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Zweimal Hauptverhandlungstermin an einem Tag, oder: Entstehen zwei Terminsgebühren?

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Und dann die zweite Entscheidung, die sehr gut zum Gebührenrätsel vom letzten Freitag – el: Ich habe da mal eine Frage: Zweimal Terminsgebühr an einem Tag? passt (hier die Lösung: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Zweimal Terminsgebühr an einem Tag?).

Es handelt sich um den LG Freiburg, Beschl. v. 25.05.2023 – 9 Qs 5/23 -, den mir der Kollege H. Meier aus Freiburg geschickt hat.

Der Kollege war Pflichtverteidiger in einem BtM-Verfahren. In dem ist der Angeklagte zwar zur Hauptverhandlung geladen worden, jedoch ohne Einhaltung der vorgeschriebenen Ladungsfrist. Der Angeklagte war (daher?) zunächst nicht erschienen, woraufhin die Hauptverhandlung ausgesetzt wurde. Der Kollege, der erschienen war, hat sich wieder in seine  Kanzlei begeben.

Sodann wurde er kurze Zeit später – nachdem der Angeklagte doch noch erschienen war – telefonisch kontaktiert und gebeten zurückzukommen. Dieser Bitte ist er nachgekommen, sodass das Verfahren wieder aufgenommen und erneut „hauptverhandelt“ wurde. Schließlich kam es allerdings zu einer weiteren Aussetzung des Verfahrens, da der Angeklagte seinerseits nicht auf die Einhaltung der Ladungsfristen verzichtete und mit einer Fortführung der Verhandlung nicht einverstanden war. Angesichts dessen fand ein weiterer (letztlich dritter) Hauptverhandlungstermin am 05.07.2022 statt.

Der Kollege hat für den Hauptverhandlungstag zweimal die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG geltend gemacht. Das AG hat nur eine Terminsgebühr gewährt, das LG ist dann auf die Beschwerde dem Ansatz des Kollegen gefolgt:

„Auch in der Sache hat die Beschwerde Erfolg.

Der Verteidiger hat die Gebühr Nr. 4108 VV RVG (zzgl. 19 % USt) für das Prozessgeschehen am 15.03.2022 zu Recht zwei Mal beantragt. Da diese nur einmal festgesetzt worden ist, waren ihm weitere 242,00 EUR Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 19 % nach Nr. 7008 VV RVG iHv 45,98 EUR, mithin insgesamt ein weiterer Betrag von 287,98 EUR zu erstatten.

Zwar ist in Nr. 4108 VV RVG geregelt, dass die Terminsgebühr je „Hauptverhandlungstag“ anfällt, weshalb mehrere Hauptverhandlungstermine in derselben Sache an einem Tag grundsätzlich nur zu einer Terminsgebühr führen (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, Rn. 3).

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn eine Hauptverhandlung nach § 228 StPO ausgesetzt wird und noch am selben Tag ein neuer Hauptverhandlungstermin stattfindet, weil der zum Pflichtverteidiger beigeordnete Rechtsanwalt auf die Einhaltung der Ladungsfristen verzichtet hat (vgl. AG Cottbus Beschl. v. 04.10.2016 – 72 Ls 1610 Js 19300/12 – juris).

Zu Recht führt das Amtsgericht Cottbus insoweit aus, dass in dieser Konstellation letztlich zwei eigenständige Termine stattfinden, die nur zufällig auf denselben Wochentag gefallen sind. Hätte der neue Hauptverhandlungstermin an einem anderen Tag stattfinden müssen, wäre unzweifelhaft eine weitere Gebühr nach Nr. 4108 VV RVG entstanden. Dem Verteidiger, der zur Beschleunigung des Verfahrens und zur Vermeidung weiterer Kosten (wie bspw. Fahrtkosten oder Ausfallgeldern) auf die Einhaltung der Ladefristen verzichtet und die Durchführung einer erneuten Haupt-verhandlung noch am selben Tag ermöglicht, hingegen nur eine Terminsgebühr zu erstatten, er-scheint unbillig und gebietet es, ausnahmsweise von der Regelung in Nr. 4108 VV RVG (eine Terminsgebühr je Verhandlungstag) abzuweichen.

Nach den im Beschwerdeverfahren eingeholten Stellungnahmen, hat sich das Prozessgeschehen am 15.03.2022 wie folgt dargestellt:

Der Angeklagte, der zwar geladen wurde, jedoch ohne Einhaltung der vorgeschriebenen Ladungsfrist, war zunächst nicht erschienen, woraufhin die Hauptverhandlung nicht nur unterbrochen, sondern ausgesetzt wurde. Die Verhandlung war beendet, der Verteidiger ging zurück in seine Kanzlei. Sodann wurde er kurze Zeit später – nachdem der Angeklagte doch noch erschienen war – telefonisch kontaktiert und gebeten zurückzukommen, mithin erneut geladen. Dieser Bitte entsprach er, sodass das Verfahren wieder aufgenommen wurde. Schließlich kam es allerdings zu einer weiteren Aussetzung des Verfahrens, da der Angeklagte seinerseits nicht auf die Einhaltung der Ladungsfristen verzichtete und mit einer Fortführung der Verhandlung nicht einverstanden war. Angesichts dessen fand ein weiterer (letztlich dritter) Hauptverhandlungstermin am 05.07.2022 statt.

Dieser Ablauf entspricht in dem entscheidenden Umstand, nämlich dem erneuten Erscheinen des Verteidigers bei Gericht, nachdem die Hauptverhandlung zuvor ausgesetzt worden war, der Konstellation in der dargelegten Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus, mit der dem Verteidiger zu Recht eine weitere Terminsgebühr zzgl. Umsatzsteuer zuerkannt wurde. Dass das erneute Erscheinen des Verteidigers am 15.03.2022 vorliegend letztlich nicht dazu führte, dass die Haupt-verhandlung an diesem Tag auch beendet werden konnte, sondern erneut ausgesetzt werden musste, ändert an den tragenden Erwägungen nichts_ Der Verteidiger hatte die weitere Aussetzung nicht zu vertreten. Er ist erneut verhandlungsbereit bei Gericht erschienen und das Verfahren wurde wieder aufgenommen. Die zweite Terminsgebühr war damit entstanden.“

Ganz kurze 🙂 Anmerkung: Richtig.

Terminsgebühr nach zu später Absage des Termins, oder: Rechtsanwalt muss nicht im Saal „erscheinen“

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Und dann heute der letzte Arbeitstag in 2022. Auch hier ist heute der Tag, an dem ich in 2022 zum letzten Mal Entscheidungen vorstelle. Und da es Freitga ist, gibt es – traditionsgemäß – Gebührenentscheidungen. Zum Glück hatte ich noch zwei Entscheidungen in meinem Blogordner, die (weitgehend) zutreffend entschieden haben.

Ich beginne mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.08.2022 – 1 Ws 22/22 (S) , der leider erst jetzt veröffentlicht worden ist. Er behandelt die Frage nach der Terminsgebühr nach Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG in den Fällen des sog. „geplatzten Termins“.

Die Rechtsanwältin war Pflichtverteidigerin des Angeklagten. In dem Verfahren, in dem sie für den Angeklagten tätig geworden ist, hat die Hauptverhandlung vor der Strafkammer des LG Neuruppin als große Jugendkammer vom 05.05. 2021 bis zum 26.08.2021 stattgefunden. Es war für den 25.05.2021 ein Fortsetzungstermin bestimmt. Dieser Termin ist wegen plötzlicher Erkrankung eines Schöffen kurzfristig aufgehoben worden. Die Abladung erreichte die Pflichtverteidigerin telefonisch am Morgen jenes Sitzungstages in einem Hotel in Neuruppin, nachdem die in D. ansässige Rechtsanwältin anlässlich des Termins bereits am Vorabend angereist war.

Im Rahmen der Vergütungsfestsetzung hat die Pflichtverteidigerin u.a. die Festsetzung einer Terminsgebühr Nr. 4120, 4121 VV RVG für den am 25.05.2021 anberaumten, dann aber „geplatzten“ Termin beantragt. Diese Gebühr ist dann nicht festgesetzt worden. Die dagegen eingelegte Erinnerung der Pflichtverteidigerin hatte keinen Erfolg. Das OLG hat auf die Beschwerde hin dann aber die Terminsgebühr festgesetzt:

„1. Die geltend gemachte Terminsgebühr Nr. 4120, 4121 VV RVG in Höhe von 517,00 € nebst 19 % MwSt. Nr. 7008 VV RVG, mithin in Höhe von brutto 615,23 € für den am 25. Mai 2021 zu 10:00 Uhr anberaumten und erst am frühen Morgen des gleichen Tages abgesagten Hauptverhandlungstermin ist vorliegend erstattungsfähig.

Gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 2 u. 3 zu VV-RVG erhält ein Rechtsanwalt eine Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die gerichtliche Terminsgebühr setzt also grundsätzlich die Tätigkeit eines Rechtsanwalts u.a. in einer Hauptverhandlung nach Aufruf der Sache voraus und erfordert die Anwesenheit in seiner Eigenschaft als verfahrensbeteiligter Rechtsanwalt (vgl. Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 49. Auflage, VV 4106, 4107 Rn. 7). Von dieser Regelung abweichend erhält ein Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet (Vorb. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG). Dies gilt nicht, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder der Verlegung des Termins Kenntnis erlangt hat (Vorb. 4 Abs. 3 S. 3 VV RVG).

Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang vorgenommene enge Auslegung dahingehend, dass ein Rechtsanwalt nur dann zu einem anberaumten Termin erschienen ist, wenn er im Gerichtsgebäude körperlich anwesend ist, greift nach Ansicht des Senats zu kurz (a.A. OLG München, Beschluss vom 23. April 2007 – 1 Ws 986/07 -; Beschluss vom 23. April 2018 – 6 St K 12/18 -; Beschluss vom 04. August 2014 – 6 St K 22/14 -; Beschluss vom 15. September 2014 – 6 St K 24/14 -; OLG Naumburg, Beschluss vom 12. August 2020 – 1 Ws (s) 154/20 -).

In der Gesetzesbegründung heißt es:

„Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Verteidiger, der zur Hauptverhandlung erscheint, hierfür keine Gebühr erhalten soll. Er erbringt unter Umständen einen nicht unerheblichen Zeitaufwand schon zur Vorbereitung des Termins. Soweit dieser wegen des Nichtstattfindens der Hauptverhandlung gering ist, lässt sich dies ohne weiteres bei der Bemessung der Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens berücksichtigen.“ (BTDrs. 15/1971, S. 221)

Der Senat folgt den Überlegungen des Landgerichts Magdeburg, wonach Sinn und Zweck der Eingrenzung auf den Rechtsanwalt, der „zu einem anberaumten Termin erscheint“, ist, dass derjenige Rechtsanwalt von der Terminsgebühr ausgeschlossen sein soll, der ungeachtet der Terminsaufhebung zu dem Hauptverhandlungstermin ohnehin nicht erschienen wäre (LG Magdeburg, Beschluss vom 15. April 2020 – 21 Ks 5/19 –, Rn. 22, juris).

In systematischer Hinsicht ist zudem der Zusammenhang der Sätze 2 und 3 der Vorbemerkung 4 Abs. 3 VV-RVG zu berücksichtigen. Der erschienene Rechtsanwalt soll die Terminsgebühr – abgesehen von dem Fall seines Vertretenmüssens hinsichtlich der Terminsaufhebung – nur dann nicht erhalten, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder Verlegung des Termins in Kenntnis gesetzt worden ist.

Es ist zwar weder legaldefiniert noch obergerichtlich geklärt, wann eine Inkenntnissetzung von dem Nichtstattfinden eines Termins rechtzeitig ist, um den Anspruch auf die Terminsgebühr entfallen zu lassen. Es ist insoweit jedoch auch zur Überzeugung des Senats ein Maßstab anzulegen, der dem Rechtsanwalt bei der gebotenen Flexibilität seiner Arbeitsorganisation noch eine anderweitige Nutzung zumindest eines Großteils seiner für den Termin vorgesehenen Arbeitszeit ermöglicht. Das ist sicherlich der Fall, wenn – wie in dem Fall des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 04. August 2014 (Az. 6 St (K) 22/14) – die Terminsaufhebung dem Rechtsanwalt am Vortag des geplanten Termins zur Kenntnis gelangt.

Wenn dem Begriff der Rechtzeitigkeit überhaupt eine Bedeutung beigemessen werden soll, kann der bereits auf dem Wege zum Gericht befindliche Rechtsanwalt in der Regel nicht mehr als rechtzeitig informiert gelten. Jedenfalls im vorliegenden Fall, bei dem augenscheinlich nicht mehr von einer Rechtzeitigkeit der Inkenntnissetzung von der Terminsaufhebung auszugehen ist, da sich die Verteidigerin nach ihrer knapp 550 km langen Anreise am Vortag bereits in unmittelbarer Nähe und praktisch auf direktem Wege zum Gericht befand, ist die Rechtsanwältin als erschienen anzusehen.

Es wäre eine Wertungswiderspruch, würde man ihr die Terminsgebühr im Gegensatz zu einem Anwaltskollegen, der bei gleichzeitiger Inkenntnissetzung von der Terminsaufhebung das Gericht bereits erreicht hatte, verwehren, nur weil sie die letzten Schritte zum Gericht nicht mehr gegangen ist.“

Dazu ist anzumerken: Der erste Kommentar nach dem Lesen der Ausführungen des OLG zum Anfall der Terminsgebühr nach Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG ist sicherlich bei vielen Leser: Endlich. Ja, richtig. Endlich schlägt ein OLG ein Loch in die Mauer, die in der Rechtsprechung der anderen OLG um die Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG gebaut worden ist. Denn bislang haben die OLG in Fällen wie diesen oder in vergleichbaren Konstellationen durch ein Festkleben an der Formulierung „erscheint“ in der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG ein Mauer errichtet, die schier unüberwindbar erschien. Das hat dazu geführt, dass der Anwendungsbereich der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG quasi gegen Null tendiert(e), bislang ist auch nur die vom OLG Brandenburg angeführte Entscheidung des LG Magdeburg bekannt geworden, die das unter Hinweis auf den Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung zutreffend anders gesehen hat; das OLG Naumburg hatte die Entscheidung dann übrigens aufgehoben – beide waren hier Gegenstand der Berichterstattung. Dem LG Magdeburg schließt sich das OLG nun nter Betonung des Sinns der Regelung an. Das ist zutreffend. Warum und wieso, liegt m.E. auf der Hand. Ich erspare mir die Gründe, auf die ich in den Anmerkungen zu den Entscheidungen schon hingewiesen habe, hier noch einmal zu wiederholen (vgl. dazu auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Vorbem. 4 VV Rn 95 ff.). Es ist zu hoffen, dass sich diese – richtige – Sicht nun endlich durchsetzt und die anderen OLG ihre abweichende Rechtsprechung.

Für die Anwendung der Entscheidung bei der Frage, ob ggf. die Terminsgebühr nach Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG entstanden ist, gilt: Der Verteidiger muss nicht im Gerichtssaal erschienen sein. Ausreichend ist, dass er sich bereits auf dem Weg zum Gericht befindet oder sogar schon am Gerichtsort – wie hier – eingetroffen ist und ihn dann erst die Inkenntnissetzung von der Terminsaufhebung erreicht. Das ist nicht mehr rechtzeitig und führt zum Entstehen der jeweiligen Terminsgebühr. Von daher erschließt sich der Hinweis des OLG auf den OLG München, Beschl. v. 04.08.2014 (6 St (K) 22/14, AGS 2025, 70 = RVGreport 2015, 67 = StRR 2014, 451) nicht. Denn in dem dieser Beschluss zugrunde liegenden Verfahren – es war das NSU-Verfahren – war der Verteidiger zu mehreren nacheinander terminierten Hauptverhandlungsterminen von Köln aus angereist und hatte dann erst in München erfahren, dass einer von den Terminen kurzfristig abgesetzt worden war. Das war auf der Grundlage der (neuen) Rechtsprechung des OLG Brandenburg an sich nicht mehr „rechtzeitig“ und hätte zum Anfall der Gebühr führen müssen. Das sieht das OLG Bandenburg aber offenbar (doch) anders, wofür es allerdings eine nachvollziehbare Begründung nicht gibt. Das ist aber nur ein kleiner Schönheitsfehler an der ansonsten insoweit zutreffenden Entscheidung.

Ja, nur „insoweit zutreffend“. Denn das OLG hat noch eine andere Frage entschieden. Die aber leider falsch. Darauf komme ich dann in 2023 zurück.

Welche Gebühren bei der selbständigen Einziehung?, oder: Ggf. alles noch einmal…..

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Heute ist der letzte Arbeitstag vor Weihnachten und ich stelle hier – es ist Freitag – noch einmal Gebührenentscheidungen vor.

Ich hatte im vergangenen Jahr über den AG Bremen, Beschl. v. 04.03.2021 – 87 Ds 310 Js 53638/14 (29/18) – berichtet. Der hat zu den Gebühren im selbständigen Einziehungsverfahren (§§ 421 ff. StPO) Stellung genommen. Nun bin ich durch Zufall auf die dazu ergangenene Rechtsmittelentscheidung gestoßen, deren Volltext ich mir dann über das LG Bremen besorgt habe. Den LG Bremen, Beschl. v. 17.02.2022 – 5 Qs 321/21 u. 5 Qs 488/21 will ich dann heute als erste Entscheidung vorstellen.

Nochmals kurz der Sachverhalt: Der Rechtsanwalt war für die Betroffene sowohl im Strafverfahren als auch in einem sich anschließenden selbstständigen Einziehungsverfahren tätig. Er hat für dieses nach dessen Einstellung gegenüber der Staatskasse, der die Kosten des Verfahrens auferlegt worden waren, neben der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG u.a. auch die allgemeinen Verfahrensgebühren und eine Terminsgebühr geltend gemacht. Diese sind vom AG Bremen im Beschl. v. 04.03.2022 festgesetzt worden. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel der Staatskasse hatte keinen Erfolg:

„Die zulässigen sofortigen Beschwerden mit einem Beschwerdewert von 268,94 Euro (5 Qs 321/21) und 686,15 Euro (5 Qs 488/21) sind aus den bereits in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Amtsgerichts Bremen genannten Gründen als unbegründet zurückzuweisen.

Die erkennende Kammer teilt vollumfänglich die Auffassung, dass es sich bei dem eingestellten Ermittlungsverfahren und dem selbstständigen Einziehungsverfahren nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG handelt. Gebührenrechtlich hat eine eigenständige Abgeltung zu erfolgen bei der – neben der zusätzlichen Verfahrensgebühr für Einziehungen nach Nr. 4142 VV RVG – auch Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren für den Einziehungsbeteiligten entstehen können (vgl. auch Burhoff, AGS 2021, 400-401).

Aus Sicht der Kammer kann die zur gleichgelagerten Problematik in Bußgeldsachen (Nr. 5116 VV RVG) ergangenen Rechtsprechung auf den Bereich der Strafsachen übertragen werden (vgl. zu Nr. 5116 VV RVG: LG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 07. Dezember 2012 – 5 Qs 384/12 –, juris; LG Karlsruhe, Beschluss vom 26. Februar 2013 – 3 Qs 6/13 Ko –, juris; LG Trier, Beschluss vom 08. August 2016 – 1 Qs 32/16 –, juris; LG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 29. Oktober 2019 – 16 Qs 30/19 –, juris, LG Stuttgart, Beschluss vom 17. Februar 2020 – 20 Qs 15/19 –, juris und LG Hamburg, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 612 Qs 100/20 OWi –, juris; a.A. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. April 2012 – 1 AR 70/11 –, juris und LG Kassel, Beschluss vom 15. Mai 2019 – 8 Qs 4/19 –, juris).

Wie die §§ 421 ff. StPO und insbesondere § 427 StPO deutlich machen, geht das Gesetzgeber davon aus, dass ein Einziehungsbeteiligter zur Wahrung seiner Rechte nicht nur vollumfänglich am Verfahren zu beteiligen ist, sondern ihm grundsätzlich auch die gleichen Befugnisse einzuräumen sind, die einem Angeklagten zustehen. Gerade die ggf. unterschiedliche Interessenlage zwischen Beschuldigten und Einziehungsbeteiligten kann es im Einzelfall erforderlich machen, dass der Einziehungsbeteiligte sich intensiv(er) und umfangreich(er) – z.B. über Beweisanträge – am Verfahren beteiligen muss. Eine Vergütung lediglich anhand der als Wertgebühr ausgestalteten Einziehungsgebühr würde der gesetzlichen Stellung und Interessenlage der Einziehungsbeteiligten demnach nicht gerecht werden und führt in aller Konsequenz in eine Situation, in der Verteidiger von Einziehungsbeteiligten nur dann mit einer angemessenen Vergütung rechnen können, wenn der Wert des Einziehungsgegenstandes ausreichend hoch ist, um ggf. auch umfangreiche und schwierige anwaltliche Tätigkeiten abzudecken.“

Ist zutreffend. Und an diejenigen, die Ausführungen zur Grundgebühr vermissen. Dazu hatte das AG bereits Stellung genommen. Die Frage hat im Rechtsmittelverfahren keine Rolle mehr gespielt.

Gebühren für den Vertreter im Haftprüfungstermin, oder: Alle drei = Grund-, Verfahrens-, Terminsgebühr

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Im „Gebühren-Shaker“ befinden sich heute zwei AG-Entscheidungen zu Fragen, die umstritten bzw. bisher noch nicht entschieden sind/waren.

Zunächst stelle ich den AG Tiergarten, Beschl. v. 14.10.2022 – (278 Ds) 265 Js 277/22 (110/22) – vor, der sich (noch einmal) mit der Frage befasst, welche Gebühen für den nur für die Wahrnehmung eines Haftprüfungstermins bestellten Pflichtverteidiger entstehen. Nur die Terminsgebühr, oder auch Grundgebühr und Verfahrensgebühr? Den Beschluss hat mir der Kollege A. Funck aus Berlin geschickt.

Der Kollege ist vom AG gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO für einen Haftprüfungstermin als Vertreter des verhinderten Pflichtverteidigers zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Zugleich hat das AG angeordnet an, dass die Beiordnung mit dem Termin ende. Eine Anordnung, wonach Gebühren und Auslagen nicht doppelt entstehen, erfolgte nicht, auch hat der Kollege keine entsprechende Verzichtserklärung abgegeben.

Festgesetzt hat der Rechtspfleger dann nur die Terminsgebühr. Dagegen dann die Erinnerung des Kollegen, die Erfolg hatte:

„Die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung vom 12.08.2022 ist zulässig und begründet.

Zwar teilt das Gericht die Auffassung, dass ein bloßer sogenannter „Terminsvertreter“ im Rahmen eines Hauptverhandlungstermins für den Fall, dass der eigentliche originäre Verteidiger verhindert ist, in der Regel lediglich die Terminsgebühr i.S.d. Nummern 4114, 4115 VV RVG geltend machen kann, nicht aber eine Grundgebühr sowie eine Verfahrensgebühr sowie eine Postpauschale nebst Umsatzsteuer. In der Praxis wird dies in aller Regel abgesichert durch eine entsprechende Verzichtserklärung des Terminsvertreters und eine entsprechende Einschränkung in dem ergehenden Beiordnungsbeschluss.

Vorliegend geht es jedoch um die Wahrnehmung eines Haftprüfungstermins. Anders als bei einer meist auf einen Terminstag einer mehrtätigen Hauptverhandlung oder auch nur eine kurze Zeitspanne eines mehrstündigen Hauptverhandlungstermins beschränkten Vertretung des originären Verteidigers, bei welcher der Terminsvertreter in aller Regel lediglich mit einem sehr begrenzten Prozessstoff konfrontiert wird, ohne dass es einer gründlichen um umfassenden Einarbeitung in die Sache bedarf, zumal essentielle Dinge in solchen lediglich mit einem Terminsvertreter besetzten Hauptverhandlungsterminen in der Praxis —in ausdrücklicher oder stillschweigender Übereinkunft mit den übrigen Verfahrensbeteiligten- in der Regel nicht erörtert werden, muss der für einen Haftprüfungstermin beigeordnete Verteidiger den gesamten Akteninhalt beherrschen, um Stellung nehmen zu können sowohl zum Bestehen eines dringenden Tatverdachtes gegen den Mandanten als auch zum Vorliegen eines Haftgrundes (vgl. zutreffend LG Magdeburg, Entscheidung vom 19.03.2018, Az. 25 Qs 14/18, zit. nach juris).

Eine solche gründliche Einarbeitung in den Fall ist durch die Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG ersichtlich nicht abgegolten. Vielmehr ist für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall die Grundgebühr – hier mit Zuschlag gemäß Nr. 4101 VV RVG – und für die über die bloße Terminsteilnahme hinausgehende Tätigkeit im, (Ermittlungs-)Verfahren – u.a. vorliegend die umfassende Akteneinsichtnahme- die Verfahrensgebühr —hier mit Zuschlag gemäß Nr. 4105 VV RVG- vorgesehen.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Beiordnung vorliegend auf entsprechenden Antrag des Rechtsanwalts pp2. ausdrücklich lediglich für den Haftprüfungstermin und zeitlich auf diesen beschränkt erfolgte.

Jedoch ist auch ein Pflichtverteidiger, der nur für einen Tag bzw. einen Termin bestellt ist, für diesen begrenzten Zeitraum umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut, sodass es auch angesichts der zeitlichen Begrenzung der Beiordnung eine gebührenrechtliche Einstufung der Tätigkeit als bloße Einzeltätigkeit – hier nach Nr. 4103 VV RVG – nicht in Betracht kommt (vgl. LG Magdeburg, Beschluss vom 16,07.2021, Az. 21 Qs 53/21, 21 Qs 54/21, zit. nach juris).

Dies mag Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen (vgl. dazu wiederum LG Magdeburg, Entscheidung vom 19.03.2018, Az. 25 Qs 14/18), denen jedoch nach Auffassung des Gerichts durch Terminsabsprachen mit dem originär bestellten Verteidiger und im Falle dessen dann doch kurzfristig eintretender Verhinderung ggf. nach Möglichkeit mit einer Terminsverlegung begegnet werden kann, soweit nicht eine Beiordnung des Vertreters für den Termin nur mit der Maßgabe, dass Gebühren nicht mehrfach entstehen, möglich sein sollte, etwa weil der Vertreter des originär bestellten Verteidigers nicht zu einer entsprechenden Verzichtserklärung bereit ist, und soweit nicht der Beschuldigte auf die Teilnahme eines Verteidigers an dem Haftprüfungstermin verzichtet, was er durchaus tun kann, denn die Anwesenheit des Verteidigers ist nur erforderlich, wenn der Beschuldigte nicht vorgeführt worden ist (vgl. dazu § 118a Abs.2 S. 3 StPO und Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 118b Rn. 3).

Soweit jedoch ein Haftprüfungstermin mit dem originär bestellten Verteidiger nicht möglich sein sollte und für den Haftprüfungstermin ein anderer Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet wird, ist die Auslösung aller Gebührentatbestände wie für den originären Verteidiger hinzunehmen (vgl. LG Magdeburg, Entscheidung vom 19.03.2018, Az. 25 Qs 14/18)

Somit ist die Erinnerung des Verteidigers Rechtsanwalt pp2. im vollen Umfange begründet, weshalb zu seinen Gunsten weitere 491,47 Euro aus der Landeskasse festzusetzen waren.“

Termin beim Amtsgericht im Auslieferungsverfahren, oder: Keine Terminsgebühr

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.05.2022 – 1 AR 52/21 A. Ergangen nach einem Auslieferungsverfahren. Der Beschluss enthält nichts Neues, sondern bestätigt nur noch einmal die (falsche) h.M. in der Rechtsprechung, dass im Auslieferungsverfahren ein Termin vor dem Richter beim Amtsgericht – sei es zur Entscheidung über eine Festhalteanordnung, sei es zur Verkündung eines Haftbefehls – eine Terminsgebühr nicht entsteht:

„Die Gebühren der Rechtsanwältin für ihre Tätigkeit im vorliegenden Verfahren bestimmen sich nach Teil 6, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Diese Regelung ist abschließend, so dass Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses – auch nicht ergänzend – herangezogen werden kann. Dort ist lediglich die mit 348 € festgesetzte Verfahrensgebühr (Nr. 6101) vorgesehen, nicht dagegen eine Grundgebühr. Eine Terminsgebühr ist zwar vorgesehen (Nr. 6102), aber hier nicht angefallen.

Im Auslieferungsverfahren löst ein Termin vor dem Richter beim Amtsgericht – sei es zur Entscheidung über eine Festhalteanordnung, sei es zur Verkündung eines Haftbefehls – eine Terminsgebühr nicht aus (OLG Bamberg, Beschluss vom 07. Mai 2007, 5 Ausl 12/2007, Rn. 8 + 9; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 05. Mai 2011, <1> 53 AuslA 43/10 <20/10>, Rn. 8 + 9; Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 12. September 2018, 1 Ausl A 2/18, Rn. 10 – 19; OLG Dresden, Beschluss vom 01. Dezember 2017, OLGAusl 111/16, Rn. 12 – 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. November 2020, 2 Ws 91/20, Rn. 6 – 13; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 16. Februar 2021, Ausl 35/20, Rn. 22 – 36; OLG Hamm, Beschluss vom 25. Oktober 2016, III-1 Ws 241/16; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. Februar 2008, <1> Ausl – III – 20/07, Rn. 8 + 9; OLG Köln, Beschluss vom 10. Januar 2018, 6 AuslA 195/17 – 110, Rn. 6 – 15; OLG München, Beschluss vom 19. Juli 2021, 4 Ws 3/21, Rn. 14 – 24; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16. März 2009, Ausl 56/08, Rn. 6 – 8; OLG Rostock, Beschluss vom 12. März 2009, Ausl 14/08 I 7/08; OLG Stuttgart, Beschluss vom 01. Oktober 2009, 1 <3>, Ausl 1110/09, Rn. 6; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 11. März 2021, Ausl AR 55/20, Rn. 10 + 11; alle zitiert nach juris).“

Eine Begründung gibt das OLG für seine Entscheidung nicht. Die Zusammenstellung von Rechtsprechungszitaten ist keine Begründung……