vorliegen, die der Strafprozessordnung und wesentlichen Rechtsstaatsprinzipien so evident widersprechen, dass es für die Rechtsgemeinschaft unerträglich wäre, sie als verbindlich hinzunehmen (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2002, 341; OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.01.2008 – Az. 4 Ws 412/07 -, jeweils m. w. N.).
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist in vorliegender Sache ein Ruhen der Verfolgungsverjährung seit dem 25. Februar 2010 gegeben. Auch wenn – wie hier – lediglich eine schriftlich fixierte Urteilsformel vorliegt und die Fertigstellung eines Urteils im Sinne von §§ 275 StPO, 46 Abs. 1 OWiG wegen Fehlens der hiernach vorgeschriebenen weiteren notwendigen Bestandteile (Rubrum, schriftliche Entscheidungsgründe, Unterschrift/en der/des an der Entscheidung beteiligten Berufsrichter/s) nicht gegeben ist, führt dies zu keiner Nichtigkeit der getroffenen Entscheidung. Die aus dem beschriebenen Versäumnis resultierende (Rechts-) Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils steht dem Eintritt der Ablaufhemmung im Sinne von § 32 Abs. 2 OWiG mithin nicht entgegen. …“
Aber wenigstens etwas:
Für das weitere Verfahren bleibt anzumerken, dass für den Fall einer (erneuten) Verurteilung der Betroffenen vor dem Hintergrund des bisherigen Verfahrensgangs in entsprechender Anwendung der vom Bundesgerichtshof in Strafsachen entwickelten Grundsätze bei rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen eine Kompensation im Rechtsfolgenausspruch zu erwägen ist (vgl. OLG Hamm DAR 2011, 409 ff.). Bei Berücksichtigung des mittlerweile gegebenen (längeren) zeitlichen Abstands zur Tat (-begehung) und der (bisherigen) – außerhalb des Einflussbereichs der Betroffenen liegenden – Dauer des Verfahrens, kann insofern auch eine Erhöhung der Geldbuße unter Wegfall der Fahrverbotsanordnung in den Blick zu nehmen sein (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 323).
An dem Letzteren dürfte wohl nach mehr als zwei Jahren Rechtsbeschwerdezeit kein Weg vorbei gehen.