Hauptverhandlungen in Revisionsverfahren sind selten – allerdings finden sie beim BGH häufiger statt als beim OLG. Derjenige, der daher noch nie oder nur selten an einer solchen Hauptverhandlung teilgenommen hat, sollte daher über ihren vom „normalen Ablauf“ einer Hauptverhandlung abweichenden Verlauf nicht überrascht sein. Zu diesen Abweichungen gehört natürlich, dass eine Anklage nicht verlesen wird :-). Dieser Teil der HV wird ersetzt durch den sog. Vortrag des Berichterstatters (§ 351 Abs. 1 StPO).. In diesem fasst der Berichterstatter die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens zusammen. Der BGH hat in seinem Beschl. v. 15.07.200 – 1 StR 231/08, der – aus welchen Gründen auch immer – jetzt erst auf der HP des BGH eingestellt worden ist, ausgeführt:
„Insoweit ist es zulässig und für den Gang der Hauptverhandlung förderlich, wenn der Berichterstatter in seinem Vortrag auf die Punkte besonders hinweist, die im Rahmen der Plädoyers von den Verfahrensbeteiligten erörtert werden sollten. Entsprechend hat der abgelehnte Richter den Schwerpunkt auf die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils gelegt und die Gesichtspunkte angesprochen, bei denen aus seiner vor-läufigen Sicht mit Blick auf die erforderliche Gesamtwürdigung Bedenken bestehen könnten. Kennen alle Richter das angefochtene Urteil und das Revisionsvorbringen schon aus den Akten – dies ist hier der Fall -, kann sich der Vortrag des Berichterstatters auf eine gezielte Wiedergabe beschränken.
Aus der Erfüllung dieser gesetzlich übertragenen Aufgabe kann ein vernünftiger, zumal anwaltlich beratener Angeklagter die Besorgnis der Befangen-heit nicht herleiten. Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller vorgetragenen selektiven Benennung von Indizien. Anders als für die Beweis-würdigung im tatgerichtlichen Urteil besteht – wie dargelegt – nicht die Erforderlichkeit, dass im Bericht auf alle tragenden Aspekte der angefochtenen Ent-scheidung eingegangen wird. Sollte ein Verfahrensbeteiligter aus seiner Sicht wesentliche Punkte als zu Unrecht nicht angesprochen einstufen, hat er Gelegenheit, hierzu im Rahmen seines Plädoyers Stellung zu nehmen.“
Eine Problmatik, die nicht nur im Revisionsverfahren, sondern auch im Berufungsverfahren von Bedeutung sein kann (vgl. § 325 StPO).
Die Seltenheit von Revisionshauptverhandlungen vor dem BGH wundert nicht, werden doch fast ausschließlich die Revisionen der StA mündlich verhandelt, jedoch so gut wie nie die Revisionen der Angeklagten. Das BVerfG hat dazu im lesenswerten Beschluß vom 25.01.2005, 2 BvR 656/99, ausgeführt:
„Der Beschwerdeführer zu 1. rügt die ungleiche Praxis des Generalbundesanwalts, bei Revisionen der Staatsanwaltschaft stets Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins zu beantragen, bei Angeklagtenrevisionen hingegen Verwerfung durch Beschluss im schriftlichen Verfahren. Bei Revisionen der Angeklagten werde in etwa 85 bis 90 % der Fälle ein Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts nach § 349 Abs. 2 StPO gestellt, Terminsanträge dagegen nur ausnahmsweise (vgl. hierzu auch den Aufsatz des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers zu 1., Die alltägliche Revisionsrechtsprechung des BGH in Strafsachen, StraFO 1998, S. 325 , auf den er verweist). Die Konsequenz sei, dass nur ein geringer Teil von Angeklagtenrevisionen aufgrund einer Hauptverhandlung entschieden werde. Hingegen sei von der Übung, staatsanwaltschaftliche Revisionen grundsätzlich mündlich zu verhandeln, seit Gründung des Bundesgerichtshofs nur in einem Fall (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. Januar 1992 – 1 StR 669/91 -, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 1) abgewichen worden; so würden grundsätzlich auch offensichtlich unbegründete Revisionen der Staatsanwaltschaft in einer Revisionshauptverhandlung erörtert.“
Da ist was schiefgegangen… das sollte so aussehen:
Zu diesen Abweichungen gehört natürlich, dass eine Anklage nicht verlesen wird
Da wird sich ein AG-Richter fragen: wiso Abweichung? Der bringt nämlich regelmäßig die Referendare im hiesigen LG-Bezirk ins Schwitzen, wenn er auf so zeitraubende Kleinigkeiten verzichten will.