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Der Mist mit dem Mist, oder: Wenn der „Scheibenschwammwascher“ die Motorhauber zerkratzt

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Urheber joho345

Im „Kessel Buntes“ heute dann zunächst das LG Coburg, Urt. v. 15.03.2019 – 33 S 70/18. Ich mache es mir dazu aber mal einfach und greife auf die Pressemitteilung des LG Coburg Nr. 6/2019 v. 28.06.2019 zurück. Ist so warm 🙂 .

Behandelt wird im Urteil die Verkehrssicherungspflicht eines Tankstellenbetreibers. Dazu heißt es in der PM:

„Das LG Coburg hat entschieden, dass ein Autobesitzer keinen Schadensersatz vom Betreiber einer Tankstelle wegen einer zerkratzten Motorhaube verlangen kann, wenn er vor Benutzung der Waschanlage einen zur Scheibenreinigung bereitgestellten Schwammwischer zweckentfremdet zur Reinigung der Motorhaube einsetzt.

Der Kläger wollte sein Auto an der Tankstelle des Beklagten waschen. Vor Benutzung der Waschanlage entfernte er Vogelkot auf der Motorhaube seines Pkw. Hierzu benutzte er den vom Tankstellenbetreiber in einem Wassereimer zur Scheibenreinigung bereitgestellten Schwammreiniger. Am Ende blieb jedoch kein sauberes Auto zurück, sondern eine verkratzte Motorhaube. Hierfür verlangte der Kläger nun Schadensersatz und die Kosten für seinen Rechtsanwalt, insgesamt knapp 1.000 Euro. Der Kläger behauptete, der Schwamm des Wischers habe sich von der Metallhalterung gelöst und hierdurch die Kratzspuren verursacht. Der beklagte Tankstellenbetreiber habe diesen mangelhaften Wischer bereitgestellt und müsse deshalb auch für den Schaden aufkommen. Der Beklagte verwies u.a. darauf, dass der Schwammwischer zum Reinigen der Windschutzscheibe dienen sollte und vom Kläger zweckentfremdet worden war.

Das AG Coburg hat die Klage nach der Vernehmung einer Zeugin und der Anhörung eines Sachverständigen abgewiesen. Danach traf den Kläger an seinem Schaden jedenfalls ein so großes Mitverschulden, dass er im Ergebnis vom Beklagten keinen Schadensersatz verlangen kann. In seiner Begründung verwies das Amtsgericht den Kläger zunächst auf das – gegen Einwurf einer Münze von 50 Cent – eigens zum Entfernen von festen Verschmutzungen an der Einfahrt zur Waschanlage aufgestellte Sprühsystem. Weiter war es nach den Angaben der Parteien so, dass sich der Schwamm offensichtlich schon deutlich erkennbar aus der Metallschiene gelöst hatte, bevor der Kläger ihn benutzte. Der Sachverständige hatte schließlich weiter bestätigt, dass der Kläger den Wischer nicht nur zweckentfremdet zur Reinigung der Motorhaube eingesetzt hatte, sondern diesen außerdem noch in einem völlig unüblichen Winkel von 45° mit einigem Druck immer wieder über die Motorhaube gezogen haben musste. Wenn der Kläger den Schwamm wie vorgesehen flach über die Motorhaube geführt hätte, wäre es zu den Kratzern gar nicht erst gekommen. Der Kläger legte Berufung ein und behauptete vor dem Landgericht, der Schwamm sei anfangs noch intakt gewesen und habe sich erst beim Wischen völlig überraschend von der Metallschiene gelöst. Der Kläger habe den Schwamm außerdem nur waagerecht auf die Motorhaube aufgesetzt und nicht in Winkelstellung.

Das LG Coburg hat die Berufung zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Landgerichts lag eine Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht vor und der Kläger hat den Schaden allein zu verantworten. Wenn schon nach seinem eigenen Vortrag der Wischer zunächst in einem optisch einwandfreien Zustand war und sich erst während der Benutzung durch den Kläger von der Metallschiene gelöst habe, scheide eine Pflichtverletzung des Tankstellenbetreibers aus. Dieser war im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht zwar gehalten, den Wischer regelmäßig zu kontrollieren, zu mehr als einer Sichtprüfung jedoch nicht verpflichtet.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Sturz in geöffnete Bodenluke im Klamottenladen, oder: Verkehrssicherungspflicht verletzt?

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Heute am Samstag dann mal wieder zivilrechtliche Entscheidungen zum Verkehrsrecht, und zwar zunächst das OLG Hamm, Urt. v. 19.01.2018 – 9 U 86/17. Nun ja, das behandelt nicht direkt eine verkehrsrechtliche Fragestellung, aber es hat mit der Verkehrssicherungspflicht zu tun. Passt also auch in diesen Kontext 🙂 .

Es geht um die Verkehrssicherungspflicht in einem Bekleidungsgeschäft. Geklagte hat die gesetzliche Krankenkasse einer am 31.03.2014 in dem von der Beklagten betriebenen Modehaus zu Fall gekommenen Zeugin U aus übergegangenem Recht auf Erstattung der unfallbedingt getätigten Aufwendungen. Die Zeugin U war an diesem Tag durch eine in dem Ladenlokal befindliche geöffnete Luke, die zu diesem Zeitpunkt nicht von der dafür abgestellten Verkäuferin bewacht wurde, in den darunter liegenden Bügelkeller gefallen. Das OLG geht – ebenso wie das LG – von einer Haftung der Beklagten aus, lehnt aber – nach Beweisaufnahme – ein Mitverschulden der Zeugin, das das LG mit 30 % angenommen hatte, ab:

„Der Senat vermochte nach Wiederholung der erstinstanzlich bereits durchgeführten Vernehmung der Zeugin U sowie Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten ein – von der Beklagten zu beweisendes – Mitverschulden der Zeugin U an der Entstehung des Unfalls nicht festzustellen. Nach Auffassung des Senats hat das Landgericht bei seiner Beurteilung der Unfallsituation nicht hinreichend gewürdigt, dass sich der Unfall in einem Ladenlokal ereignet hat, in welchem die Aufmerksamkeit der Kunden zielgerichtet durch die auf den Kleiderständern angebotenen Waren, Preisschilder und sonstige Hinweisschilder in Anspruch genommen und somit auch von anderen Dingen abgelenkt wird.

In einem Bekleidunggeschäft muss der Kunde allenfalls mit herabgefallenen Kleidungsstücken rechnen, nicht jedoch mit einer geöffneten Bodenluke. Eine solche Luke ist angesichts der besagten vielfältigen Ablenkungen und der Erwartungshaltung der Kunden während des Publikumsverkehrs eine so überraschende Gefahrenquelle, dass sie an sich nur außerhalb der Geschäftszeiten eröffnet werden darf. Dementsprechend hat auch der Geschäftsführer der Beklagten sich vor dem Senat dahingehend geäußert, die Luke werde üblicherweise nicht während des Publikumsverkehrs geöffnet.

Darüberhinaus lassen sich die exakten Sichtverhältnisse der Zeugin U bei Annäherung an besagten Schacht nicht mehr exakt rekonstruieren.

Bei dieser Sachlage vermag der Senat selbst in einer kurzen Ablenkung der Zeugin U durch das rechts von ihr stattfindende Gespräch ein Mitverschulden nicht zu erkennen.

Ein solches hätte jedenfalls hinter der gravierenden Verkehrssicherungspflichtverletzung, welche die Beklagte zu vertreten hat, vollständig zurückzutreten.“

Aus der PM des OLG Hamm zu dieser Entscheidung ergibt sich etwas mehr Sachverhalt. Da heißt es nämlich:

„Eine während der Geschäftszeiten im Kundenbereich eines Bekleidungsgeschäfts geöffnete Fußbodenluke mit den Maßen 2,11 m x 0,8 m stellt eine überraschende Gefahrenquelle dar, auf die sich ein Kunde nicht einstellen muss, so dass ihm bei einem Sturz in den Schacht unter der Luke 100 % Schadenersatz zustehen kann. Unter Hinweis hierauf hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19.01.2018 das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12.04.2017 (Az. 4 O 21/15 LG Bielefeld) überwiegend abgeändert.

Das beklagte Modehaus aus Bielefeld wird nach der Verletzung einer Kundin in seinen Geschäftsräumen von der klagenden Krankenkasse aus Dortmund – aus übergegangenem Recht – auf Ersatz aufgewandter Behandlungskosten in Anspruch genommen. Die seinerzeit 66 Jahre alte Kundin, Kassenmitglied der Klägerin, begab sich im März 2014 in das Modehaus, um einen Pullover für ihre Tochter zu erwerben. Im Gang zur Kasse befand sich ein Schacht im Boden mit den Maßen 2,11 m x 0,8 m, der in den darunter gelegenen Bügelkeller führte. Dessen Abdeckung stand offen. Weil sie zur Seite sah, wo sich eine Verkäuferin mit dem Geschäftsinhaber unterhielt, übersah die Kundin die offene Luke und stürzte in den Schacht. Sie erlitt diverse Verletzungen an Schulter, Oberarm, Sprunggelenk und Fuß, unter anderem eine Oberarmfraktur und eine Fraktur des Innenknöchels.“

Trotzdem: Augen auf und nicht neugierig sein, was nebenan gequatscht wird 🙂

BGH zur Streupflicht, oder: Der nächste Winter kommt bestimmt….

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Nun, das ist dann mal die richtige Entscheidung für einen Samstag im Juni :-). Das BGH, Urt. v. 14.02.2017 – VI ZR 254/16 -, in dem der BGH zur Streupflicht bei Schnee oder Glattein Stellung genommen hat. Also winterlicher Sachverhalt im Sommer. Aber: Im „Kessel Buntes“ geht das und der nächste Winter kommt ja bestimmt.

Ergangen ist das Urteil in einem Verfahren, in dem die Klägerin als Arbeitgeberin einer auf ei­nem Gehweg ver­un­glück­ten Arbeitnehmerin aus über­ge­gan­ge­nem Recht nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz Schadensersatz we­gen Verdienstausfalls von den Beklagten verlangt. Die Klägering geht davon aus, dass ihre Arbeitnehmerin an ei­nem Werktag im Januar 2013 ge­gen 7:20 Uhr auf dem Gehweg in Höhe des Hausgrundstücks der Beklagten in ei­ner Ortschaft ge­stürzt ist und hat si­ch ver­letzt. Auf dem Gehweg be­fand si­ch zu die­sem Zeitpunkt ei­ne ca. 1 m² gro­ße Glatteisfläche, wel­che dem Beklagten beim Gassiführen sei­nes Hundes ha­be auf­fal­len müs­sen.

Die Klage ist dann letztlich insgesamt abgewiesen worden. Der BGH stellt seiner Entscheidung folgende Leitsätze voran:

1. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen Verstoßes gegen winterliche Räum- und Streupflichten setzt entweder das Vorliegen einerallgemeinen Glätte voraus oder das Vorliegen von erkennbaren Anhaltspunkten für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen.

2. Eine Gemeindesatzung über den Straßenreinigungs- und Winterdienst muss nach dem Grundsatz gesetzeskonformer Auslegung regelmäßig so verstanden werden, dass keine Leistungspflichten begründet werden, die über die Grenze der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten hinausgehen.“
Bis es darauf wieder ankommt, ist ja noch ein wenig Zeit.

Tä-tä-tä-tä-tät-tä, oder: Wenn es auf der Karnevalsveranstaltung zu laut ist………

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So, heute beginnt im Rheinland die heiße Zeit der 5. Jahreszeit – der Karneval, oder – wie der Kölner (hoffentlich) sagt: Fastelovend. Ich habe damit nicht (mehr) so ganz viel im Sinn und bin geflüchtet, so wie viele andere auch, und zwar nach Borkum. Aber: Um den „Weiberfastnachtstag“ gebührend zu feiern 🙂 , habe ich für den heutigen Tag dann nach Entscheidungen mit karnevalistischem Einschlag gesucht. Und ich habe auch drei gefunden, die meinen Themenkreisen in etwa entsprechen.

Ich eröffne die Sitzung dann mit dem AG Meschede, Urt. v. 13.05.2015 – 6 C 411/13. Es geht um eine Verkehrssicherungsverletzung – nein, nicht schon wieder die Kamellen beim Rosenmontagszug -, und zwar um Hörschaden eines Besuchers einer Karnevalsveranstaltung in einer Schützenhalle. Die Kläger haben geltend gemacht, dass sie die Karnevalsveranstaltung des Beklagten besucht hätten. Die Musik bei der Karnevalsveranstaltung sei (aber) zu laut gewesen und es habe Rückkopplungsgeräusche gegeben. Der Beklagte habe die Vorgaben der DIN 15905 Teil 5 nicht eingehalten. Der zulässige Dauerschallpegel sei deutlich überschritten worden. Durch die laute Musik hätten sie jeweils einen – auch dauerhaften – Hörschaden erlitten. Und dafür haben sie Schadensersatz verlangt und auch erhalten. dazu Die Leitsätze der Entscheidung:

1. Der Veranstalter einer Karnevalsveranstaltung hat durch fortlaufende Messungen und Aufzeichnungen der Schallpegel und der Lärmdosis sicherzustellen, dass bei der Nutzung der Musikanlage keine gesundheitsschädlichen Frequenzen für die Besucher erreicht werden.

2. Als Maßstab für die Beurteilung, welche Verpflichtungen für den Veranstalter einer Karnevalsveranstaltung in einer Schützenhalle zum Schutz der Besucher vor übermäßiger und gesundheitsgefährdender Lautstärke durch die bei der Veranstaltung abgespielte Musik bestehen, ist die DIN 15905 Teil 5 (Fassung November 2007) heranzuziehen.

3. Bei einem im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer Karnevalsveranstaltung erlittenen Hörschaden spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Hörschaden für den Fall, dass der Veranstalter der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht nachgekommen wäre – und die Messungen der Schallpegel vorgenommen hätte – , vermieden worden wäre.

Schmerzensgeld hat es dann in unterschiedlicher Höhe gegeben.

Ich frage mich bei solchen Geschichten immer: Warum bleibt man da nicht weg oder geht, wenn es zu laut ist/wird. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.

Glatteis, oder: Wann muss außerorts gestreut werden?

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Passend zur Jahreszeit dann der Hinweis auf das OLG Hamm, Urt. v. 12.08.2016 – 11 U 121/15, das noch einmal zur Streupflicht betreffend außerörtliche Straße Stellung nimmt und feststellt: Auf öffentlichen Kreisstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften muss der Verkehrssicherungspflichtige nur an besonders gefährlichen Stellen streuen, um der Gefahr einer Glatteisbildung vorzubeugen. Besonders gefährlich sind nur solche Straßenabschnitte, auf denen ein Verkehrsteilnehmer bei der für Fahrten auf winterlichen Straßen zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und erhöhter Sorgfalt den glatten Zustand der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deswegen die Gefahr nicht meistern kann.

Also: Augen auf und immer darauf achten, ob man Stellen passiert, an denen man mit Schnee und Eis rechnen muss.