Archiv für den Monat: Februar 2012

Providamessung – sag mir, wie du gemessen hast

Passt nicht ganz zum Blitzmarathon, habe ein wenig doch, da es auch um Geschwindigkeitsmessung geht. Allerdings Messung mit Provida. Die Messung mit Provida ist nach allgemeiner Meinung ein sog. standardisierte Messverfahren. Das heißt, die Feststellungen im Urteil des Amtsrichters müssen nicht so umfangreich sein. Messverfahren und Messtoleranz reichen. Allerdings: Auch die Betriebsart wollen die OLG wissen. Dazu jetzt noch einmal der OLG Bamberg, Beschl. v. 25.10.2011 – 3 Ss OWi 11904/11 – mit den Leitsätzen:

1. Erfüllt die Geschwindigkeitsermittlung die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens, genügt es im Regelfall, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und die nach Abzug der Messtoleranz ermittelte Geschwindigkeit stützt (Anschluss an BGHSt 39, 291/301 ff.; 43, 277/282 ff.; BayObLGSt 1993, 55/56 f.; stRspr.).

2. Zu den in den Urteilsgründen niederzulegenden Mindestangaben zählt beim Einsatz des ProVida-Systems zur Geschwindigkeitsmessung allerdings grundsätzlich auch die Mitteilung, welche der nach diesem System mögliche Betriebsart bzw. Messmethode konkret angewandt und welcher Toleranzwert demgemäß zugrunde gelegt wurde.

Welchen Erfolg hatte der „Blitzmarathon“?

Nachdem der gestrige „Blitzmarathon“ in NRW abgeschlossen ist, berichtet die Tagespresse heute über den Erfolg (?), vgl. u.a. hier. Mir ist nicht so ganz klar, wie man den „Erfolg“ sieht bzw. sehen muss. „Erfolg“ muss/sollte man wohl als „= wenig Geblitzte) definieren, denn sonst läge der „Abzockevorwurf“ ja in der Luft.  Dafür sprechen die Formulierungen, allerdings heißt es auch:

Trotz aller Vorwarnungen sind der Polizei beim landesweiten „Blitz-Marathon“ am Freitag zahlreiche Raser ins Netz gegangen. Die Polizei in Düsseldorf sprach von einer „durchschlagenden Resonanz“. Innenminister Ralf Jäger (SPD) kündigte bereits an, die Aktion im Frühjahr und Herbst zu wiederholen.“ – so  hier,

andererseits klingt es bei uns in den Westfälischen Nachrichten – leider habe ich nichts zum Verlinken gefunden – außer diesem allgemeinen Bericht – dass man in Münster nicht so „erfolgreich“ war, also nicht (genug) Temposünder geblitzt hat. Hier:

Bei der größten Tempo-Kontrollaktion in Nordrhein-Westfalen sind am Freitag mehrere Autofahrer trotz Vorwarnung mit Vollgas in die Radarfallen gefahren. In Tönnishäuschen im Kreis Warendorf raste schon am Morgen ein Autofahrer mit Tempo 117 in eine 70-Zone. Allgemein zeigten sich die Verkehrsteilnehmer aber diszipliniert.“ 

Da scheint einer die Zeitung nicht gelesen zu haben.

Beim Voting auf der Seite der WN geht übrigens eine Mehrheit von „Abzocke“ aus.

„Abhauen“/Fahren nach Rumänien, das kann „Eigenmacht“ werden

Bleibt der Angeklagte einer (unterbrochenen) Hauptverhandlung fern, kann das Gericht nach § 230 StPO unter bestimmten Voraussetzungen ohne ihn verhandeln. Eine der Voraussetzungen ist, dass der Angeklagte „eigenmächtig“ fern geblieben ist. Das hat der BGH, Beschl. v. 12.01.2011 – 1 StR 474/11 bejaht. Dort hatte der Angeklagte das Gericht nach einer „Auslandsreiseerlaubnis“ gefragt. Die war verweigert worden, der Angeklagte ist dann aber trotzdem gefahren und konnte zur Fortsetzung wegen Krankheit nicht zurück sein. Dazu der BGH:
Der von der Revision geltend gemachte absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO, den sie aus einem Verstoß gegen § 230 Abs. 1 StPO i.V.m. § 231 Abs. 2 StPO herleiten will, liegt nicht vor. Der Kammervorsitzende hatte den Angeklagten, der nach Rumänien reisen wollte, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Auslandsreise im Hinblick auf die laufende Hauptverhandlung nicht in Betracht komme. Gleichwohl ist der Angeklagte entgegen einer gegenüber dem Landgericht abgegebenen Zusage, nicht ins Ausland zu reisen, nach dem 27. Verhandlungstag nach Rumänien ausgereist. Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass sich der Angeklagte nach Rumänien begeben hat, um sich dem Verfahren zu entziehen und um eine Situation zu schaffen, die eine Fortsetzung der Hauptverhandlung in seiner Gegenwart unmöglich macht. Er war somit bereits vor dem Tag vor dem geplanten Fortsetzungstermin, als er in Bukarest mit Symptomen einer schweren Erkältung ein Krankenhaus aufsuchte, und auch unabhängig von der dort u.a. diagnostizierten„interstitiellen Pneumonie“, entschlossen, der weiteren Hauptverhandlung fernzubleiben. Das Landgericht durfte daher gemäß § 231 Abs. 2 StPO die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten zu Ende führen. Der von der Revision angesprochene Umstand, dass der Angeklagte „nach wie vor flüchtig ist“, hat dabei keine Bedeutung für die Frage der Eigenmächtigkeit beim Fernbleiben des Angeklagten von den weiteren Hauptverhandlungsterminen.

Aller guten Dinge sind drei – nochmals OLG München: Ordnungsgemäße Anklageschrift?

Der OLG München, Beschl. v. 15.11.2011 – 5St RR (I) 64/11 – ist schon zweimal Gegenstand eines Postings gewesen (vgl. hier und hier), er ist aber auch noch wegen eines dritten Umstandes erwähnenswert. Im Verfahren ging es nämlich auch darum, ob die Anklageschrift ihre Umgrenzungs- und Abgrenzungsfunktion erfüllt. Es war ein BM-Delikt angeklagte, bei dem der Verteidiger Bedenken hatte, ob die gemachten Angaben konkret genug waren.

In der Anklage war (nur) ausgeführt:

Zu einem nicht genauen Zeitpunkt vor dem 15.04.2011, jedoch in unverjähr-ter Zeit, bewahrte der Angeschuldigte in seinem Zimmer in der Wohnung
              in                  in einer Gefriertüte eine nicht näher bekannte Menge Marihuana wissentlich und willentlich auf.

Das OLG hat das auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH als ausreichend angesehen:

Im vorliegenden Fall ist die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat durch die ge-naue Umschreibung des Aufbewahrungsortes des besessenen Rauschgifts – in einer Gefriertüte im Zimmer des Angeklagten in der Wohnung                       in
                            – hinreichend konkret umschrieben, so dass eine Verwechslung mit anderen Straftaten des Angeklagten ausgeschlossen ist. Unklarheiten, auf wel-chen Sachverhalt sich die Anklage bezieht, bestehen nicht. Die Unbestimmtheit in zeitlicher Hinsicht – in unverjährter Zeit vor dem 15. April 2011 – sowie hinsichtlich der Menge des besessenen Rauschgifts sind – mögen sie auch die sachgerechte Verteidigung etwas erschweren – zur Vermeidung von Lücken in der Strafverfol-gung hinzunehmen (vgl. BGHSt 40, 44, 48; OLG Hamm StraFo 2011, 92, 93; OLG München, Beschluss vom 19. April 2007 – 4 St RR 59/07).

An der Stelle also Punktsieg für die StA und Verwerfung der Revision zum Schuldspruch.