Archiv für den Monat: September 2010

Akteneinsicht im OWi-Verfahren – Ring frei zur nächsten Runde?

Die Akteneinsicht im Owi-Verfahren, insbesondere deren Umfang, ist ein Dauerbrenner, der auch auf meinen Fortbildungsveranstaltungen immer wieder eine Rolle spielt. Bedienungsanleitung bzw. Lebensakte, ja oder nein? Dazu gibt es inzwischen einiges an Rechtsprechung, die die Frage „betroffenenfreundlich“ beantwortet (vgl. auch hier). In der Diskussion/dem Streit ist das AG Güterloh jetzt auf eine m.E. neue Idee gekommen. Es hat in seinem Beschl. v. 10.08.2010 – 12 O 582/10 den vom Verteidiger gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 OWiG) gegen die nicht vollständig gewährte Akteneinsicht unter Hinweis auf § 62 Abs. 1 Satz 2 OWIg als unzulässig abgelehnt. Es handele sich bei dem Akteneinsichtsantrag nämlich um eine Maßnahme, die zur Vorbereitung der Entscheidung getroffen werde und keine selbständige Bedeutung habe. Welche Beweismittel die Bußgeldbehörde beiziehe und zum Akteninhalt mache, sei zunächst ihr überlassen. Auch im gerichtlichen Verfahren könne die Ablehnung eines Beweisantrages nicht isoliert, sondern nur im Rahmen des Rechtsmittels gegen das Urteil angefochten werden.

Ein neuer Weg oder eine neue Runde im Kampf um die Akteneinsicht. Sicherlich innovativ, m.E. aber falsch. Fraglich ist schon, ob das AG überhaupt noch auf die Vorschrift des 3 62 Abs. 1 Satz 2 OWiG verweisen konnte. Denn der Bußgeldbescheid war bereits erlassen, so dass allenfalls noch die Frage von Bedeutung sein konnte/kann, ob nicht das Verfahren jetzt noch eingestellt wird. Aber unabhängig davon, handelt es sich bei der Frage der Akteneinsicht auch nicht um eine Maßnahme, der keine selbständige Bedeutung zukommt. Davon geht noch nicht einmal Göhler aus. Vielmehr erwähnt er den Fall der „Versagung der Akteneinsicht“ ausdrücklich als einen Fall, in dem der Antrag auf gerichtlich Entscheidung gestellt werden kann (vgl. OWiG, 15. Aufl., Rn. 3 aus). So im Übrigen auch die Verwaltungsbehörde, die in ihrer Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich auf diesen Rechtsbehelf hingewiesen hatte. Da hatte der Verteidiger etwas erstaunt geschaut, als ihm nun mitgeteilt wurde: Antrag ist unzulässig. Zudem würde – wenn die Auffassung des AG richtig wäre – der Betroffene in dieser Frage im Ermittlungsverfahren schutzlos gestellt und wäre nur auf die Rechtsbeschwerde angewiesen.

Ping – ruf mich zurück – oder, wenn der Betrüger einmal klingelt

Bisher vergessen hatte ich die Entscheidung des OLG Oldenburg v. 20.08.2010 -1 Ws 371/10 zur Strafbarkeit des Pinganrufs. Über die ist zwar schon an einigen Stellen berichtet worden (vgl. hier, hier, hier und hier), aber ich will sie der Vollständigkeit halber hinterher schicken. Das OLG sagt: In automatisiert durchgeführten, nach Herstellung der Verbindung sogleich wieder abgebrochenen Telefonanrufen (sogenannte Ping-Anrufe), die nur dazu dienen, die Angerufenen zu einem kostenpflichtigen Rückruf zu veranlassen, liegt eine betrugsrelevante Täuschung der Angerufenen. Es ist doch schön zu sehen, wie alte Vorschriften auf neue technische Entwicklungen passen.

Die umgewidmete Parkscheibe, oder: Kampf gegen die „Mallorca-Mentalität“

Die „Westfälischen Nachrichten“ berichten heute unter dem Titel: „Parkscheiben in der Bücherei“ über den Kampf gegen die „Mallorca-Mentalität“ bei Studenten, was meint: Morgens kommen, einen der raren Plätze reservieren und dann gehen – wohin auch immer :-). Das war früher alles anders. 🙂 🙂

Jetzt muss man, wenn man seinen Platz verlässt, eine Parkscheibe einstellen und darf den dann bis zu 60 Minuten – in der Mittagspause – vereinsamt zurücklassen (so auch bereits in Berlin und in Mannheim).

Und weiter: „Kontrollen werde es nicht geben, die Bücherei setzt auf „Selbstregulierung“. Die ersten Erfahrungen seien positiv.“ Schade, ich hatte schon gedacht, die StVO würde erweitert und die städtischen Politessen würden demnächst auch in der UB kontrollieren. Ein neues Feld für Verteidiger hätte sich aufgetan :-).

Steuerfahndung: „Wir machen auch Hausbesuche“

Bei Radio „Antenne Münster“ wurde gerade auf die neue Homepage der Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung NRW hingewiesen, die man hier findet.

Habe ich mir dann mal angesehen: Schon „nett“, wenn man auf der HP begrüßt wird mit dem Bild des Leiters der Steuerfahndung Münster und dem Slogan „Wir machen auch Hausbesuche.“ Soll wahrscheinlich witzig sein, kommt m.E. aber nicht so richtig rüber, zumindest bei mir nicht. Angegeben sind dann u.a. alle Adressen und Kontaktdaten der Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung in NRW. Das ist doch eine gute Sache. Wer mal plötzlichen Bedarf hat, mit denen zu kommunizieren, der kann darauf zurückgreifen 🙂 :-).

Die „kriminalistische Erfahrung“ und die Erstattungsfähigkeit der Kopierkosten von TÜ-Protokollen

In Strafverfahren gibt es immer wieder Streit in der Frage, welche Auslagen dem Pflichtverteidiger zu erstatten sind. Ansatzpunkt ist § 46 RVG und die Frage der „Notwendigkeit“. Das gilt vor allem, wenn es um den zweiten Aktenauszug für den Angeklagten geht. Da ist die (obergerichtliche) Rechtsprechung noch ziemlich restriktiv und verlangt vom Verteidiger, dass er aus der Akte das „herausschält“ und dem Mandanten vermittelt, was für diesen von Bedeutung ist. Das ist nicht immer einfach. Man denke da z.B. nur an komplizierte und komplexe Zeugenaussagen. In der Frage hat jetzt das LG Bad Kreunach einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. In seinem Beschluss vom 27.07.2010 -43 Js 5548/08 KLs hat für den Pflichtverteidiger in einem umfangreichen BtM-Verfahren zumindest die Kosten für das Kopieren der Telefonüberwachungsprotokolle festgesetzt = für erstattungsfähig gehalten. Begründung: “

„Die kriminalistische Erfahrung lehrt, dass insbesondere Täter, die sich in größerem Umfang an Betäubungsmittelgeschäften beteiligen, in aller Regel mit Telefonüberwachungsmaßnahmen rechnen und ihr Verhalten bei Telefonaten hierauf einstellen. Dies führt dazu, dass die Beschuldigten in Telefonaten so gut wie nie offen über Betäubungsmittelgeschäfte sprechen, sondern für die Mitteilung relevanter Informationen (etwa hinsichtlich Art und Menge der Drogen, anderer Beteiligter und relevanter Treffpunkte oder Tatmittel) individuelle Codes entwickeln, die nur den Gesprächspartnern bzw. der jeweiligen Tätergruppe bekannt sind. Diese besonderen Umstände machen es dem Verteidiger ungewöhnlich schwer, der Aufgabe des anwaltlichen Bestands, die in einem komplexen Verfahren auch im Wesentlichen darin besteht, mit dem beruflichen Sachverstand aus einer Fülle von Stoff das Wesentliche herauszuarbeiten und die entscheidenden Punkte dann mit dem Mandanten zu erörtern, sachgerecht nachzukommen. Der Verteidiger verfügt in der Regel nicht über die notwendigen tatsächlichen Hintergrundinformationen, um die volle Bedeutung solcher Telefonate zu erfassen und umfassend beurteilen zu können. Da es gerade auf einzelne Worte bzw. Verklausulierungen entscheidend ankommen kann, ist eine Zusammenfassung derart, dass der volle Inhalt erhalten bleibt, oft nicht möglich.“

Wer solche Protokolle einmal gelesen hat und damit zu tun hatte, weiß, wie Recht das LG hat. Und sicherlich auch ein Gebot der Fairness.