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StPO II: Versuch der Protokollberichtigung misslungen, oder: Hatte Angeklagte noch einmal das letzte Wort?

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Als zweite Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 14.08.2024 – 5 StR 206/24 -, der (auch) mit dem Dauerbrenner „letztes Wort“ zu tun. Das LG hat den Angeklagten wegen Totschlags verurteilt.

Der Angeklagte macht mit seiner Revision geltend, dass das Schwurgericht, nachdem es vor Urteilsverkündung erneut in die Beweisaufnahme eingetreten war, ihm unter Verstoß gegen § 258 Abs. 2 StPO nicht erneut das letzte Wort gewährt. In der Hauptverhandlung hatten nach Schluss der Beweisaufnahme die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidiger ihre Schlussanträge gestellt. Der Angeklagte hatte das letzte Wort. Nach Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Urteilsberatung trat die Strafkammer erneut in die Beweisaufnahme ein. Auf Frage des Vorsitzenden gab der Angeklagte dort eine Erklärung ab, wonach er auf die Herausgabe mehrerer sichergestellter Gegenstände verzichte. Sodann erhielten die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger erneut das Wort; erstere hielt an ihrem gestellten Antrag fest, letzterer bezog sich auf seinen schon gehaltenen Schlussvortrag. Danach verkündete die Strafkammer ihr Urteil, ohne dass dem Angeklagten erneut das letzte Wort erteilt worden wäre.

Um das Letzte: „ohne dass dem Angeklagten erneut das letzte Wort erteilt worden wäre“ ist gestritten worden. Das Schwurgericht hat versucht, das Protokoll zu berichtigen. Aber: Soll ich sagen: Aller Anfang ist schwer? Egal, jedenfalls hat das nicht geklappt. Dazu der BGH:

„b) Nach Eingang der Revisionsbegründung, mit der unter Vortrag des vorgenannten Verfahrensablaufs die Verletzung von § 258 Abs. 2 StPO gerügt worden war, fanden folgende weitere Verfahrensschritte statt:

Es wurde ein vom Vorsitzenden der Strafkammer und der Protokollführerin unterzeichneter Vermerk zur Akte genommen, wonach das Protokoll der Hauptverhandlung vom 22. Dezember 2023 dahingehend berichtigt werde, dass an näher bezeichneter Stelle folgende Sätze einzufügen seien: „Der Angeklagte erhielt das Wort. Der Angeklagte hatte das letzte Wort.“ In einem weiteren Vermerk in der zugehörigen Verfügung wurde ausgeführt, dass sich „die Unterzeichner“ des Protokolls sicher seien, dass dem Angeklagten das letzte Wort nochmals erteilt worden sei; in der tagesaktuellen Mitschrift der Berichterstatterin sei dies sogar ausdrücklich aufgeführt. Diese Verfügung wurde allein vom Vorsitzenden unterschrieben. Die Protokollführerin erklärte in einer dienstlichen Stellungnahme, dass dem Angeklagten das letzte Wort erteilt worden sei. In ihrer Revisionsgegenerklärung trat die Staatsanwaltschaft der „Auffassung der Unterzeichner“ des Protokolls bei und führte zur Begründung aus, dass bei unterbliebener Gewährung des letzten Wortes die Sitzungsvertreterin auf das Versäumnis hingewiesen hätte, was aber nicht geschehen sei.

Durch den Generalbundesanwalt wurden die Akten im Revisionsverfahren zur Durchführung eines Protokollberichtigungsverfahrens an das Landgericht zurückgegeben. Dabei wurde auf die hierfür in der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 23. April 2007 (GSSt 1/06, BGHSt 51, 298) formulierten Grundsätze hingewiesen.

Der Vorsitzende der Strafkammer gab daraufhin erneut eine dienstliche Stellungnahme ab, in welcher er seine frühere Äußerung um den Hinweis ergänzte, dass sich die Erteilung des letzten Wortes auch aus der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft ergebe, welche von der Sitzungsvertreterin gefertigt worden sei. Zur beabsichtigten Protokollberichtigung erhielten der Verteidiger und der Angeklagte Gelegenheit zur Stellungnahme. Ersterer trat der Berichtigung entgegen, wobei er insbesondere darauf verwies, dass kein Verfahrensbeteiligter eine konkrete Erinnerung an die erneute Erteilung des letzten Wortes bekundet habe und auch der Inhalt der entsprechenden Ausführungen des Angeklagten nicht geschildert worden sei. Sodann verfügte der Vorsitzende erneut die genannte Protokollberichtigung, wobei er die bisherige Begründung wiederholte und um einen Satz ergänzte, wonach der Verteidiger nicht im Einzelnen dargelegt habe, weshalb er sich sicher sei, dass das ursprüngliche Protokoll richtig sei. Auch diese Verfügung wurde nur durch ihn unterschrieben. Die Protokollberichtigung wurde durch ihn und die Protokollführerin unterzeichnet.

c) Die zulässig erhobene Rüge ist begründet. Durch das Protokoll der Hauptverhandlung, welches keine erneute Erteilung des letzten Wortes verzeichnet, wird der Verstoß des Landgerichts gegen § 258 Abs. 2 StPO bewiesen (negative Beweiskraft, § 274 StPO). Zu der durch den Vorsitzenden der Strafkammer intendierten Berichtigung des Protokolls ist es – auch wenn Verteidiger und Angeklagter nunmehr zur beabsichtigten Änderung angehört wurden – nicht gekommen, weil die für eine solche Maßnahme bestehenden weiteren Anforderungen nicht erfüllt worden sind. Eine nachträgliche Protokollberichtigung, mit der zum Nachteil des Beschwerdeführers einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge die Tatsachengrundlage entzogen wird („Rügeverkümmerung“), setzt sichere Erinnerung beider Urkundspersonen voraus. Nehmen sie gemeinsam eine Protokollberichtigung vor, so haben sie ihre Entscheidung mit Gründen zu versehen. Darin sind die Tatsachen anzugeben, welche die Erinnerung der Urkundspersonen belegen. Die Gründe der Berichtigungsentscheidung unterliegen im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht (BGH, Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06, BGHSt 51, 298).

Vorliegend verhält sich die Entscheidungsbegründung jedoch ebenso wenig wie die vorangegangenen dienstlichen Erklärungen dazu, auf welche Umstände die Urkundspersonen ihre sichere Erinnerung gründen. Dabei kann dahinstehen, ob hierfür – wie seitens des Vorsitzenden geschehen – genügen kann, allein auf indizielles Verhalten anderer Verfahrensbeteiligter zu verweisen (Mitschrift der Beisitzerin, Unterlassen einer Intervention durch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft). Denn jedenfalls ist für die Protokollführerin nicht ersichtlich, woran sie ihre sichere Erinnerung an die Gewährung des letzten Wortes festmacht.

Zudem ist nicht erkennbar, dass die Begründung der Berichtigungsentscheidung durch beide Urkundspersonen verantwortet worden wäre. Enthalten ist eine solche nur in der zugehörigen Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer, der diese allein unterschrieben hat. Zwar hat die auch für das Protokoll tätig gewesene Urkundsbeamtin die dort verfügten Maßnahmen abgezeichnet, damit aber nur deren Abarbeitung dokumentiert. Dagegen hat sie hierdurch nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie sich die Begründung – auch in Ansehung der Einwände des Verteidigers – als Protokollführerin inhaltlich zu eigen gemacht hätte (vgl. zur Notwendigkeit der Mitwirkung der protokollführenden Person BGH, Urteil vom 12. Mai 2022 – 4 StR 197/21, NStZ-RR 2022, 286; Beschluss vom 27. April 2021 – 2 StR 1/21, NStZ-RR 2021, 254).

2. Das Urteil beruht im Schuldspruch nicht auf dem Verfahrensverstoß. Insoweit kann der Senat ausschließen, dass eine erneute Erteilung des letzten Wortes Auswirkungen auf den Schuldspruch gehabt hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. August 2022 – 5 StR 101/22; vom 11. Mai 2017 – 1 StR 35/17, NStZ 2018, 290, 291). Dies folgt nicht allein aus dem Umstand, dass der Angeklagte unmittelbar vor dem thematisch wie zeitlich eng begrenzten Wiedereintritt in die Beweisaufnahme sein letztes Wort bereits wahrgenommen hatte, sondern vor allem daraus, dass sich das Landgericht auf eine dichte Beweislage sowie auf die Einlassung des Angeklagten stützen konnte, mit der dieser sich zwar teils auf Erinnerungslücken berufen, jedoch an keiner Stelle entgegen der Feststellungen geäußert hat.

Der aufgezeigte Rechtsfehler führt jedoch zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch samt den zugehörigen Feststellungen, da der Angeklagte bei erneuter Erteilung des letzten Wortes möglicherweise Ausführungen gemacht hätte, die die Sanktionsentscheidung hätten beeinflussen können.“

StPO I: Selbstläuferrevision: Fehler beim letzten Wort, oder: Wiedereintritt in die Beweisaufnahme

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Und dann heute noch einmal StPO-Entscheidungen.

Den Auftakt mache ich mit dem BGH, Beschl. v. 16.08.2023 – 2 StR 308/22. Mal wieder eine dieser „Selbstläuferrevisionen“. Gerügt worden war die Verletzung des Rechts auf das letzte Wort (§ 258 StPO).

Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen dirigistischer Zuhälterei verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Revision hatte hinsichtlich der Strafaussprüche teilweise Erfolg.

Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

„Die Beweisaufnahme wurde am 23. Hauptverhandlungstag, dem 7. Dezember 2021, geschlossen. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägervertreter hielten ihre Plädoyers und stellten ihre Schlussanträge. Dabei beantragte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft auch die Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen zugunsten der Nebenklägerinnen C. und M. Im darauffolgenden Termin am 13. Dezember 2021 plädierten die Verteidiger des Angeklagten. Dem Angeklagten wurde Gelegenheit gegeben, noch etwas zu seiner Verteidigung zu sagen. Er hatte das letzte Wort. Die Hauptverhandlung wurde sodann unterbrochen; Termin zur Fortsetzung war auf den 22. Dezember 2021 festgesetzt. Einen Tag zuvor ging bei der Strafkammer ein Faxschreiben von Rechtsanwalt D. ein. Er übersandte zwei an den Angeklagten gerichtete Schriftstücke, zum einen einen Anwaltsschriftsatz, mit dem im Auftrag der Nebenklägerin C. ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 € geltend gemacht wurde, zum anderen einen Antrag auf Prozesskostenhilfe der Nebenklägerin M. zur Durchführung eines Mahnverfahrens über 40.000 €. Rechtsanwalt D. kündigte an, im folgenden Termin den Wiedereintritt in die Beweisaufnahme zu beantragen, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, die Ansprüche, jedenfalls teilweise, anzuerkennen.

In der Hauptverhandlung vom 22. Dezember 2021 stellte Rechtsanwalt D. einen entsprechenden Antrag. Die Vorsitzende erörterte dies mit den Verfahrensbeteiligten und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei erklärten die Nebenklägerinnen über ihre anwaltlichen Vertreterinnen, nach wie vor keinem Täter-Opfer-Ausgleich zuzustimmen. Die Staatsanwaltschaft sah keinen Bedarf, die Beweisaufnahme noch einmal zu eröffnen. Sodann gab die Vorsitzende bekannt, dass auch die Strafkammer keinen Grund sehe, erneut in die Hauptverhandlung einzutreten. Nach geheimer Beratung wurde sodann das angefochtene Urteil verkündet, ohne dass dem Angeklagten (erneut) das letzte Wort gewährt wurde.

Diese Verfahrensweise verstieß nach Auffassung des BGH gegen § 258 Abs. 2 Halbsatz 2, Abs. 3 StPO:

„Dem Angeklagten hätte nach der Erörterung über den von Rechtsanwalt D. beantragten Wiedereintritt in die Beweisaufnahme erneut Gelegenheit gegeben werden müssen, zu seiner Verteidigung vorzutragen und Ausführungen im Rahmen des letzten Worts zu machen.

a) Nach einem Wiedereintritt in die Verhandlung muss das Gericht die Möglichkeit zu umfassenden Schlussvorträgen und das letzte Wort erneut gewähren, auch wenn er nur einen unwesentlichen Aspekt oder einen Teil der Anklagevorwürfe betrifft, weil jeder Wiedereintritt den vorangegangenen Ausführungen ihre rechtliche Bedeutung als Schlussvorträge und letztes Wort nimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2017 – 1 StR 391/16, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 20 Rn. 6; Urteil vom 24. Februar 2022 – 3 StR 202/21, NJW 2022, 1631, 1632). Ein Wiedereintritt in die Verhandlung kann durch eine ausdrückliche Erklärung des Vorsitzenden beziehungsweise des Gerichts oder stillschweigend geschehen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – 3 StR 202/21, NJW 2022, 1631, 1632 f.; Beschluss vom 24. Juni 2014 – 3 StR 185/14, NStZ 2015, 105). Für letzteres genügt jede Betätigung, in welcher der Wille des Gerichts, mit der Untersuchung und der Aburteilung fortzufahren, erkennbar zutage tritt, auch wenn das Gericht darin keine Wiedereröffnung der Verhandlung erblickt oder diese nicht beabsichtigt. Dies ist der Fall bei jedem Vorgang, der die gerichtliche Sachentscheidung auch nur mittelbar beeinflussen könnte, indem er eine tatsächliche oder rechtliche Bewertung des bisherigen Verfahrensergebnisses zum Ausdruck bringt. Auf Umfang und Bedeutung der nochmaligen Verhandlungen kommt es dabei nicht an. Ob ein Wiedereintritt vorliegt, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (s. BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – 3 StR 202/21, NJW 2022, 1631, 1633; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 258 Rn. 28). Er kann auch darin liegen, dass Anträge erörtert werden, ohne dass ihnen letztlich stattgegeben wird (BGH, Beschluss vom 20. September 2017 – 1 StR 391/16, NJW 2018, 414, 415; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 258, Rn. 28; Tiemann, in: KK-StPO, 9. Aufl., § 258, Rn. 24).

b) Gemessen daran ist das Landgericht durch die Erörterung mit den Verfahrensbeteiligten über den Antrag von Rechtsanwalt D. , die Beweisaufnahme zu eröffnen, stillschweigend wieder in die Hauptverhandlung eingetreten. Der Antrag zielte darauf ab, dem Angeklagten die Chance einzuräumen, durch eine zumindest teilweise Anerkennung der nunmehr gegen ihn außerhalb der Hauptverhandlung geltend gemachten Ansprüche im Rahmen des Strafverfahrens Schadenswiedergutmachung zu leisten. Er war insoweit darauf gerichtet, Einfluss auf die Strafzumessung durch das Landgericht zu nehmen, das gemäß § 46 Abs. 2 StGB das Verhalten des Angeklagten nach der Tat und dabei insbesondere auch ein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, in den Blick zu nehmen hatte. Dieser Antrag wurde nicht lediglich entgegengenommen, sondern war im Folgenden förmlicher Gegenstand der Erörterung, wie mit ihm umzugehen sei. Damit ging – da der Gegenstand des Antrags wie ausgeführt die gerichtliche Sachentscheidung zu beeinflussen geeignet war – der (faktische) Wiedereintritt in die Hauptverhandlung einher; belegt wird dies im Übrigen durch den unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Revision, die Nebenklägerinnen hätten klargestellt, einem Täter-Opfer-Ausgleich nach wie vor nicht zuzustimmen. Dass dem Antrag letztlich nicht stattgegeben wurde, das Gericht vielmehr ausdrücklich mitteilte, keinen Grund zu sehen, erneut in die Hauptverhandlung einzutreten, ändert an dieser Feststellung nichts (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2017 – 1 StR 391/16, NJW 2018, 414, 415).

c) Auf dem dargelegten Verfahrensfehler beruhen die Strafaussprüche in den Fällen II.2 bis II.5 der Urteilsgründe, nicht jedoch die ihnen zugrundeliegenden Schuldsprüche.

Der Senat schließt aus, dass der Angeklagte in einem – erneuten – letzten Wort etwas Erhebliches zu den Schuldsprüchen hätte bekunden können. Hingegen ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte, wäre ihm das letzte Wort erneut erteilt worden, Ausführungen gemacht hätte, die die Strafzumessung zu seinen Gunsten beeinflusst hätten (vgl. zum Einverständnis zur förmlichen Einziehung sichergestellter Gegenstände BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152). Dies gilt hier insbesondere mit Blick auf die in dem ursprünglichen Schriftsatz von Rechtsanwalt D. angekündigte (teilweise) Anerkennung der geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche. Dies wäre über das bloße in der Hauptverhandlung bereits abgegebene Angebot, Schmerzensgeld zu zahlen, hinausgegangen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte auf die Herausgabe sichergestellten Bargelds in Höhe von 161.500 € auch gegenüber den Nebenklägerinnen M. und C. verzichtet hatte. Dass diese im Übrigen nicht bereit waren, sich weitergehend auf einen Täter-Opfer-Ausgleich einzulassen, ändert nichts daran, dass bereits einer möglichen förmlichen Anerkennung geltend gemachter Ansprüche eine weitergehende strafmildernde Bedeutung zukommen kann.“

StPO I: Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen, oder: Wiedereintritt in die Beweisaufnahme

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Heute dann drei StPO-Entscheidungen. Darunter zwei BGH-Entscheidungen, die m.E. für die Praxis von nicht unerheblicher Bedeutung sind – beide sind auch für BGHSt bestimmt.

An der Spitze hier dann zunächst der BGH, Beschl. v. 01.04.2021 – 3 StR 300/20 – betreffend die Frage der (weiteren) Geltung einer „Beweisantragsfrist“, wenn nach Ablauf der Frist wieder in die Beweisaufnahme eingetreten worden ist.

Folgender Sachverhalt: In der Hauptverhandlung In einem Verfahren wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat die die Vorsitzende den Verfahrensbeteiligten eine Frist gesetzt, innerhalb derer sie Beweisanträge stellen konnten (§ 244 Abs. 6 Satz 2 StPO). Anträge nach dieser Frist werde sie erst im Urteil bescheiden, es sei denn, es werde glaubhaft, gemacht, dass die Einhaltung des Zeitrahmens unmöglich gewesen sei. Nach Ablauf der Frist stellte der Angeklagte dann mehrere Beweisanträge. Die Strafkammer ist nach Ende der Frist noch zweimal in die Beweisaufnahme eingetreten, ohne die Beweisanträge zu bescheiden. Das ist erst im Urteil geschehen, und zwar auf rund 60 Seiten.

Der Angeklaagte hat das Vorgehen gerügt. Er hatte keinen Erfolg.

Der BGH meint, dass die Fristbestimmung durch den Wiedereintritt nicht außer Kraft getreten ist und begründet das umfangreich. Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Bestimmt der Vorsitzende des Tatgerichts nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen, steht einer Bescheidung von nach deren Ablauf gestellten Beweisanträgen im Urteil nicht grundsätzlich entgegen, dass wieder in die Beweisaufnahme eingetreten worden ist. Dies gilt jedoch ausnahmsweise nicht für solche Beweisanträge, die sich erst aus der Beweisaufnahme nach Wiedereintritt ergeben.

2. Hierzu sind regelmäßig Darlegungen im Beweisantrag erforderlich.

Das allerletzte Wort hat immer der Angeklagte, oder: Dauerbrenner als revisionsrechtlicher Selbstläufer

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Bei der zweiten Entscheidung am heutigen Montag handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 05.02.2019 – 3 StR 469/18. Thema dieses Beschlusses ist ein verfahrensrechtlicher Dauerbrenner, nämlich der sog. Wiedereintritt in die Hauptverhandlung nach dem letzten Wort des Angeklagten und das diesem danach erneut zu gewährende letzte Wort.

Das LG Hat den Angeklagten u.a. wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit verurteilt. Die dagegen gerichtete, u.a. auf mehrere Verfahrensbeanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hatte mit der Rüge, dass § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO verletzt worden sei, Erfolg:

„1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Angeklagten erhielten in der Hauptverhandlung am 1. März 2018 nach dem Schluss der Beweisaufnahme und den Schlussvorträgen jeweils das letzte Wort. Anschließend wurde die Hauptverhandlung um 11.35 Uhr unterbrochen und um 11.45 Uhr fortgesetzt. Sodann wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Danach wurde die Hauptverhandlung erneut unterbrochen und am 7. März 2018 fortgesetzt. An diesem Tag wurde das Urteil verkündet, ohne dass dem Angeklagten erneut das letzte Wort gewährt worden war.

2. Die Rüge ist in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nicht mitgeteilt hat, wozu und mit welchem Inhalt die Erörterungen geführt wurden. Denn der Senat ist hier auch ohne nähere Kenntnis des Inhalts der Erörterungen in der Lage zu beurteilen, ob der gerügte Verfahrensverstoß vorlag.

3. Die Revision beanstandet zu Recht, dass dem Angeklagten nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht erneut das letzte Wort erteilt wurde. Insoweit gilt:

Gemäß § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO gebührt dem Angeklagten nach dem Schluss der Beweisaufnahme und den Schlussvorträgen das letzte Wort. Tritt das Gericht danach erneut in die Beweisaufnahme ein, ist dem Angeklagten wiederum das letzte Wort zu erteilen. Denn mit dem Wiedereintritt in die Verhandlung haben die früheren Ausführungen des Angeklagten ihre Bedeutung als abschließende Äußerungen im Sinne des § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO verloren (BGH, Urteil vom 13. Mai 1993 – 4 StR 169/93, NStZ 1993, 551 mwN).

Der Wiedereintritt in die Verhandlung muss nicht förmlich, sondern kann auch konkludent durch Vornahme einer Prozesshandlung geschehen (BGH, Urteil vom 27. Februar 2004 – 2 StR 146/03, NStZ 2004, 505, 507). Ob von einem Wiedereintritt in die Verhandlung auszugehen ist, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152). Maßgeblich ist, ob es sich um einen Verfahrensvorgang handelt, der für die Sachentscheidung des Tatgerichts von Bedeutung sein kann (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152). Das ist beispielsweise nicht der Fall bei einer bloßen Entgegennahme von Hilfsbeweisanträgen (BGH, Urteil vom 27. Februar 2004 – 2 StR 146/03, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 14), bei einer Ersetzung eines Pflichtverteidigers (BGH, Beschluss vom 17. September 1981 – 4 StR 496/81, juris Rn. 11) oder bei der Kundgabe eines Negativattests im Sinne des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO. Ein Verfahrensvorgang, der Einfluss auf die Sachentscheidung haben kann, ist demgegenüber jede Prozesshandlung, die ihrer Natur nach in den Bereich der Beweisaufnahme fällt sowie jede Handlung, in der sich der Wille des Gerichts zum Weiterverhandeln in der Sache zeigt (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Wille des Gerichts zum Ausdruck kommt, im Zusammenwirken mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortzufahren oder wenn Anträge erörtert werden (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152 mwN).

Gleichermaßen verhält es sich, falls – wie hier – „die Sach- und Rechtslage erörtert“ wird (so bereits BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 – 5 StR 253/12, NStZ 2012, 587). Wenngleich eine „Erörterung“ der Sach- und Rechtslage nicht notwendigerweise die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) zum Gegenstand haben muss, so versteht es sich doch von selbst, dass sich die Erörterung „der Sach- und Rechtslage“ auf Fragen bezieht, die für die Sachentscheidung bedeutsam sind. Die in der Hauptverhandlung relevante Sach- und Rechtslage wird durch den Anklagevorwurf und die dadurch aufgeworfenen Fragen bestimmt, insbesondere diejenigen, die den Schuld- und Strafausspruch betreffen.

Danach war das Gericht hier durch die Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Verfahrensbeteiligten wieder in die Verhandlung eingetreten, so dass dem Angeklagten anschließend erneut das letzte Wort hätte erteilt werden müssen.

4. Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte, der die Anklagevorwürfe in Abrede gestellt hatte, nunmehr Angaben gemacht hätte, die sich zu seinen Gunsten ausgewirkt hätten.“

Wie gesagt: Verfahrensrechtlicher Dauerbrenner und resionsrechtlicher Selbstläufer, bei dem ich mich immer wieder frage: Warum gewährt die Kammer nicht noch einmal das letzte Wort? Und wenn es nur zur Sicherheit ist/wäre. Die Rechtsprechung des BGH sollte bekannt sein.

Allerdings kann man daran beim LG Verden dann doch wohl ein wenig zweifeln, wenn man den weiteren Hinweis des BGH liest:

„5. Die Sache bedarf bereits deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Es kommt mithin nicht darauf an, dass auch die Rüge der Verletzung von § 265 Abs. 1, Abs. 2 StPO durchgedrungen wäre und zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs geführt hätte. Insoweit beanstandet die Revision zu Recht, dass das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet hat, ohne zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilt zu haben (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 11. November 1993 – 4 StR 584/93, BGHR StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 6; vom 16. Juni 2004 – 1 StR 166/04, NStZ-RR 2004, 297; vom 2. September 2009 – 5 StR 311/09, BGHR StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 10).“

Mal wieder nicht das letzte Wort, oder/aber: (Durchsichtiger) Rettungsversuch misslungen

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Und zum Tagesabschluss – passend – eine Entscheidung zum letzten Wort (§ 258 StPO. Mit der entsprechenden Verfahrensrüge hatte eine Revision in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung Erfolg. Der BGH, Beschl. v. 20.9.2017 – 1 StR 391/16 – führt dazu aus:

a) Den Verfahrensrügen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Nachdem die Beweisaufnahme geschlossen worden war und die Schlussvorträge gehalten worden waren, erhielten die Angeklagten das letzte Wort, woraufhin sie sich auch äußerten. Im Anschluss daran stellte der Vorsitzende die Frage, wie die Ausführungen des Angeklagten E. in seinem letzten Wort in Bezug auf eine Vernehmung von Auslandszeugen auszulegen seien. Dessen Verteidiger bat daraufhin um eine Unterbrechung der Hauptverhandlung, um diese Frage mit seinem Mandanten erörtern zu können. Nach einer kurzen Unterbrechung wurde die Hauptverhandlung fortgesetzt. Zu der vom Vorsitzenden aufgeworfenen Frage erklärte der Verteidiger des Angeklagten E. dann mit dessen ausdrücklichem Einverständnis, dass sich sein Mandant sämtlichen – im Einzelnen näher bezeichneten – Eventualbeweisanträgen des Verteidigers des Angeklagten P. anschließe. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die darin enthaltene Bedingung, d.h. ein unbedingter Antrag werde ausdrücklich nicht gestellt. Sodann wurde die Hauptverhandlung bis zur Urteilsverkündung unterbrochen, ohne dass den Angeklagten erneut eine Gelegenheit zum letzten Wort gegeben wurde.
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c) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt hier ein Verstoß gegen § 258 Abs. 2 und 3 StPO vor.

Nachdem den Angeklagten das letzte Wort gewährt worden war, wurden Vorgänge erörtert, die auf die gerichtliche Entscheidung Einfluss haben konnten. Die Erörterung der Frage, wie die auf eine Beweiserhebung gerichteten Anträge des Angeklagten E. zu verstehen sind, stellte eine inhaltliche Befassung mit Beweisanträgen dar, die über die bloße Entgegennahme der dabei vom Verteidiger nach Rücksprache mit seinem Mandanten neu formulierten Hilfsbeweisanträge hinausging (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1998 – 5 StR 392/98, wistra 1999, 27). Dem steht nicht entgegen, dass die übrigen Verfahrensbeteiligten sich an der Erörterung nicht beteiligten und auch inhaltlich zu den Anträgen keine Stellungnahme abgaben. Denn bereits die Erörterung des Inhalts eines von einem Angeklagten zuvor gestellten und auf eine Beweiserhebung gerichteten Antrags mit einzelnen Verfahrensbeteiligten stellte eine inhaltliche Befassung mit Fragen der Beweisaufnahme und Beweiswürdigung dar. Damit waren die Ausführungen der Angeklagten im letzten Wort nicht mehr der letzte Eindruck des Gerichts von der Hauptverhandlung, bevor es mit der Urteilsberatung begann. Der Zweck des höchstpersönlichen Rechts auf Gewäh-rung des letzten Wortes liegt aber darin, dem Angeklagten zu ermöglichen, sei-nen Standpunkt unmittelbar vor der Urteilsberatung verdeutlichen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1993 – 4 StR 169/93, NStZ 1993, 551).

Und: (Durchsichtiger) Rettungsversuch des Vorsitzenden misslungen:

„d) Die mit Beschluss vom 29. März 2016 (SA Bd. X Bl. 227 ff.) vorgenommene Protokollberichtigung entzog dem Rügevorbringen nicht die Tatsachengrundlage (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06, BGHSt 51, 298). Zwar wurde mit ihr die im Hauptverhandlungsprotokoll nach der Feststellung, dass die Angeklagten das letzte Wort hatten, aufgenommene Formulierung „Mit den Verfahrensbeteiligten wurde die Sach- und Rechtslage erörtert“ dahingehend berichtigt, dass der Vorsitzende mit dem Angeklagten E. und seinem Verteidiger die Frage erörterte, wie die Ausführungen dieses Angeklagten auf eine Vernehmung von Auslandszeugen auszulegen seien. Dies lässt den Verfahrensverstoß eines Wiedereintritts in die Verhandlung, ohne den Angeklagten danach erneut Gelegenheit zum letzten Wort zu geben, jedoch nicht entfallen.“

Man kann es ja mal versuchen…..