„Verteidigungslos“ hatte der Verteidiger in einem beim AG Berneburg anhängigen Verfahren seinen Mandanten gestellt, nachdem den Vorsitzenden des Schöffengerichts sein Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidigung offenbar nicht weiter interessiert hatte. Der Verteidiger hatte im Verfahren Beiordnung beantragt, die war abgelehnt worden, wogegen er am 07.08.2012 Beschwerde eingelegt hatte. Die hatte das AG bis zum Hauptverhandlungstermin am 15.11.2012 nicht an das LG weitergeleitet. Der Verteidiger hatte dann in der Hauptverhandlung nochmals beantragt, beigeordnet zu werden, was wiederum erfolglos blieb. Und dann hat er sich gesagt: Mit mir nicht und hatte sich in den Zuschauerraum begeben.
Der OLG Naumburg, Beschl. v. 30.05.2013 – 2 Ss 79/13 – hat das nicht nur nicht beanstandet, sondern scheint sogar noch Verständnis für den Verteidiger zu haben, wenn er ausführt:
„Dagegen dringt die Rüge, die Hauptverhandlung habe teilweise in Abwesenheit eines notwendigen Verteidigers stattgefunden, durch. Bei Verfahren vor dem Schöffengericht ist, sofern sich die Zuständigkeit dieses Spruchkörpers nicht allein wegen der einem Mitangeklagten zur Last gelegten Tat(en) ergibt, stets gemäß § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen (Meyer-Goßner, Rdnr. 23 zu § 140 mit umfangreichen Nachweisen). Hier hat sich der Verteidiger, nachdem er sich in der Hauptverhandlung erneut vergeblich darum bemüht hatte, seine Bestellung zum Pflichtverteidiger zu erreichen, in den Zuschauerraum begeben und den Angeklagten damit – so das Protokoll der Hauptverhandlung – „verteidigungslos gestellt“. Damit war der Angeklagte während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung unverteidigt. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft war dieses Verhalten nicht ungehörig und führt erst recht nicht zu einer Rügeverwirkung. Die von der Generalstaatsanwaltschaft zitierte Entscheidung BGH NStZ 1998, 209 ist nicht einschlägig. Im vorliegenden Fall hatte der Verteidiger bereits am 26. Juni 2012 seine Bestellung zum Pflichtverteidiger beantragt und gegen die unterbliebene Beiordnung am 7. August 2012 Beschwerde eingelegt, ohne dass das Amtsgericht dies zum Anlass genommen hat, die Sache der zuständigen Beschwerdekammer vorzulegen. Nachdem sein erneuter Vorstoß in der Hauptverhandlung doch noch beigeordnet zu werden, erfolglos geblieben war, war es keineswegs pflichtwidrig, die Verteidigung während eines Teils der Hauptverhandlung nicht fortzuführen, weil er andernfalls dem Angeklagten die Möglichkeit genommen hätte, die in der Nichtbeiordnung eines Pflichtverteidigers liegende Rechtsverletzung im Rechtsmittelzug geltend zu machen.“
Das Vorgehen muss man natürlich mit dem Mandanten besprechen, sonst guckt der sicherlich erstaunt, wenn der Verteidiger aufsteht und geht.