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BGH zur Streupflicht, oder: Der nächste Winter kommt bestimmt….

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Nun, das ist dann mal die richtige Entscheidung für einen Samstag im Juni :-). Das BGH, Urt. v. 14.02.2017 – VI ZR 254/16 -, in dem der BGH zur Streupflicht bei Schnee oder Glattein Stellung genommen hat. Also winterlicher Sachverhalt im Sommer. Aber: Im „Kessel Buntes“ geht das und der nächste Winter kommt ja bestimmt.

Ergangen ist das Urteil in einem Verfahren, in dem die Klägerin als Arbeitgeberin einer auf ei­nem Gehweg ver­un­glück­ten Arbeitnehmerin aus über­ge­gan­ge­nem Recht nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz Schadensersatz we­gen Verdienstausfalls von den Beklagten verlangt. Die Klägering geht davon aus, dass ihre Arbeitnehmerin an ei­nem Werktag im Januar 2013 ge­gen 7:20 Uhr auf dem Gehweg in Höhe des Hausgrundstücks der Beklagten in ei­ner Ortschaft ge­stürzt ist und hat si­ch ver­letzt. Auf dem Gehweg be­fand si­ch zu die­sem Zeitpunkt ei­ne ca. 1 m² gro­ße Glatteisfläche, wel­che dem Beklagten beim Gassiführen sei­nes Hundes ha­be auf­fal­len müs­sen.

Die Klage ist dann letztlich insgesamt abgewiesen worden. Der BGH stellt seiner Entscheidung folgende Leitsätze voran:

1. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen Verstoßes gegen winterliche Räum- und Streupflichten setzt entweder das Vorliegen einerallgemeinen Glätte voraus oder das Vorliegen von erkennbaren Anhaltspunkten für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen.

2. Eine Gemeindesatzung über den Straßenreinigungs- und Winterdienst muss nach dem Grundsatz gesetzeskonformer Auslegung regelmäßig so verstanden werden, dass keine Leistungspflichten begründet werden, die über die Grenze der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten hinausgehen.“
Bis es darauf wieder ankommt, ist ja noch ein wenig Zeit.

Tä-tä-tä-tä-tät-tä, oder: Wenn es auf der Karnevalsveranstaltung zu laut ist………

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So, heute beginnt im Rheinland die heiße Zeit der 5. Jahreszeit – der Karneval, oder – wie der Kölner (hoffentlich) sagt: Fastelovend. Ich habe damit nicht (mehr) so ganz viel im Sinn und bin geflüchtet, so wie viele andere auch, und zwar nach Borkum. Aber: Um den „Weiberfastnachtstag“ gebührend zu feiern 🙂 , habe ich für den heutigen Tag dann nach Entscheidungen mit karnevalistischem Einschlag gesucht. Und ich habe auch drei gefunden, die meinen Themenkreisen in etwa entsprechen.

Ich eröffne die Sitzung dann mit dem AG Meschede, Urt. v. 13.05.2015 – 6 C 411/13. Es geht um eine Verkehrssicherungsverletzung – nein, nicht schon wieder die Kamellen beim Rosenmontagszug -, und zwar um Hörschaden eines Besuchers einer Karnevalsveranstaltung in einer Schützenhalle. Die Kläger haben geltend gemacht, dass sie die Karnevalsveranstaltung des Beklagten besucht hätten. Die Musik bei der Karnevalsveranstaltung sei (aber) zu laut gewesen und es habe Rückkopplungsgeräusche gegeben. Der Beklagte habe die Vorgaben der DIN 15905 Teil 5 nicht eingehalten. Der zulässige Dauerschallpegel sei deutlich überschritten worden. Durch die laute Musik hätten sie jeweils einen – auch dauerhaften – Hörschaden erlitten. Und dafür haben sie Schadensersatz verlangt und auch erhalten. dazu Die Leitsätze der Entscheidung:

1. Der Veranstalter einer Karnevalsveranstaltung hat durch fortlaufende Messungen und Aufzeichnungen der Schallpegel und der Lärmdosis sicherzustellen, dass bei der Nutzung der Musikanlage keine gesundheitsschädlichen Frequenzen für die Besucher erreicht werden.

2. Als Maßstab für die Beurteilung, welche Verpflichtungen für den Veranstalter einer Karnevalsveranstaltung in einer Schützenhalle zum Schutz der Besucher vor übermäßiger und gesundheitsgefährdender Lautstärke durch die bei der Veranstaltung abgespielte Musik bestehen, ist die DIN 15905 Teil 5 (Fassung November 2007) heranzuziehen.

3. Bei einem im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer Karnevalsveranstaltung erlittenen Hörschaden spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Hörschaden für den Fall, dass der Veranstalter der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht nachgekommen wäre – und die Messungen der Schallpegel vorgenommen hätte – , vermieden worden wäre.

Schmerzensgeld hat es dann in unterschiedlicher Höhe gegeben.

Ich frage mich bei solchen Geschichten immer: Warum bleibt man da nicht weg oder geht, wenn es zu laut ist/wird. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.

Glatteis, oder: Wann muss außerorts gestreut werden?

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Passend zur Jahreszeit dann der Hinweis auf das OLG Hamm, Urt. v. 12.08.2016 – 11 U 121/15, das noch einmal zur Streupflicht betreffend außerörtliche Straße Stellung nimmt und feststellt: Auf öffentlichen Kreisstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften muss der Verkehrssicherungspflichtige nur an besonders gefährlichen Stellen streuen, um der Gefahr einer Glatteisbildung vorzubeugen. Besonders gefährlich sind nur solche Straßenabschnitte, auf denen ein Verkehrsteilnehmer bei der für Fahrten auf winterlichen Straßen zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und erhöhter Sorgfalt den glatten Zustand der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deswegen die Gefahr nicht meistern kann.

Also: Augen auf und immer darauf achten, ob man Stellen passiert, an denen man mit Schnee und Eis rechnen muss.

Verkehrssicherungspflicht, oder: Wie breit muss die Einfahrt in ein Parkhaus sein??

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a ja auch in dieser Woche der Samstag als „Quasifeiertag“ nicht für den „Kessel Buntes“ zur Verfügung steht, weiche ich mit zivilrechtlichen Beiträgen zum Verkehrsrecht auf einen Wochentag aus. Und das ist dann der heutige Donnerstag mit zunächst dem LG Saarbrücken, Urt. v. 16.09.2016, 13 S 73/16. Es geht um Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch eine ungenügende Breite der Einfahrt zu einem Parkhaus. Vom LG wird eine Schadensersatzpflicht verneint:

„Allerdings fällt der Beklagten keine Verletzung der für das Parkhaus bestehenden Verkehrssicherungspflicht zur Last (§ 823 Abs. 1 BGB).
…..

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte nicht bejahen.

aa) Soweit der Kläger sich darauf beruft, die Breite der Zufahrt zum Parkhaus entspreche nicht der Mindestbreite nach den Vorschriften der saarländischen Garagenverordnung (GarVO) in der derzeit geltenden Fassung, verkennt er, dass das Parkhaus – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – im Zeitpunkt seiner Errichtung den damaligen bau- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprach und insoweit rechtlichen Bestandsschutz genießt. Insoweit bestehen bereits Bedenken dagegen, ob hierauf eine Pflichtverletzung der Beklagten gestützt werden kann, zumal zweifelhaft ist, ob die Regelungen der GarVO überhaupt drittschützende Wirkung entfalten (dies verneinend VG Ansbach, Beschluss vom 06.06.2011 – AN 9 K 11.01011, AN 9 S 11.01003, juris für die entsprechende Vorschrift der bayerischen Garagenstellplatzverordnung).

bb) Dies bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung. Denn eine aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht folgende Handlungspflicht (Umbau- oder Nachrüstpflicht, Hinweispflicht) hätte für die Beklagte nur dann bestanden, wenn die Einfahrt zum Parkhaus in ihrem derzeitigen baulichen Zustand mit einer besonderen Gefahr für die Nutzer des Parkhauses verbunden wäre und die Beklagte diese besondere Gefahr erkannt hätte oder bei gehöriger Anstrengung hätte erkennen können (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2010 – VI ZR 223/09, NJW 2010, 1967; OLG Frankfurt, VersR 2002, 249 mit Nichtannahmebeschluss BGH, Beschluss vom 26.06.2001 – VI ZR 393/00; OLG Frankfurt, NJW-RR 2013, 973; OLG Naumburg, MDR 2006, 152; Lange/Schmidbauer in: jurisPK/BGB, 6. Aufl., § 823 Rn. 87; vgl. auch OLG München, VersR 2009, 648, 649). Davon kann indes nicht ausgegangen werden. Zum einen hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, das streitgegenständliche Ereignis sei das erste dieser Art gewesen, das seit Bestehen des Parkhauses bekannt geworden sei. Zum anderen ist das Befahren der Einfahrt zum Parkhaus in der derzeitigen Breite von jedenfalls 2,55 m (gegenüber 3,00 m Mindestbreite nach § 2 Abs. 3 GarVO in der aktuellen Fassung) mit keiner solchen Gefahr für die Nutzer des Parkhauses verbunden, dass für die Beklagte Veranlassung bestanden hätte, gefahrvermeidende Maßnahmen zu ergreifen. Dies gilt insbesondere, weil die auf dem Markt befindlichen Fahrzeugmodelle selbst mit Außenspiegel Breiten aufweisen, mit denen das Befahren der Parkhauseinfahrt im derzeitigen baulichen Zustand ohne weiteres möglich ist (so z.B. für einen Audi A 6: 2,09 m bei einer bestehenden Breite von jedenfalls 2,55 m; vgl. hierzu die Tabelle des ADAC zur Breite der gängigsten Fahrzeugmodelle, abrufbar über https://www.adac.de/_mmm/pdf/920_Fahrzeugbreiten_1_211035.pdf). Dass von der Einfahrt zum Parkhaus in ihrer derzeitigen Breite keine besondere Gefahr für die Nutzer von Großgaragen besteht, folgt nicht zuletzt daraus, dass in anderen Bundesländern Mindestbreiten für ausreichend gehalten werden, die nur geringfügig über der derzeitigen Breite der Einfahrt liegen (vgl. etwa § 2 baden-württembergische GaVO und § 2 bayerische Garagen- und Stellplatzverordnung: jeweils 2,75 m).“

Teure Rutschpartie, oder: Rutschendes Motorrad – Land haftet

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Zu Beginn der „Motorradsaison“ weise ich hin auf das OLG Hamm, Urt. v. 18.12.2015 – 11 U 166/14. In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte ein Motorradfahrer das Land NRW wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen. Die Klägring war im Sommer 2012 mit ihrem Motorrad gefahren und bei regennasser Fahrbahn auf einen Landstraße gestürz. Schaden am Motorrad: Rund 2.100 €. Den hat die Klägerin vom Land NRW aus dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung ersetzt verlangt und behauptet, sie sei gestürzt, weil die Fahrbahnoberfläche im Bereich der Unfallstelle nicht griffig genug gewesen sei.,

Beim OLG hatte sie dann überwiegend Erfolg. Dieses hat unter Berücksichtigung der anzurechnenden Betriebsgefahr des Motorrades 75% – Schadensersatz zugesprochen. Begründudng:

Das Land NRW habe die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Im Bereich der Unfallstelle sei der Fahrbahnbelag nämlich mindestens schon seit dem Jahre 2008 nicht griffig genug gewesen. Deswegen sei nicht mehr gewährleistet gewesen, dass auch ordnungsgemäß fahrende Motorradfahrer den Streckenabschnitt bei Nässe gefahrlos passieren könnten. Die fehlende Griffigkeit sei 2008 im Rahmen einer Straßenzustandserhebung festgestellt und dem Landesbetrieb Straßenbau spätestens im Jahre 2010 bekannt gewesen. Das Land sei gehalten gewesen, im Bereich der Unfallstelle durch eine Beschilderung auf die bei Nässe bestehende Schleuder- und Rutschgefahr hinzuweisen und die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei Nässe auf maximal 30 km/h zu begrenzen. Diese Beschilderung sei vorwerfbar unterblieben. Bereits deswegen hafte das Land. Ob das Land darüber hinaus auch gehalten gewesen wäre, den betreffenden Fahrbahnabschnitt baulich zu sanieren, hat das OLG dahinstehen lassen.

Also: Teure Rutschpartie…

P.S. Bild passt zum Entscheidungsdatum 🙂