Im zweiten Posting dann eine Entscheidung zur Abberufung bzw. Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung. Es handel sicu um den OLG Schleswig, Beschl. v. 21.02.22002 – 1 Ws 26/22.
Folgender (Kurz)Sachverhalt: Das LG hat den Verteidiger entpflichtet. Dagegen die sofortige Beschwerde. Die hat keinen Erfolg. Das OLG sieht zwar die vom LG für die Entpflichtung angeführten Gründe als nicht ausreichend an, legt dann aber der Entpflichtung eine andere Begründung zugunde:
„Im Ergebnis zu Recht ist der Rechtsanwalt entpflichtet worden.
Die für diese Entscheidung angeführte Begründung, der Rechtsanwalt habe sich geweigert, die Verteidigung des Angeklagten zu führen (§ 145 Abs. 1 Satz 1 StPO), erscheint aus Sicht des Senats indes nicht tragfähig.
Die Verfügung lässt erkennen, dass der Verteidiger an diesem ersten Hauptverhandlungstag für den Angeklagten tätig war und verschiedene prozessual zulässige Handlungen für ihn vorgenommen hat. Auch ist das nachfolgende Verhalten des Rechtsanwalts, in dem die Kammer eine „Weigerung“, den Angeklagten zu verteidigen, erblickt hat, tatsächlich nicht von einer Qualität, die die Entpflichtung des Rechtsanwalts unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigen könnte.
Dem Rechtsanwalt wird vorgehalten, erklärt zu haben, aus seiner Sicht sei die heutige Hauptverhandlung „eine Farce“ und weder er noch der Angeklagte würden sich daher an ihr aktiv beteiligen; insbesondere werde er bei der beabsichtigten Vernehmung von Zeugen diesen keinerlei Fragen stellen.
In dieser Äußerung und dem entsprechenden Verhalten vermag der Senat eine ernsthafte und endgültige Weigerung im Sinne des § 145 StPO nicht zu sehen.
Zum einen handelte es sich um Geschehnisse am ersten Verhandlungstag einer auf etliche weitere Verhandlungstage angelegten Hauptverhandlung, aus denen keine sicheren Schlüsse hinsichtlich des Verteidigungsverhaltens in seiner Gesamtheit gezogen werden konnten.
Zum anderen kann das Verhalten auch nicht – wie in der Verfügung geschehen – als „in erheblichem Maße prozessordnungswidrig“ zu bezeichnet werden, welches „den Boden des geltenden Prozessrechts deutlich“ verließe. Die Strafprozessordnung (§ 240 Abs. 2 StPO) gibt dem Verteidiger und dem Angeklagten zwar das Recht, Zeugen und Sachverständige zu befragen. Sie verpflichtet aber weder den Verteidiger noch den Angeklagten, dieses Recht überhaupt oder in einem bestimmten Umfang auszuüben. Wenn sich Verteidiger und Angeklagter darüber einig sind, an einem bestimmten Verhandlungstag bestimmten Zeugen keine Fragen zu stellen, kann dies auch – anders als es in der Verfügung gesehen wird – „von einem Verteidigungskonzept oder einer Prozessstrategie gedeckt“ sein. Dafür, bestimmten Personen keine Fragen zu stellen, kann es eine ganze Reihe denkbarer prozessual legitimer Überlegungen geben und sei auch es nur, dass hierdurch oder durch provozierte Gegenreaktionen des Gerichts versucht wird, den Boden für spätere erfolgreiche Revisionsrügen zu bereiten.
Ist – wie hier – ein Angeklagter durch mehrere Rechtsanwälte verteidigt, ist überdies denkbar, dass es interne Absprachen gibt, wonach einer der Rechtsanwälte gerade für prozessuale Anträge und der andere für die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Sache verantwortlich ist.
Dennoch verbleibt es im Ergebnis bei der Entpflichtung. Sie hätte nämlich bereits seit geraumer Zeit auf Grundlage des § 143 a Abs. 1 Satz 1 StPO erfolgen müssen……“