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Haft III: Beschleunigungsgrundsatz, oder: Begründung der Verfassungsbeschwerde

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Und die dritte und letzte Entscheidung des Tages ist dann eine verfassungsrechtliche, nämlich der VerfGH Sachsen, Beschl. v. 07.01.2021 – Vf. 183-IV-20.

Er behandelt den Beschleunigungsgrundsatz, aber nicht materiell, sondern „formell“, nämlich im Hinblick auf die Anforderungen an eine Verfassungsbeschwerde, mit der eine Verletzung des Grundsatzes gerügt wird. Dazu führt der VerfGH aus:

„…..

b) Verfassungsrechtlich bedeutsame Begründungsmängel der angegriffenen Entscheidung werden vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt.

Ob sich das Oberlandesgericht – wie in der Beschwerdeschrift ausgeführt wird – mit dem Vortrag und der Argumentation der Verfahrensbevollmächtigten zur Notwendigkeit und zum zeitlichen Aufwand einer Kenntnisnahme sowie zur potentiellen Verfahrensrelevanz der aufgezeichneten, bislang aber nicht verschriftlichten Telefongespräche gar nicht, nur unzureichend oder inhaltlich fehlerhaft auseinandergesetzt hat, ist für die Frage einer möglichen Grundrechtsverletzung nicht erheblich. Denn das Gericht hat – ausgehend von dem zum Zeitpunkt seiner Entscheidung prognostizierten weiteren Verfahrensverlauf – unabhängig von der Frage der Verfahrensrelevanz und daher selbstständig tragend darauf abgestellt, dass der Verteidigung jedenfalls bis zur Fortführung der Beweisaufnahme an weiteren, neu zu strukturierenden Hauptverhandlungsterminen genügend Zeit zur Verfügung stünde, sich – unter antragsgemäß gewährter Hinzuziehung von Dolmetschern – näher mit sämtlichen Audiodateien zu befassen.

Sofern der Beschwerdeführer diesbezüglich rügt, das Gericht habe die prognostizierte Dauer für die Kenntnisnahme der Audiodateien nicht lediglich als „grobe Schätzung“ abtun dürfen, sondern konkret darlegen müssen, inwiefern es andere Umstände als die Verteidigung zugrunde gelegt habe, lässt er unberücksichtigt, dass das Gericht erkennbar einen zeitlich anders strukturierten – von der Vorstellung der Verfahrensbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren abweichenden – weiteren Gang der Beweisaufnahme unterstellte. Während die Verfahrensbevollmächtigte noch in der Stellungnahme vom 11. September 2020 davon ausgegangen war, dass die Zeit bis zum Fortsetzungstermin am 12. Oktober 2020 nicht ausreichen werde, die Dateien zu erfassen, nimmt das Oberlandesgericht im angegriffenen Beschluss vom 17. September 2020 die – zu diesem Zeitpunkt bereits absehbare – Notwendigkeit für die Kammer in den Blick, die Hauptverhandlung aufgrund der Erkrankung der Schöffin neu zu strukturieren und die beabsichtigte Beweiserhebung erst nach deren Genesung an weiteren Hauptverhandlungsterminen vorzunehmen. Dass das Oberlandesgericht verfassungsrechtlich gehalten gewesen wäre, ausgehend von dem damaligen Vortrag der Verfahrensbevollmächtigten auf den konkreten wöchentlichen Arbeitsaufwand einzugehen, welcher der Verteidigung für die Kenntnisnahme der Audiodateien mit dem Beschwerdeführer in der Justizvollzugsanstalt abverlangt werden könne, wird nicht hinreichend vorgetragen und ist angesichts der abweichenden Verfahrensdauer, die das Oberlandesgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, auch sonst nicht ersichtlich.

c) Auch im Hinblick auf die Verhandlungsdichte hat der Beschwerdeführer eine mögliche Verletzung des Freiheitsgrundrechts gerade durch das Oberlandesgericht nicht substantiiert dargetan.

Schon die Ausführungen des Beschwerdeführers zur einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr genügenden Planung der Hauptverhandlung durch das Landgericht bleiben zu pauschal. Angesichts der ausführlichen, sämtliche geplanten und durchgeführten Hauptverhandlungstermine konkret auflistenden Erwägungen des Landgerichts im Beschluss vom 30. Juli 2020, die auch das Oberlandesgericht im angegriffenen Beschluss in Bezug nimmt, hätte sich das Beschwerdevorbringen mit der Planung und Abstimmung konkreter Hauptverhandlungstermine für konkrete Zeiträume auseinandersetzen müssen, welche aus Sicht des Beschwerdeführers für unzureichend (zeitlich nicht weitgreifend genug oder zu spät abgestimmt) erachtet werden. Es bleibt schließlich unklar, warum das Oberlandesgericht in der angegriffenen Beschwerdeentscheidung Anlass gehabt haben sollte, an der Verfassungsgemäßheit einzelner Terminierungen und/oder der hierdurch geplanten Verhandlungsdichte, wie sie vom Landgericht im Einzelnen dargelegt wurden, zu zweifeln.“

Die Entscheidung des VerfGH Saarland, oder: VerfGH NRW zu den Anforderungen an eine zulässige Verfassungsbeschwerde

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Und dann als zweite Entscheidung noch einen Beschluss, der sich mit dem VerfGH-Urteil v. 05.07.2019 – Lv 7/17 – befasst. Das ist der VerfGH NRW, Beschl. v. 21.03.2020 – VerfGH 14/20. VB-1. „Befasst“, na ja, zumindest konkludent.

Es geht mal wieder um die Anwendung/Geltung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung. Das OLG Hamm hatte im OLG Hamm, Beschl. v. 21.01.2020 – III-5 RBs 2/20 den Antrag des Betroffefen – jetzt Beschwerdeführers auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen ein urteil des AG Bottrop, durch das er wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden war, verworfen. Dagegen die Verfassungsbeschwerde. Die ist wegen nicht ausreichender Begründung als unzulässig zurückgewiesen worden:“

„2. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht ausreichend begründet worden ist.

a) Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 VerfGHG bedarf die Verfassungsbeschwerde einer substantiierten Begründung, die sich nicht lediglich in der Nennung des verletzten Rechts und in der Bezeichnung der angegriffenen Maßnahme erschöpfen darf (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 14. Januar 2020 – VerfGH 54/19.VB-1, juris, Rn. 2 m. w. N.). Der Beschwerdeführer muss hinreichend substantiiert darlegen, dass die behauptete Verletzung eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts möglich ist (VerfGH NRW, Beschluss vom 14. Januar 2020 – VerfGH 44/19.VB-3, juris, Rn. 3 m. w. N.). Dabei hat die Begründung der Verfassungsbeschwerde dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Verfassungsgerichtshof kein „Superrevisionsgericht“ ist: Die Auslegung und Anwendung des maßgebenden einfachen Rechts sind nämlich grundsätzlich Aufgaben der zuständigen Fachgerichte. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen kommt regelmäßig erst dann in Betracht, wenn die angegriffene fachgerichtliche Entscheidung spezifisch verfassungsrechtliche Fehler erkennen lässt. Dementsprechend darf sich die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht in der Rüge eines Verstoßes gegen einfaches Recht erschöpfen, sondern sie muss die Möglichkeit aufzeigen, dass die angefochtene fachgerichtliche Entscheidung auf einer grundsätzlichen Verkennung des Gewährleistungsgehalts des  als verletzt gerügten Grundrechts beruht (VerfGH NRW, Beschluss vom 14. Januar 2020 – VerfGH 44/19.VB-3, juris, Rn. 4). Hierzu bedarf es insbesondere einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den Begründungen der angefochtenen Entscheidungen (VerfGH NRW, Beschluss vom 5. November 2019 – VerfGH 38/19.VB-2, juris, Rn. 5 m. w. N.).

b) Diesen Anforderungen wird die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.

aa) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, lässt die Verfassungsbeschwerdeschrift nicht erkennen, worin konkret diese Verletzung liegen soll. Den Dokumenten, die der Beschwerdeführer seiner Verfassungsbeschwerdeschrift als Anlagen beigefügt hat, lässt sich zwar entnehmen, dass er gegenüber dem Oberlandesgericht mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gerügt hat, das Amtsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Es ist indes nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, aufgrund einer bloßen Erwähnung eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts in der Verfassungsbeschwerdeschrift in den dieser Schrift beigefügten Anlagen nach möglichen Verletzungen dieses Rechts zu suchen.

bb) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG) rügt, hat er in seiner Verfassungsbeschwerdeschrift ebenfalls nicht dargelegt, worin die gerügte Grundrechtsverletzung liegen soll.

cc) Zu der gerügten Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren und effektive Verteidigung (Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) hat der Beschwerdeführer sinngemäß ausgeführt, das mit dem Geschwindigkeitsmessgerät „TraffiPhot S“ gewonnene Messergebnis hätte im fachgerichtlichen Verfahren nicht zu seinen Lasten verwertet werden dürfen, weil dieses Gerät nicht sämtliche „Rohmessdaten“ speichere und damit keine ausreichende Datengrundlage für eine nachträgliche Überprüfung des Messergebnisses zur Verfügung stelle. Er beruft sich insoweit auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5. Juli 2019  – Lv 7/17 (NJW 2019, 2456).

Es kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Verfassungsbeschwerde umfassend auf die mittlerweile zahlreichen kritischen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur zu dem genannten Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes hätte eingehen müssen. Er hätte sich aber jedenfalls hinreichend mit der in den im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen geübten Kritik an der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes auseinandersetzen müssen. Namentlich das Oberlandesgericht hat sich in dem hier angegriffenen Beschluss        – durch Bezugnahme auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in der Antragsschrift vom 20. Dezember 2019 und damit auf seinen eigenen Beschluss vom 25. November 2019 – 3 RBs 307/19 (veröffentlicht in juris) – dezidiert gegen die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes gewandt. Mit dieser Kritik hat sich der Beschwerdeführer nicht auseinandergesetzt. Er hätte insbesondere zu zwei wesentlichen Kritikpunkten des Oberlandesgerichts Stellung beziehen müssen:

Zum einen hat das Oberlandesgericht mit umfangreichen Ausführungen die Auffassung vertreten, der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes habe das Recht auf ein faires Verfahren in rechtlich bedenklicher Weise überdehnt (OLG Hamm, Beschluss vom 25. November 2019 – 3 RBs 307/19, juris, Rn. 12 ff.).

Zum anderen hat das Oberlandesgericht mit gewichtigen Argumenten dargelegt (OLG Hamm, Beschluss vom 25. November 2019 – 3 RBs 307/19, juris, Rn. 16), dass die – für den Umfang der dem Landesverfassungsgericht obliegenden Prüfung bedeutsame – Prämisse des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes unzutreffend sei, die vom Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelten bundesrechtlichen Grundsätze zum Einsatz standardisierter Messverfahren bei der Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten seien durchweg für Fälle entwickelt worden, in denen Rohmessdaten für den konkreten Messvorgang zur Verfügung gestanden hätten (so aber VerfGH SL, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17, NJW 2019, 2456 = juris, Rn. 80).“

BVerfG III: Vollzugslockerungen, oder: “ bloße pauschale Wertungen“ sind nicht erlaubt

Und als dritte und letzte BVerfG-Entscheidung dann der BVerfG, Beschl. v. 18.09.2019 – 2 BvR 1165/19, den ich der Homepage von HRRS entnommen habe. Es geht um Vollzugslockerungen und eine Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des OLG Hamm. Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Der Beschluss ist bie HRRS mit folgenden Leitsätzen des Bearbeiters eingestellt:

1. Eine Strafvollstreckungskammer verkennt Bedeutung und Tragweite des Resozialisierungsanspruchs des Strafgefangenen, wenn sie die Gewährung von Vollzugslockerungen erst dann für geboten erachtet, wenn der Gefangene Anzeichen einer drohenden haftbedingten Depravation aufweist. Dasselbe gilt, wenn das Gericht die Annahme einer Missbrauchs- und Fluchtgefahr ungeprüft von der Justizvollzugsanstalt übernimmt, obwohl es insoweit an aktuellen Erkenntnissen fehlt und die Anstalt überdies bereits die Überstellung des Gefangenen in den offenen Vollzug vorbereitet.

2. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf eine Resozialisierung des Gefangenen auszurichten. Besonders bei langjährig Inhaftierten ist es erforderlich, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und die Lebenstüchtigkeit des Betroffenen in Freiheit zu erhalten und zu festigen.

3. Die Versagung von Vollzugslockerungen nach mehrjährigem Freiheitsentzug berührt den grundrechtlich geschützten Resozialisierungsanspruch des Strafgefangenen. Sie darf nicht auf lediglich abstrakte Wertungen gestützt werden. Vielmehr sind im Rahmen einer Gesamtwürdigung konkrete Anhaltspunkte darzulegen, die geeignet sind, eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu begründen.

4. Bei langjährig Inhaftierten können auch ohne Bestehen einer konkreten Entlassungsperspektive zumindest Lockerungen in Form von Ausführungen verfassungsrechtlich geboten sein, bei denen die Justizvollzugsanstalt einer angenommenen Flucht- oder Missbrauchsgefahr durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen entgegenwirkt. Verfassungsrechtlich unzulässig ist dabei die Erwägung, bei entsprechenden Maßnahmen wie etwa einer verdeckten Fesselung entspreche die Ausführung nicht dem realen Erleben und verfehle ihren Zweck.

5. Die Versagungsgründe der Flucht- und Missbrauchsgefahr eröffnen der Vollzugsbehörde bei ihrer Prognoseentscheidung einen Beurteilungsspielraum. Gleichwohl haben die Vollstreckungsgerichte den Sachverhalt umfassend aufzuklären und dabei festzustellen, ob die Vollzugsbehörde eine hinreichende tatsächliche Grundlage für ihre Entscheidung geschaffen hat.

BVerfG I: Zeichner in der Hauptverhandlung, oder: Vor dem Gang nach Karlsruhe erst zum Zivilgericht

Heute dann mal ein Tag mit drei Entscheidungen des BVerfG.

Die erste hat ihren Ausgang in einer sitzungspolizeilichen Anordnung des Vorsitzenden einer Strafkammer eines LG. Dort war ein Strafverfahren wegen Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit Aufträgen seitens einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn anhängig. Der nicht öffentlich bekannte Beschwerdeführer ist einer der Angeklagten.

Das sich über mehrere Verhandlungstage erstreckende Strafverfahren war mehrfach Gegenstand der Presseberichterstattung, ohne dass in identifizierender Weise über die Angeklagten berichtet worden wäre. In der Sitzung vom 01.10.2019 erschien dann erstmals im Auftrag einer regionalen Tageszeitung eine Gerichtszeichnerin. Diese fertigte offenbar Zeichnungen von den Angeklagten, wogegen sich der Angeklagte mit einem Antrag  auf Erlass einer Anonymisierungsanordnung hinsichtlich etwaiger ihn identifizierender, im Gerichtssaal angefertigter Bildaufnahmen oder Zeichnungen stellte. Der Vorsitzende wies den Antrag zurück, soweit der Antrag die Verbreitung oder Veröffentlichung von Zeichnungen betraf. Eine Störung der Sitzung durch das Anfertigen von Zeichnungen sei nicht zu erkennen. Das Gericht sei auch nicht dazu berufen, zum Schutz der Privatsphäre des Angeklagten auf Inhalt und Umfang einer Presseberichterstattung einzuwirken. Die hiergegen gerichtete Beanstandung des Beschwerdeführers wies die Strafkammer mit ebenfalls angegriffenem Beschluss zurück.

Dagegen wendete sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde und beantragte zugleich, im Wege der einstweiligen Anordnung für die weiteren Verhandlungstage eine Anonymisierung hinsichtlich von ihm im Gerichtssaal angefertigter Zeichnungen zu verfügen. Er rügte eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG durch mangelnden Schutz seitens des Strafgerichts. Im Fall der Veröffentlichung einer ihn identifizierenden Zeichnung drohe ihm eine Vorverurteilung und damit ein nicht hinnehmbarer Persönlichkeitsschaden.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde im BVerfG, Beschl. v. 10.10.2019 – 2 BvR 2276/19 – nicht zur Entscheidung angenommen.

„Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist. Die Verfassungsbeschwerde wird dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht gerecht (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

Nach dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität war der Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde gehalten, sich auch anderer zur Erreichung seines Anliegens geeigneter, zumutbarer und möglicherweise erfolgversprechender rechtlicher Schritte zu bedienen.

Dem ist der Beschwerdeführer nicht gerecht geworden. Hier wäre es dem Beschwerdeführer, soweit aus dem Vortrag ersichtlich, möglich gewesen und weiterhin möglich, gegenüber einer sich konkret abzeichnenden Verbreitung oder Veröffentlichung ihn identifizierender Zeichnungen – auch einstweiligen – Rechtsschutz vor den Zivilgerichten zu suchen. Der Beschwerdeführer hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass ihm dieser grundsätzlich gangbare Weg vorliegend versperrt oder unzumutbar sei. Insbesondere gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Zivilgerichte ein solches Rechtsschutzbegehren wegen eines Hineinwirkens in den laufenden Strafprozess zurückgewiesen hätten oder zurückweisen müssten. Denn das sachliche Anliegen des Beschwerdeführers – der Schutz seiner Persönlichkeitsrechte gegenüber der Verbreitung und Veröffentlichung ihn identifizierender Zeichnungen – ist auch ohne ein Hineinwirken in den Strafprozess erreichbar, nämlich durch das Verbot der Verbreitung oder Veröffentlichung solcher Zeichnungen. In der Sache handelt es sich daher um ein Begehren, das vor den Zivilgerichten als Unterlassungsbegehren verfolgbar wäre.

Es kommt daher nicht darauf an, ob vorliegend eine mit identifizierenden Zeichnungen des Beschwerdeführers bebilderte Berichterstattung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig wäre. Ebenso kann offenbleiben, ob sich die vom Bundesverfassungsgericht im Grundsatz gebilligte Möglichkeit der Strafgerichte, Anonymisierungsanordnungen zum Schutz von Persönlichkeitsrechten zu treffen, auch auf identifizierende Zeichnungen erstreckt oder auf den Bereich von Video- oder Fotoaufnahmen beschränkt ist.“

Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde, oder: Keine Gegenstandsfestsetzung

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Und die zweite Gebührenentscheidung kommt heute vom BVerfG. Ja, auch die machen da manchmal Gebühren 🙂 . Es geht um die Festsetzung einer Gegenstandswertes. Dazu sagt der BVerfG, Beschl. v. 14.01.20191 BvR 3165/15:

„Der Antrag, welcher als Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu verstehen ist, ist unzulässig. Für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren ist hier der gesetzliche Mindestwert nach § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Höhe von 5.000 € maßgebend. Für die Festsetzung eines darüber hinausgehenden Wertes ist ein Rechtsschutzbedürfnis weder dargetan noch erkennbar.

Wird eine Verfassungsbeschwerde wie hier nicht zur Entscheidung angenommen, über sie also nicht inhaltlich befunden, ist es im Regelfall nicht gerechtfertigt, über den gesetzlichen Mindestwert hinauszugehen. In diesen Fällen besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Festsetzung des Gegenstandswertes (vgl. BVerfGE 79, 365 <369>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 28. Juli 2016 – 1 BvR 443/16 -, juris, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. April 2008 – 1 BvR 206/08 -, juris, Rn. 7). Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Regel abzuweichen.“

Hat man ja nun nicht jeden Tag mit zu tun, ist aber ganz gut zu wissen.