Das Besondere an dieser Entscheidung: Das OLG nimmt in einem Zivilrechtsstreit zum Begriff des „Rennens“ Stellung, der ja inzwischen auch im Strafverfahren in Zusammenhang mit § 315d StGB eine große Rolle spielt.
Es geht um folgendes (Verkehrs)Geschehen: Der Kläger fuhr mit seinem Porsche in dem Bereich einer Landstraße, in dem die Geschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt war. Hinter ihm fuhr ein Audi R8. Der fuhr so nah auf, dass sich der Kläger von ihm bedrängt fühlte. Der Kläger hat dann seinen Porsche auf 140km/h beschleunigt. Der Audi hat seine Geschwindigkeit nicht erhöht, so dass sich der Abstand der beiden Fahrzeuge vergrößerte. In einer Kurve verlor der Kläger die Kontrolle über seinn Porsche und stieß mit einem entgegenkommenden Pkw zusammen.
Der Kläger hat gegen seinen Vollkaskoversicherer Ansprüche geltend gemacht. Das LG hat der Klage stattgegeben, das OLG hat die Berufung verworfen und dabei auch zum geltend gemachten „Risikoausschluss“ Stellung genommen:
“ Die Beklagte kann sich nicht auf einen Risikoausschluss nach den AKB berufen, weil die Voraussetzungen eines solchen nicht bewiesen sind. Nach § 286 I 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine – ohnehin nicht erreichbare- absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit (vgl. RGZ 15, 338 [339]; BGH NJW 1998, 2969 [2971]; BAGE 85, 140; Senat NZV 2006, 261, st. Rspr., zuletzt etwa NJW 2011, 396 [397] und NJW-RR 2014, 601; KG NJW-RR 2010, 1113) und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen intersubjektiv vermittelten (vgl. § 286 I 2 ZPO), für das praktische Leben brauchbaren Grad von (persönlicher) Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grdl. BGHZ 53, 245 [256] – Anastasia, st. Rspr., zuletzt etwa NJW 2014, 71 [72] und VersR 2014, 632 f.; BAGE 85, 140; OLG Frankfurt a. M. zfs 2008, 264 [265]; Senat VersR 2004, 124; NZV 2006, 261; NJW 2011, 396 [397]; SP 2012, 111; LG Leipzig NZV 2012, 329 [331]), was auch für innere Vorgänge gilt (BGH NJW-RR 2004, 247; BayObLG SeuffArch 56 [1901] 110 f. [Nr. 63]).
Zum Risikoausschluss, weil eine Rennveranstaltung vorgelegen habe:
a) Maßgebliches Merkmal eines Rennens ist die Erzielung einer „Höchstgeschwindigkeit“ (BGH NJW 2003, 2018). Insoweit wird es etwa bei der Vorschrift des § 29 StVO als ausreichend erachtet, dass die Höchstgeschwindigkeit zumindest mitbestimmend ist. Um ein Rennen handelt es sich danach auch bei einem Wettbewerb, bei dem die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit bei Zurücklegung der Strecke zwischen Start und Ziel ermittelt wird (BGH aaO). Der Risikoausschluss gilt nicht nur für Rennen im sportlichen Sinne, sondern für Rennen jeder Art, insbesondere Geschwindigkeits-, Touren-, Sternfahrten u.ä., solange es um die Erzielung der höchsten Geschwindigkeit geht, mag diese auch nach den gegebenen Voraussetzungen in der absoluten Ziffer niedriger liegen können als bei Rennveranstaltungen im engeren Sinn. Für § 2 Nr. 3 b AKB a.F. hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass Fahrveranstaltungen, die auf besonders gesicherten oder abgesperrten Straßen stattfinden, ohne weiteres vom Anwendungsbereich der Ausschlussklausel erfasst werden, wenn für den Sieg im Wettbewerb die höchste Geschwindigkeit entscheidend ist (BGH VersR 1976, 381, 382). Allerdings ist dieses Merkmal nicht als erfüllt angesehen worden, wenn die Fahrveranstaltung auf einer öffentlichen Straße ausgetragen wurde, die Teilnehmer die Verkehrsvorschriften zu beachten hatten und die Veranstaltung lediglich auf die Erzielung einer hohen Durchschnittsgeschwindigkeit ausgerichtet war (BGH, aaO, S. 383).
b) Weiter erfordert der Risikoausschluss vorliegend nach den zu Grunde zu legenden AKB das Vorliegen einer „Veranstaltung“. Selbst wenn man den Sachvortrag der Beklagten zugrunde legt, wonach der Kläger versucht habe, schneller als der hinter ihm fahrende Streitverkündete zu sein, so handelt es sich doch nicht um eine solche „Fahrveranstaltung“ i.S.v. A.2.17.3. der AKB. Die regelmäßig im Straßenverkehr stattfindenden Versuche von Verkehrsteilnehmern, an anderen Verkehrsteilnehmern vorbei zu fahren, diese zu überholen bzw. die Versuche der jeweils anderen Verkehrsteilnehmer, eben dies zu verhindern, sind selbst dann, wenn dies unter Missachtung oder Verletzung von Vorschriften der StVO geschieht, keine „Veranstaltung“, sondern allenfalls ein privates „Kräftemessen“ oder ein bloßes Ausleben von Egoismen (OLG Bamberg VersR 2010, 1029; Grimm in Beck-online, Unfallversicherung, 5. Aufl. 2013, AUB 2010 Ziffer 5, Rz. 60, 61). Freilich kann ein solches „Kräftemessen“, wenn es wie vorliegend unter Verletzung von Verkehrsvorschriften erfolgt, den Tatbestand einer Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) erfüllen. Der Versicherungsschutz ist dann nach A.2.17.1 der AKB ausgeschlossen. Bedingungsgemäß erfordert dies jedoch nicht nur eine Tatbestandsverwirklichung, sondern auch die Schuldform des Vorsatzes (s.u. 2.).
c) Für eine „Veranstaltung“ fehlt vorliegend jeglicher Anhaltspunkt und ein Rennen setzt zumindest eine wenn auch stillschweigende Übereinkunft der Beteiligten voraus.
(1) Letzteres scheitert schon nach dem unstreitigen Tatbestand des Ersturteils, an den der Senat gebunden ist. Danach bestand der Grund für die Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers, sich von einem dahinter fahrenden R 8 abzusetzen, welcher den Kläger nach dessen Vorbringen bedrängte. Der Tatbestand des Ersturteils bestimmt den für das Berufungsgericht nach § 529 I Nr. 1 ZPO maßgeblichen Sachverhalt (BVerfG NJW 2005, 657 [i. Erg.]; RGZ 2, 401; BGH VersR 1959, 853; 1983, 1160; BGHZ 140, 335 [339]; NJW 2001, 448; NJW-RR 2002, 1386 [1388]; NJW 2004, 1381; MDR 2007, 853; NJW-RR 2009, 981; BAGE 8, 156; BFH BFH/NV 1999, 1609; OLG Stuttgart NJW 1969, 2055; OLG München BauR 1984, 637 und Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 778 (779) und 891 (892); OLG Rostock OLGR 2004, 61; vgl. zu dem Fragenkreis umfass. Doukoff, a.a.O. Rz. 128-132). Mit der Berufung kann eine Tatbestandsberichtigung grundsätzlich nicht herbeigeführt werden (BGH VersR 1959, 853; 1983, 1160; BGHZ 122, 297; NJW 1994, 517; BGHZ 182, 76 [unter II 1]; OLG Stuttgart NJW 1969, 2055; OLG München BauR 1984, 637 und Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 778 [779] und 891 [892]; Doukoff, a.a.O. Rz. 137; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 320 Rz. 1). Wenn die Beklagte die erstgerichtliche Feststellung zum Grund der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht hätte hinnehmen wollen, hätte sie ein – fristgebundenes – Tatbestandsberichtigungsverfahren nach § 320 ZPO durchführen müssen (Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434).
(2) Von einer Rennveranstaltung konnte sich der Senat aber auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht überzeugen……“