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Vertretung schickt Beschwerde an das falsche Gericht, oder: Keine Wiedereinsetzung für den Vertretenen

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Im „Kessel Buntes“ heute dann zwei Entscheidungen zu Fristversäumungen. Zunächst kommt hier etwas vom BGH, heute Nachmittag dann etwas zur beA-Pflicht.

Hier geht es jetzt erst mal um den BGH, Beschl. v. 23.10.2024 – XII ZB 576/23. Ergangen ist die Entscheidung in einem familiengerichtlichen Verfahren. In dem hatte das AG den Antragsgegner in einer vom Verbund abgetrennten Folgesache unter Abweisung des weitergehenden Antrags verpflichtet, an die Antragstellerin einen Zugewinnausgleich in Höhe von 709.900,21 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Dieser Beschluss ist dem Antragsgegner am 0 zugestellt worden. Am (Freitag) ist um 8:58 Uhr beim OLG eine Beschwerdeschrift eingegangen, die ausweislich des Prüfvermerks mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners versehen ist. Am selben Tag hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des OLG die Akte beim AG angefordert und dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners eine Eingangsbestätigung übersandt. Mit taggleich ausgeführter Verfügung vom 0 (Montag) hat die Vorsitzende Richterin des zuständigen Senats die Übersendung der Beschwerdeschrift an das AG angeordnet. Dort ist die Rechtsmittelschrift auf dem Postweg am 0 eingegangen.

Am ist der Antragsgegner darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde unzulässig sei, weil sie nicht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist beim AG eingegangen sei. Daraufhin hat der Antragsgegner am Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung ausgeführt, sein Verfahrensbevollmächtigter habe sich in der Zeit vom 27.09. bis zum 0 im Urlaub befunden. Noch vor Urlaubsantritt habe er gegenüber seiner langjährigen und stets zuverlässigen Mitarbeiterin verfügt, gegen den Beschluss des Amtsgerichts fristgerecht Beschwerde einzulegen. Dies beinhalte auch, dass die Beschwerde beim zuständigen Gericht eingelegt werde. Gleichwohl sei die Beschwerde fehlerhaft an das OLG geschickt worden. Zudem hätten zwischen der am um 9:52 Uhr versandten Eingangsbestätigung des OLG und dem Ablauf der Beschwerdefrist anderthalb Werktage gelegen. Es sei somit mehr als genug Zeit gewesen, um die Zuständigkeit zu prüfen und die Beschwerdeschrift noch innerhalb der Beschwerdefrist im Wege des ordentlichen Geschäftsgangs elektronisch an das AG weiterzuleiten. Keinesfalls habe das OLG den Schriftsatz auf dem Postweg weiterleiten dürfen, weil ihm hätte bewusst sein müssen, dass er auf diesem Weg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht fristgerecht beim AG eingehen würde. Das für das Beschwerdeverfahren ohnehin zuständige OLG habe eine deutlich erhöhte prozessuale Fürsorgepflicht getroffen. Diese hätte es geboten, dem Antragsgegner zumindest mitzuteilen, dass die Beschwerdeschrift fälschlicherweise an das OLG geschickt worden sei und von dort ein rechtzeitiger Eingang des weitergeleiteten Schriftsatzes beim AG nicht sichergestellt werden könne.

Mit Schreiben vom 0 ist der Antragsgegner darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerdeschrift nach seinem eigenen Vorbringen nicht von seinem Verfahrensbevollmächtigten, sondern von dessen Mitarbeiterin „unterzeichnet“ worden sei. Die Beschwerde sei somit nicht wirksam eingelegt worden und daher unzulässig. Der Antragsgegner hat hierauf erwidert, es sei klar und auch nach außen erkennbar gewesen, dass der Schriftsatz im Namen seines Verfahrensbevollmächtigten habe eingereicht werden sollen.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, die beim BGH keinen Erfolg hatte.

Hier dann die Leitsätze des BGH, die Einzelheiten bitte selbst lesen:

1. Hat der Verfahrensbevollmächtigte eines Beteiligten die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift seinem angestellten Büropersonal übertragen, ist er verpflichtet, das Arbeitsergebnis vor Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach sorgfältig auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen (im Anschluss an , NJW 2023, 1969). Dazu gehört auch die Prüfung, ob das für die Entgegennahme der Rechtsmittelschrift zuständige Gericht richtig bezeichnet ist.

2. Reicht ein Beteiligter eine Rechtsmittelschrift bei einem unzuständigen Gericht ein, so entspricht es regelmäßig dem ordentlichen Geschäftsgang, dass die Geschäftsstelle die richterliche Verfügung der Weiterleitung des Schriftsatzes an das zuständige Gericht am darauffolgenden Werktag umsetzt (im Anschluss an , ZIP 2023, 1614). Geht ein fristgebundener Schriftsatz erst einen (Werk-)Tag vor Fristablauf beim unzuständigen Gericht ein, ist es den Gerichten daher regelmäßig nicht anzulasten, dass die Weiterleitung des Schriftsatzes im ordentlichen Geschäftsgang nicht zum rechtzeitigen Eingang beim zuständigen Gericht geführt hat (im Anschluss an , NJW 2023, 1969).

Also aufgepasst, denn das wird man in anderen Verfahrensarten entsprechend anwenden können.

Rechtsmittel beim unzuständigen Gericht – was muss dieses tun?

Im Straf-/Bußgeldverfahren ist die Frage, was das unzuständige Gericht tun muss, zu dem der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel geschickt hat, nicht ganz unbestritten. Reicht Weiterleitung im normalen Geschäftsgang, oder muss ggf. mit Fax oder sonstigen Übertragungsmittel weitergeleitete werden, um eine Fristversäumung zu vermeiden.

Die wohl. h.M. geht davon aus, dass die Weiterleitung im normalen Geschäftsgang ausreicht und der Angeklagte/Betroffene dann sein heil im Wiedereinsetzungsverfahren suchen muss. Nun ist das im Straf-/Bußgeldverfahren nicht ganz so schlimm, weil dort ja dem Mandanten ein Verschulden seines Bevollmächtigten nur selten zugerechnet wird, aber auch da gibt es Fälle, wo dieser Fehler zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führen kann.

Aber vielleicht bringt ja jetzt ein Beschluss des BGH neues Leben in die Diskussion. In BGH, Beschl. v. 20.04.2011 – VII ZB 78/09 – ergangen im Zivilverfahren – heißt es dazu im Leitsatz:

Kann der Vorsitzende des Berufungsgerichts anlässlich der Aktenvorlage zur Vornahme prozessleitender Verfügungen ohne weiteres und einwandfrei erkennen, dass die örtliche Zuständigkeit des Berufungsgerichts unter keinem Gesichtspunkt eröffnet ist und veranlasst er gleichwohl nicht die noch rechtzeitig mögliche Einlegung der Berufung beim zuständigen Berufungsgericht, ist der Anspruch des Rechtsmittelführers auf ein faires Verfahren verletzt. Ein Verschulden der Partei oder ihres Prozess-bevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) an der Fristversäumung wirkt sich dann nicht mehr aus, so dass der Partei Wiedereinsetzung zu gewähren ist (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2005 – VIII ZB 125/04, NJW 2005, 3776, vom 24. Juni 2010 – V ZB 170/09, WuM 2010, 592 und vom 14. Dezember 2010 – VIII ZB 20/09, NJW 2011, 683).“

Jedenfalls kann man damit ja mal argumentieren.