welche amtsgerichtlichen Entscheidungen es dann doch immer wieder gibt (ich schreibe bewusst nicht „fassungslos“, sonst hagelt es wieder Kommentare :-)). Jedenfalls fragt man sich, was bei den AG denn nun gelesen wird.
Nun ja, wenn schon keine Rechtsprechung, dann aber vielleicht doch die „Bibel der StPO“, den „Meyer-Goßner“. Und da steht doch ziemlich eindeutig in der Kommentierung zu § 140 StPO, dass es eben nicht nur auf die im jeweiligen Verfahren zu erwartende Strafe, sondern auch auf Auswirkungen der Verurteilung, sprich z.B. einen ggf. zu erwartenden Widerruf von Strafaussetzung, ankommt. Wenn man das weiß bzw. gewusst hätte, dann hätte man dem Angeklagten in OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13. April 2011 – 2 RVs 27/11 schon beim AG einen Pflichtverteidiger beigeordnet. Denn 8 Monate Freiheitsstrafe im Verfahren und 9 Monate drohender Widerruf in einem anderen Verfahren, sind eben mehr als die magische Zahl „1 Jahr Freiheitsstrafe“, bei der – so kann man es wohl formulieren – ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden muss. Das OLG hat es dann gerichtet.
Unabhängig davon: Man kann m.E. sogar der Auffassung sein, dass allein die 8 Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung ausgereicht hätten, einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Aber so weit ist die Rechtsprechung noch nicht.
Ich bin mal gespannt auf ihre dogmatischen Erläuterungen, warum ein Amtsrichter sich bei seiner Auslegung des vom Gesetzgeber bewusst schwammig gehaltenen § 140 sich an die Rechtsprechung sog. „höherer“ Gerichte oder gar an die wertvolle Meinung des Herrn halten muss.
Sie scheinen der Auffassung zu sein, dass der Angeklagte das Verfahren bei einer Straferwartung von netto 17 Monaten allein machen kann/soll. Nur zu und: Ihre richterliche Unabhängigkeit (?) will ich gar nicht ankratzen. Ich weiß, wie empfindlich Richter da sind bzw. sein können.
Nicht: „die Rechtsprechung“.
Sondern: „dieser konkrete Vorsitzende“.
Es heißt ja auch bekanntlich judex non calculat! Und nicht advocati non calculat aber zum Trost: Errare humanum est