Der Kollege Feltus (wo ist der eigentlich?) hatte neulich in seinem Blog über den dauernden Ärger mit der nachträglichen Bestellung eines Pflichtverteidigers berichtet und darüber, dass ihm ein von uns eingestellter Beschluss des LG Itzehoe geholfen hat.
Heute flattert mir der Beschl. des LG Koblenz v. 06.07.2010 – 2 Qs 59/10 ins Haus, in dem die nachträgliche Bestellung abgelehnt worden ist. Das amtsgerichtliche Urteil war noch im Hauptverhandlungstermin rechtskräftig geworden. Dann gibt es keine Bestellung mehr. So weit, so gut, oder auch nicht (teilweise wird die Frage ja von LG anders gesehen/gelöst, als es die h.M. der OLG tut.
Aber in der Entscheidung des LG Koblenz sehe ich auch nicht so viel Ansatzpunkte für das LG, wenn es denn helfen wollte. Der Amtsrichter hat unverzüglich der Bsechwerde abgeholfen und sie dann hoffentlich auch weitergeschickt. Das war am 03.05.2010. Sie war – ich kenne die Abläufe bei der Justiz – am 06.05.2010, mit Sicherheit noch nicht bei der Beschwerdekammer angekommen, so dass man ihr nicht vorwerfen kann, dass sie nicht schnell genug gearbeitet hat.
Was tun in solchen Fällen? M.E. bleibt nur, keinen Rechtsmittelverzicht zu erklären und Berufung einzulegen, um das Verfahren offen zu halten. Ob das in allen Fällen eine glückliche Lösung ist, wage ich zu bezweifeln. Was anders fällt mir aber auch nicht ein :-(.
Och doch… da gibt es schon Möglichkeiten. Da das gar nicht so selten vorkommt, muß man sich für diesen Fall entsprechende Strategien bereitlegen.
Zunächst einmal: wenn zweifellos ein Fall des § 140 StPO vorliegt, eine Beiordnung aber unterbleibt, bietet sich eine Ablehnung des Richters an. Ferner kann man als Verteidiger während der Anklageverlesung auch in „Zivil“ im Zuschauerraum Platz nehmen oder der Verhandlung ganz fern bleiben, um einen Revisionsgrund zu haben. Zudem kann man beantragen, die Hauptverhandlung bis zur Entscheidung über die ja zulässige Beschwerde auszusetzen. Wird das abgelehnt, könnte hierin wiederum ein Befangenheitsgrund gesehen werden. Zumeist genügt schon die Ankündigung, mit dem Mandanten einen „unaufschiebbaren Antrag“ erörtern zu wollen, um das gewünschte Ergebnis herbeizuführen.
Im übrigen legt das Gericht ja üblicherweise die komplette Akte dem Beschwerdegericht vor, so daß die Akte für die HV gar nicht zur Verfügung stehen dürfte und eine Aussetzung deshalb in jedem Fall zu erfolgen hätte. Wird die Akte nicht fristgerecht dem Beschwerdegericht vorgelegt, um die terminierte HV ungeachtet der Beschwerde „durchzupeitschen“, ist das m.E. ebenfalls ein Ablehnungsgrund, zumal strengere Gemüter in diesem Unterlassen sogar eine Rechtsbeugung erblicken wollen (LG Berlin, MDR 1995, 192).
Wenn man das als Verteidiger aber alles nicht macht, trotzdem an der Verhandlung teilnimmt und dann auch noch auf Rechtsmittel verzichtet, ist man ja irgendwie selbst Schuld, wenn man keine Kohle sieht.
Hallo, natürlich kann man das alles machen, natürlich nach Rücksprache mit dem Mandanten. Warum in der Sache des LG Koblenz nichts weiter unternommen worden ist, weiß ich nicht. MfkG, D.Burhoff
P.S. Sie sollten ein Handbuch schreiben 🙂 .-) 🙂
Natürlich nur in Absprache mit dem Mandanten. Ablehnungsgesuche sowieso. Aber der Mandant ist leicht davon zu überzeugen, wenn er vor den Alternativen „Buddy haut den Lukas“ und „Kevin allein zu Haus“ steht (will sagen: Ärger machen oder ohne Verteidiger dastehen).
P.S.: Ich habe gehört, es gibt schon ein gutes „Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung“…