Archiv für den Monat: Mai 2009

Richtervorbehalt bei der Blutprobe: Ruf nach dem Gesetzgeber?

Man ist ja schon erstaunt, wohin es mit dem Richtervorbehalt bei der Blutprobe (§ 81a Abs. 2 StPO) geht bzw. gehen soll. Nachdem wir nun die damit zusammenhängenden Fragen seit gut zwei Jahren diskutieren, eine klare Linie in der Rechtsprechung letztlich nicht zu erkennen ist – Beweiserhebungsverbot ja, Beweisverwertungsverbot nein, nachdem das BVerfG wohl über seine erste Entscheidung vom 12.02.2007 und den darauf zurückführenden Sturm in der Rechtsprechung wohl erschrocken ist und im Sommer des vergangenen Jahres zurückgerudert ist – kommt jetzt das, was kommen muss: Der Ruf nach dem Gesetzgeber.

Das ist ja so einfach (vgl. z.B. die Postings im Blog bei www.jurabilis.de; aber auch Krumm in der ZRP 2009, 71). Ist das wirklich der Weisheit letzter Schluß?. Wir beachten (alle) einen Richtervorbehalt jahrelang nicht, dann wird seine Beachtung durch das BVerfG angemahnt und dann rufen wir nach dem Gesetzgeber, der eine jahrelange rechtswidrige Praxis dadurch sanktionieren soll, dass er den Richtervorbehalt bei der Blutprobe abschafft. Das ist also der Stein des Weisen?. Aber: Wir öffnen damit Tür und Tor. Das ist nämlich der Weg/der Einstieg in eine „StPO-light“, die in bestimmten Verfahren dann zur Anwendung kommen soll. Und wenn sie dann immer noch „zu heavy“ ist, dann ändern wir eben das Gesetz noch einmal.

„Amüsant“ in dem Zusammenhang auch der Hinweis (?) eines Amtsrichters auf www.jurabilis.de:

Die Beachtung des Richtervorbehalts führt zu erheblichen Verfahrensverzögerungen.

Das ist die unverhohlene Drohung mit längerer Verfahrensdauer……Und das ist derzeit in vielen Bereichen ein Totschlagargument.

Für Fehler des Gerichts muss der Angeklagte büßen?

Man ist je doch erstaunt, was es so alles gibt:
Der Angeklagte hat einen Pflichtverteidiger, der zunächst Wahlverteidiger war. Die Beiordnung erfolgt (erst) in der Beschwerdeinstanz. Am 1. HV-Tag, einem Freitag, stellt sich heraus, dass der Vorsitende den falschen Polizeibeamten als Zeugen geladen hat, so dass ein zweiter HV-Tag notwendig ist. Der Vorsitzende stellt ausdrücklich fest, dass das Gericht schon so weit austerminiert sei, dass nur noch der Freitag in drei Wochen – also der letzte Tag innerhalb der Frist des § 229 I StPO – für die Weiterverhandlung zur Verfügung steht. Angeklagte und Verteidiger nehmen an; Ladung Statt Kenntnis vom Termin.
Etwa 10 Tage vor dem 2. HV-Tag verlegt der Vorsitzende den 2. HV-Termin um einen Tag nach vorne. Der Pflichtverteidiger weist darauf hin, dass er da bereits als Pflichtverteidiger in einem anderen Verfahren zu einem Fortsetzungstermin geladen sei. Der Vorsitzende gibt als Begründung für die Verschiebung an, dass er am ursprünglichen vorgesehen Tag schon länger seine Teilnahme an einer Richter-Tagung angemeldet habe und ihm dies damals entfallen gewesen sei; er bestellt nunmehr einen zweiten PV für die Hauptverhandlung. Tatvorwurf ist § 224 StGB mit 5 Angeklagtenund extrem widersprüchlichen Zeugenaussagen am 1. HV-Tag.

Da ist man doch sehr erstaunt: Kann es denn richtig sein, dass der Vorsitzende seinen Fehler = Übersehen des Termins jetzt einfach auf Kosten des Angeklagten (um den geht es!!!!!!!!!) ausbügelt und ihm seinen Anwalt des Vertrauens entzieht? M.E. NICHT.

Vorratsdatenspeicherung

Die Entscheidung des BVerfG in der Hauptsache zur Vorratsdatenspeicherung wird noch auf sich warten lassen. Das BVerfG hatte im März 2008 im vorläufigen Verfahren beschlossen, dass die Telekommunikationsfirmen Verbindungs- und Standortdaten der Nutzer verdachtsunabhängig sechs Monate vorhalten müssen, Sicherheitsbehörden darauf aber nur zur Verfolgung schwerer Straftaten zugreifen dürfen. Im Oktober 2008 hat es dann die Befugnisse zum Datenabruf zur präventiven Gefahrenabwehr für Strafverfolger und Geheimdienste beschränkt. Jetzt hat das BVerfG mit Beschluss vom 22.04.2009 seine Auflagen zum eingeschränkten Zugriff auf Vorratsdaten per einstweiliger Anordnung um weitere sechs Monate – längstens bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde – verlängert. Das bedeutet: Man ist noch nicht so weit.