Naturgemäß haben heute die Beiträge zur Aufhebung des Haftbefehls gegen Jörg Kachelmann die zur Loveparade verdrängt. Eine kleine Auswahl hier:
- Freilassung Kachelmann, Bravo OLG Karlsruhe.
- Kachelmann frei.
- Kachelmann draußen.
- Auf dem Weg zum Freispruch.
- Und: Mein Favorit bei den Überschriften: Kachelmann kommt aus der Kiste – wird das Wetter jetzt besser? – obwohl hier ist es gar nicht schlecht…
Nachdem J.K, nun schon einige Stunden auf freiem Fuß ist, vielleicht Gelegenheit/Anlasse zu einer ersten, etwas umfassenderen Bewertung der Entscheidung als am heutigen Morgen:
- Alle Kommentatoren begrüßen die Entscheidung des OLG Karlsruhe, mit Recht. Denn – ohne die Akten zu kennen – scheint das OLG Karlsruhe (endlich) das erkannt zu haben, was in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder berichtet worden ist: Eine (inzwischen [?]) dünne Beweislage, die die Annahme eines dringenden Tatverdachts verbietet. Gewonnen ist eine Schlacht, allerdings noch nicht der Krieg, denn man weiß nie, wie ein LG auf eine solche Entscsheidung reagiert, zumal natürlich auch nicht vergessen werden darf, dass das LG die Zeugen/Zeugin in öffentlicher Hauptverhandlung vernimmt und deren Aussagen dann neu bewerten muss. 2.
- Allerdings darf man sicherlich auch die psychologische Wirkung einer solchen HB-Aufhebung nicht übersehen.
- Man fragt sich natürlich auch, was sich eigentlich so anders in der Bewertung des OLG darstellt, dass dieses zu einer HB-Aufhebung kommt. Warum hat das LG das nicht auch so gesehen? Aber die Bewertung von Zeugenaussagen bei der „Aussage-gegen-Aussage-Problematik“ ist häufig nicht nachvollziehbar. Zudem habe ich den Eindruck, dass das LG seine Haftentscheidung unbedingt halten wollte. Das hat man manchmal.
- Richtig ist es, wen man sagt – wie der Kollege Nebgen – J.K. ist auf dem Weg zum Freispruch. Aber mehr auch nicht. Denn wie gesagt (s.o.): Man weiß nie, wie ein LG auf eine solche Entscheidung reagiert.
- Zur Überschriftsfrage: Besonders ist an der Entscheidung, dass das OLG zum „dringenden Tatverdacht“ Stellung genommen hat. An sich tun OLGs das ungern :-). Man hätte m.E. auch den Weg über die Fluchtgefahr gehen können (die m.E. auch nicht vorgelegen hat). So lässt sich aus der Entscheidung der Schluss ziehen, dass das OLG ein deutliches Zeichen setzen wollte. Das ist gelungen. Congratulations.
Ob wohl kein Strafrechtler im Herzen finde ich doch die Geschichte um die Gerichtsreporterin von der Zeit und J.K.-Verteidiger viel interessanter – um es anders auszudrücken, diese Sache finde ich sehr „strange“. Etwas anderes als „embedded journalists“ während des 2. Irakkrieges fällt einem dazu nicht.
Wie ich eben der Presseschau im Deutschlandfunk entnommen habe, haben sich allein die Stuttgarter Nachrichten kritisch zu dem Beschluß des OLG geäußert. Tenor: ein verheerendes Signal an alle Opfer sexueller Gewalt. Das OLG habe die objektiven Beweise ignoriert. Schön, daß man das als Journalist aus der Ferne beurteilen kann. Daß die Anzeigeerstatterin Opfer ist, steht für die Zeitung offenbar bereits fest.
In Anlehnung an Zif. 3 Ihrer treffenden Zusammenfassung
frage ich mich als Gelegenheitsstrafrechtler, ob K. in
Mannheim überhaupt noch ein faires Verfahren erwarten kann, ob der Vorfestlegung der Kammer.
Die Sache über den dringenden Tatverdacht zu entscheiden, bringt jedenfalls in der Außenwirkung den Vorteil, dass sich in diesem Punkt die Sachlage nachträglich geändert hat, und zwar durch die Gutachten und die teilweise widersprüchlichen Aussagen der Nebenklägerin. Die Gerichte und vor allem die StA stehen durch diese Entscheidung besser da, denn im Zeitpunkt derer Entscheidungen ist nicht gesagt, dass kein dringender Tatverdacht vorlag und über die Fluchtgefahr ist auch nicht entschieden. Die Fluchtgefahr lag nach meinem Dafürhalten von Anfang an nicht vor, kann aber jedenfalls nicht nachträglich weggefallen sein. Ob das OLG nun ein deutliches Zeichen setzen wollte oder eben die Vorinstanzen und die StA „rehabilitieren“ wollte, darüber lässt sich wohl streiten … Führt aber zu nichts … In der Presseerklärung steht mal, dass das OLG ausdrücklich auf den Unterschied zwischen dringendem um hinreichendem Tatverdacht hingewiesen hat. Das spricht eher gegen einen Fingerzeig in punkto Hauptsacheentscheidung. Ich erwarte jedenfalls mit Spannung, wie die Hauptsache ausgeht.
Schade ist jedenfalls, dass das Wetter bei uns im Saarland nicht besser geworden ist :-(.
@ 1
vor dem beginn der öffentlichen hauptverhandlung teilt sich die welt in eingebettete und in uninformierte journalisten.
und in zeiten, in denen strafverfolgungsbehörden offenbar umfangreiche aktenteile an ihnen wohlgesonnene journalisten ventilierten, stellt sich mir die frage: warum sollte die verteidigung im kampf ums recht dieses nicht auch tun?!
@ 5: Eine Journalistin, die keinen Unterschied zwischen Teilnehmen und Beobachten macht, will Michael Moore spielen und das Drehbuchn (mit-) bestimmen.
An ihm wird eines immer kritisiert: Das er sich der selben Methoden bedient, wie die Leute, die er angreift.
@ 6
solange man die derzeit kursierenden gerüchte einmal beiseite lässt, kann man über frau rückert sicherlich sagen, dass sie aus einer bestimmten perspektive beobachtet. zur teilnehmerin wird sie damit jedoch noch nicht.