Der „Fall Kachelmann“ und was man daran zeigen kann/sollte: Präjudiz vermeiden, auch wenn es schwer fällt

Ich will/werde mich jetzt nicht auch noch in die Diskussion im „Fall Kachelmann“ einschalten; darüber wird hier genug hin und her diskutiert. Der Fall ist allerdings exemplarisch und gibt Gelegenheit dann doch auf das ein oder andere hinzuweisen und damit das, worauf auch schon an anderer Stelle , vgl. z.B. auch hier, hingewiesen worden ist, noch einmal verstärken/bekräftigen:

  1. Mitdiskutieren über das Für und Wider der Verteidigung des Kollegen Birkenstock kann man nur, wenn man die Akten genau kennt; so im Ergebnis zutreffend der Kollege Hoenig. Und wer kennt sie denn schon?
  2. In Haftsachen gilt häufig die Devise „Weniger ist mehr“, oder „Gut Ding will Weile haben„, was meint: Ich muss mir als Verteidiger sehr genau überlegen, ob ich in die (weitere) Haftbeschwerde gehe, und eine Beschwerdeentscheidung des LG bzw. des OLG riskiere. Denn damit schaffe ich immer ein Präjudiz. All zu gern wird – vor allem auf eine oberlandesgerichtliche – Beweiswürdigung im weiteren Verfahrensablauf zurückgegriffen, auch wenn sich ggf. die Beweislage geändert bzw. das Gewicht von Beweisen verschoben hat. Dann ist es schwer davon wegzukommen. Deshalb kann es sich – so schwer es auch ist – schon lohnen, auf leisen Sohlen daher zu kommen.
  3. Besser ist m.E. häufiger der Weg über § 116 StPO und der Versuch, eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu erreichen. Mir ist – auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Informationen (siehe dazu 1) – derzeit unerklärlich, warum der Weg vom AG nicht gegangen wird. Mal abgesehen davon, dass ich mir schon von Anfang an die Frage gestellt habe, ob eigentlich überhaupt „Fluchtgefahr“ bejaht werden kann. Aber auch das ist letztlich ein Problem/eine Frage, die man nur nach Aktenkenntnis beurteilen kann. Und die haben wir alle nicht.

Aber: Angeblich wird ja nun der Weg zum OLG Karlsruhe „beschritten“ . Von da werden wir dann demnächst, hoffentlich alsbald, Neues hören.

5 Gedanken zu „Der „Fall Kachelmann“ und was man daran zeigen kann/sollte: Präjudiz vermeiden, auch wenn es schwer fällt

  1. Pingback: Jörg Kachelmann: Anwalt reicht Haftbeschwerde ein - Wende im Fall Kachelmann? | MyVideo News

  2. Achim Flauaus

    Alle fragen sich, wo hier die Fluchtgefahr liegen soll und weshalb diese allfällige solche nicht im Rahmen eines Außervollzugsetzungsbeschlusses in den Griff zu bekommen sein soll. Etwas schöselig sage ich, daß ich für diese Einschätzung keine vertiefte Aktenkenntnis brauche, weil dies auf der Hand liegt. Die Mannheimer Strafjustiz hat entweder Schiss vor dem Vorwurf eines Prominentenbono gehabt oder Kachelmann ist für sie der „große weiße Angeklagte“ wie in Tom Wolffs „Fegefeuer der Eitelkeiten“.

  3. n.n.

    @ 2:

    die fluchtgefahr lässt sich ja noch relativ leicht begründen. ein schweizer staatsbürger mit größerem vermögen und internationalen kontakten, dem ein strafe von über 5 jahren droht.

    interessanter dürfte da schon die frage sein, ob der tatverdacht wirklich dringend ist. und da wäre es für verteidiger birkenstock schon sehr ungut, wenn das olg vor dem eröffnungbeschluss klipp und klar begründet, warum der tatverdacht DRINGEND ist. das lg würde danach wohl kaum nach § 204 stpo entscheiden, weil der tatverdacht nicht einmal HINREICHEND ist.

  4. Michael Baleanu

    Der Spiegel hat vor kurzem ein Bericht über den Bonner Oberarzt Bredel gebracht: http://tinyurl.com/3yt7c7y.

    Der letzte Satz spricht Bände. Ein Anwalt soll ihm geraten haben: „Krabbeln Sie auf allen vieren zum Richtertisch, und bitten Sie um zwei Jahre auf Bewährung.“

    Es geht doch gar nicht mehr um die Wahrheit. Ob die Aussage, der Mann hätte sie vergewaltigt, von Gutachtern als glaubwürdig eingestuft wird oder nicht, zählt offensichtlich überhaupt nicht mehr.

    Daher war die Reaktion Bredels auch verständlich: „entschloss er sich zur Flucht nach vorn. So besteht er darauf, dass sein Name genannt und sein Bild gezeigt werde. Er habe nichts zu verbergen.“

    Das scheint die einzige Möglichkeit zu sein: Die Öffentlichkeit massiv einzubeziehen. Umso berühmter, umso leichter geht dies vonstatten.

    Man muss sich aber schon fragen, ob die – im Familienrecht oft angewandte und zur Perfektion entwickelte – Methode des Missbrauchs mit dem Missbrauch, auf langer Sicht, für die wahrlich Betroffenen nicht schädlich sein wird?

    Auch im Fall K liegen erhebliche Zweifel vor: Die Frau hat gelogen, als sie zunächst behauptete, dass sie am gleichen Tag einen anonymen Brief bekommen hätte. Sie musste zugeben, dass sie seit geraumer Zeit von ihren Nebenbuhlerinnen Bescheid wusste. Eine generalstabsmäßige Vorbereitung ihrer Racheaktion kann man also nicht ausschliessen.

    Zu einem Klassiker wurde der Fall Amelie, „Unrecht im Namen des Volkes“ von Sabine Rückert. Da hat es das Gericht geschafft, einer Jungfrau zu glauben, dass sie mindestens zehnmal von zwei Männer vergewaltigt wurde und liess diese beiden Männer einsperren.

    Irgend wann einmal kippt die öffentliche Meinung: Einer Frau, die eine Vergewaltigung nicht gleich anzeigt, wird dann nicht mehr geglaubt.

    Wäre es also nicht besser, den Richtern nahezulegen, die vorhandenen Aussagen und Gutachten endlich im Sinne des alten römischen Rechtprinzips auszuwerten: „Im Zweifel für den Angeklagten“?

    Es gibt nämlich für alle Normaldenkenden das Prinzip der Plausibilitätsbetrachtung: Wenn, wie im Fall Amelie, die Frau noch Jungfrau ist, kann die Vergewaltigung nicht stattgefunden haben. Für diese Binsenweisheit brauche ich keinen Gutachter, sondern einen ganz normalen Menschenverstand.

    Auch die Ungereimtheiten im Fall K lassen den Schluss zu, dass eine Vergewaltigung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht stattgefunden hat: Seine Haft scheint also nicht gerechtfertigt, wenn man das Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ und das Prinzip der Ermittlungspflicht eines Strafrichters ernst nimmt.

    Alles andere würde auf eine notorische Misandrie hindeuten.

  5. Pingback: Führerschein in der Tschechei? | mpu

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert