Auflagen, die gegen einen Verdächtigen als Alternative zur Untersuchungshaft verhängt wurden, können zukünftig EU-weit überwacht werden. Darauf haben sich heute in Brüssel die Justizministerinnen und -minister der EU verständigt. Damit soll Untersuchungshaft weitergehend als bisher vermieden werden können.
Die heutige Einigung knüpft an einen bereits im Dezember 2007 politisch geeinigten Rahmenbeschluss an, mit dem die Möglichkeit der Überwachung von Bewährungsauflagen und alternativen Sanktionen gegenüber Straftätern nach einer Verurteilung innerhalb der EU geschaffen wurde. Der heutige Rahmenbeschluss regelt nun, dass solche Auflagen, die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zur U-Haft-Vermeidung gegen einen Beschuldigten verhängt wurden, grenzüberschreitend überwacht werden.
„In einem Europa offener Grenzen, in dem sich seine Bürgerinnen und Bürger frei bewegen, wollen wir Ungleichbehandlungen vermeiden, die sich allein aufgrund des ausländischen Wohnsitzes einer verdächtigen Person ergeben. Denn bislang ist es in einigen Mitgliedstaaten möglich, Verdächtige mit ausländischem Wohnsitz in U-Haft zu nehmen, weil durch die Möglichkeit der Rückkehr an den Wohnsitz, Fluchtgefahr bejaht wird. Eine Aussetzung der Haft gegen Auflagen findet regelmäßig nicht statt, weil die Auflagen im Ausland nicht überwacht werden müssen. Künftig wollen wir vermeiden, dass Verdächtige mit einem Wohnsitz in einem anderen EU-Land nur deshalb in Haft genommen werden, weil keine Verpflichtung zur Überwachung der Auflagen im europäischen Ausland besteht“, sagte Bundesjustizministerin Zypries.
Anders als in Deutschland besteht in einigen Mitgliedstaaten der EU die Möglichkeit, einen Beschuldigten in Untersuchungshaft zu nehmen, wenn die Gefahr besteht, dass er in sein Heimatland zurückkehren könnte. Wird zum Beispiel ein deutscher Staatsangehöriger in Frankreich eines Raubes verdächtigt und besteht die Gefahr, dass er an seinen Wohnort nach Deutschland zurückkehrt, so könnte diese Person in Frankreich wegen Fluchtgefahr in Haft genommen werden. Der zuständige Richter wird in diesem Fall die Haftentscheidung regelmäßig auch nicht gegen Auflagen (z. B. Meldeauflage) aussetzen, da die in Frankreich verhängten Auflagen in der Bundesrepublik Deutschland bislang nicht überwacht werden müssen. Der neue Rahmenbeschluss schafft nunmehr eine rechtliche Verpflichtung zur Überwachung derartiger Auflagen. Damit wird in Zukunft auch in solchen Fällen die Möglichkeit einer Haftaussetzung gegen Auferlegung von Auflagen erleichtert und eine eventuelle Ungleichbehandlung von Verdächtigen mit ausländischem Wohnsitz im Vergleich zu Verdächtigen mit inländischem Wohnsitz vermieden.
In Deutschland kann der Vollzug eines Haftbefehls regelmäßig dann ausgesetzt werden, wenn weniger einschneidende Maßnahmen möglich sind und der Zweck der Untersuchungshaft – die geordnete Durchführung des Strafverfahrens – auch durch alternative Maßnahmen erreicht werden kann. Beispielsweise kann der Fluchtgefahr in geeigneten Fällen dadurch begegnet werden, dass dem Betroffenen auferlegt wird, sich regelmäßig zu bestimmten Zeiten bei einer Polizeidienststelle zu melden. Allein die drohende Gefahr, dass ein Verdächtiger mit ausländischem Wohnsitz in sein Heimatland zurückkehrt, reicht in Deutschland bereits nach geltendem Recht nicht aus, um ihn in Haft zu nehmen. Denn die Rückkehr zum Wohnsitz bedeutet nicht zwingend, dass die betreffende Person sich dem Strafverfahren entziehen wird.
Die Überwachung der Auflagen im EU-Ausland wird künftig durch den Staat, der die Auflagen erlassen hat, mittels eines Formblattes bei dem Staat, der die Auflagen überwachen soll (Aufenthaltsstaat des Verdächtigen), beantragt. Die Überwachung erfolgt dann durch den Aufenthaltsstaat wie bei inländisch erlassenen Auflagen.
Quelle: PM des BMJ