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Zweimal Hauptverhandlungstermin an einem Tag, oder: Entstehen zwei Terminsgebühren?

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Und dann die zweite Entscheidung, die sehr gut zum Gebührenrätsel vom letzten Freitag – el: Ich habe da mal eine Frage: Zweimal Terminsgebühr an einem Tag? passt (hier die Lösung: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Zweimal Terminsgebühr an einem Tag?).

Es handelt sich um den LG Freiburg, Beschl. v. 25.05.2023 – 9 Qs 5/23 -, den mir der Kollege H. Meier aus Freiburg geschickt hat.

Der Kollege war Pflichtverteidiger in einem BtM-Verfahren. In dem ist der Angeklagte zwar zur Hauptverhandlung geladen worden, jedoch ohne Einhaltung der vorgeschriebenen Ladungsfrist. Der Angeklagte war (daher?) zunächst nicht erschienen, woraufhin die Hauptverhandlung ausgesetzt wurde. Der Kollege, der erschienen war, hat sich wieder in seine  Kanzlei begeben.

Sodann wurde er kurze Zeit später – nachdem der Angeklagte doch noch erschienen war – telefonisch kontaktiert und gebeten zurückzukommen. Dieser Bitte ist er nachgekommen, sodass das Verfahren wieder aufgenommen und erneut „hauptverhandelt“ wurde. Schließlich kam es allerdings zu einer weiteren Aussetzung des Verfahrens, da der Angeklagte seinerseits nicht auf die Einhaltung der Ladungsfristen verzichtete und mit einer Fortführung der Verhandlung nicht einverstanden war. Angesichts dessen fand ein weiterer (letztlich dritter) Hauptverhandlungstermin am 05.07.2022 statt.

Der Kollege hat für den Hauptverhandlungstag zweimal die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG geltend gemacht. Das AG hat nur eine Terminsgebühr gewährt, das LG ist dann auf die Beschwerde dem Ansatz des Kollegen gefolgt:

„Auch in der Sache hat die Beschwerde Erfolg.

Der Verteidiger hat die Gebühr Nr. 4108 VV RVG (zzgl. 19 % USt) für das Prozessgeschehen am 15.03.2022 zu Recht zwei Mal beantragt. Da diese nur einmal festgesetzt worden ist, waren ihm weitere 242,00 EUR Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 19 % nach Nr. 7008 VV RVG iHv 45,98 EUR, mithin insgesamt ein weiterer Betrag von 287,98 EUR zu erstatten.

Zwar ist in Nr. 4108 VV RVG geregelt, dass die Terminsgebühr je „Hauptverhandlungstag“ anfällt, weshalb mehrere Hauptverhandlungstermine in derselben Sache an einem Tag grundsätzlich nur zu einer Terminsgebühr führen (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, Rn. 3).

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn eine Hauptverhandlung nach § 228 StPO ausgesetzt wird und noch am selben Tag ein neuer Hauptverhandlungstermin stattfindet, weil der zum Pflichtverteidiger beigeordnete Rechtsanwalt auf die Einhaltung der Ladungsfristen verzichtet hat (vgl. AG Cottbus Beschl. v. 04.10.2016 – 72 Ls 1610 Js 19300/12 – juris).

Zu Recht führt das Amtsgericht Cottbus insoweit aus, dass in dieser Konstellation letztlich zwei eigenständige Termine stattfinden, die nur zufällig auf denselben Wochentag gefallen sind. Hätte der neue Hauptverhandlungstermin an einem anderen Tag stattfinden müssen, wäre unzweifelhaft eine weitere Gebühr nach Nr. 4108 VV RVG entstanden. Dem Verteidiger, der zur Beschleunigung des Verfahrens und zur Vermeidung weiterer Kosten (wie bspw. Fahrtkosten oder Ausfallgeldern) auf die Einhaltung der Ladefristen verzichtet und die Durchführung einer erneuten Haupt-verhandlung noch am selben Tag ermöglicht, hingegen nur eine Terminsgebühr zu erstatten, er-scheint unbillig und gebietet es, ausnahmsweise von der Regelung in Nr. 4108 VV RVG (eine Terminsgebühr je Verhandlungstag) abzuweichen.

Nach den im Beschwerdeverfahren eingeholten Stellungnahmen, hat sich das Prozessgeschehen am 15.03.2022 wie folgt dargestellt:

Der Angeklagte, der zwar geladen wurde, jedoch ohne Einhaltung der vorgeschriebenen Ladungsfrist, war zunächst nicht erschienen, woraufhin die Hauptverhandlung nicht nur unterbrochen, sondern ausgesetzt wurde. Die Verhandlung war beendet, der Verteidiger ging zurück in seine Kanzlei. Sodann wurde er kurze Zeit später – nachdem der Angeklagte doch noch erschienen war – telefonisch kontaktiert und gebeten zurückzukommen, mithin erneut geladen. Dieser Bitte entsprach er, sodass das Verfahren wieder aufgenommen wurde. Schließlich kam es allerdings zu einer weiteren Aussetzung des Verfahrens, da der Angeklagte seinerseits nicht auf die Einhaltung der Ladungsfristen verzichtete und mit einer Fortführung der Verhandlung nicht einverstanden war. Angesichts dessen fand ein weiterer (letztlich dritter) Hauptverhandlungstermin am 05.07.2022 statt.

Dieser Ablauf entspricht in dem entscheidenden Umstand, nämlich dem erneuten Erscheinen des Verteidigers bei Gericht, nachdem die Hauptverhandlung zuvor ausgesetzt worden war, der Konstellation in der dargelegten Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus, mit der dem Verteidiger zu Recht eine weitere Terminsgebühr zzgl. Umsatzsteuer zuerkannt wurde. Dass das erneute Erscheinen des Verteidigers am 15.03.2022 vorliegend letztlich nicht dazu führte, dass die Haupt-verhandlung an diesem Tag auch beendet werden konnte, sondern erneut ausgesetzt werden musste, ändert an den tragenden Erwägungen nichts_ Der Verteidiger hatte die weitere Aussetzung nicht zu vertreten. Er ist erneut verhandlungsbereit bei Gericht erschienen und das Verfahren wurde wieder aufgenommen. Die zweite Terminsgebühr war damit entstanden.“

Ganz kurze 🙂 Anmerkung: Richtig.