Das LG Stralsund hat einen angeklagten Rechtsanwalt wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB verurteilt. Das LG ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte eine Widerklage erhoben habe, obwohl er gewusst habe, dass diese keine Aussicht auf Erfolg gehabt und zudem nicht die Möglichkeit bestanden habe, im Falle des Obsiegens die geltend gemachte Forderung über den von einer Versicherung abgedeckten Betrag von 5.000.000 DM hinaus zu realisieren. Dem Angeklagten, dem gegenüber der Sparkasse, für die er tätig geworden sein. aufgrund seiner Stellung als weitgehend selbständig für diese tätiger Rechtsanwalt eine Vermögensfürsorgepflicht oblegen habe, sei es darum gegangen, durch die Erhebung der Widerklage Gebühreneinkünfte zu erzielen, auf die er in einer äußerst schwierigen finanziellen Situation dringend angewiesen gewesen sei.
Der BGH, Beschl. v. 05.03.2013 – 3 StR 438/12 – hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben. Er hat allerdings grundsätzlich die Anwendung des sog. Treuebruchtatbestandes auf das anwaltiche Mandatsverhältnis bejaht.
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Rechtsprechung die zivilrechtlich als Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB einzuordnende Rechtsbeziehung zwischen einem mit der Führung eines bürgerlichen Rechtsstreits beauftragten Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber grundsätzlich als Rechtsverhältnis angesehen, das für den Rechtsanwalt Treuepflichten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB begründen kann. Sie hat jedoch ausdrücklich offen gelassen, ob dies immer der Fall ist und im Zusammenhang mit der Beauftragung des Rechtsanwalts zur Einziehung und Durchsetzung von Forderungen auf den Einzelfall abgestellt (BGH, Urteile vom 29. April 1960 – 4 StR 544/59, NJW 1960, 1629; vom 6. Februar 1961 – AnwSt (R) 3/60, BGHSt 15, 372; vom 11. November 1982 – 4 StR 406/82, NJW 1983, 461). Danach wurde eine strafbewehrte Pflicht zur Betreuung fremden Vermögens etwa unter der Voraussetzung angenommen, dass der Rechtsanwalt eine Geldforderung von beträchtlicher Höhe geltend zu machen hatte, er damit wegen seiner besonderen Sachkunde betraut war, es ihm überlassen war, wie er die Forderung durchsetzte, er an besondere Weisungen oder Beschränkungen nicht gebunden und zum Abschluss eines Vergleichs ermächtigt war (BGH, Urteil vom 11. November 1982 – 4 StR 406/82, NJW 1983, 461).“
Aufgehoben hat er das landgerichtliche Urteil, weil ihm die tatsächlichen Feststellungen nicht gereicht haben. Dazu u.a.:
„b) Nach diesen Maßstäben, von denen auch das Landgericht ausgeht, belegen die Feststellungen die Verletzung einer selbständigen Pflicht des Angeklagten, das Vermögen der S. zu betreuen, nicht.
Die Urteilsgründe teilen bereits Näheres zu Zustandekommen, Inhalt und Ausgestaltung des Mandatsverhältnisses zwischen dem Angeklagten und der S. nicht mit. Ihnen ist daher nicht zu entnehmen, dass dem Angeklagten die Entscheidung über das „ob“ und „wie“ der Widerklage zur selbstverantwortlichen Umsetzung nach eigener Beurteilung übertragen worden war. Eine derartige Selbständigkeit ergibt sich auch nicht aus ihrem Zusammenhang. Der fest-gestellte Kontext der Widerklageerhebung spricht im Gegenteil eher dagegen, dass der Angeklagte im Zusammenhang hiermit über einen Freiraum verfügte, der ausreichte, um eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB begründen zu können. So holte die S. vor Erhebung der Widerklage ein Gut-achten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein. Der Inhalt der Widerklage beruhte sodann nicht auf Vorgaben des Angeklagten, sondern folgte ganz weitgehend den dortigen Ausführungen. Hinzu kommt, dass die S. mit den Widerbeklagten während des erstinstanzlichen Zivilverfahrens über eine einver-ständliche Beendigung des Rechtsstreits verhandelte, ohne dass der Angeklagte hiervon überhaupt wusste und in die Vergleichsverhandlungen eingebunden war.
Trotzdem Vorsicht!