Der Kollege Geißler aus Wuppertal hat mir in der vergangenen Woche zwei Entscheidungen übersandt, mit denen ich die neue Woche eröffnen will. Zunächst ist es der AG Bergisch-Gladbach, Beschl. v. 02.10.2015 – 48 OWi 35/1 5 [b], den ich zur Abrundung einstelle. Er behandelt auch/noch einmal die Problematik der unverschlüsselten Rohmessdaten, die ja in der letzten Zeit hier schon häufiger Thema war (vgl. u.a. den AG Weißenfels, Beschl. v. 03.09.2015 – 10 AR 1/15 und dazu: Akteneinsicht a la AG Weißenfels: Herausgabe der unverschlüsselten Rohmessdaten, oder: Anders würde ich auch nicht entscheiden…..).
Dem neuen Beschluss lässt sich der Leitsatz voranstellen:
Die Verwaltungsbehörde ist bei einer digital erfolgten Geschwindigkeitsmessung verpflichtet, dem Betroffenen die gesamte digitale Messdatei in im gerätespezifischen Format und in unverschlüsselter Form, das heißt einschließlich der unverschlüsselten Rohmessdaten sowie – falls dann noch erforderlich – den dazugehörigen öffentlichen Schlüssel/Token zu Händen seines Verteidigers zur Verfügung zu stellen. Dabei ist ein geeignetes Speichermedium vom Betroffenen oder seinem Verteidiger der Behörde zur Verfügung zu stellen. Das bespielte Speichermedium wiederum ist dem Verteidiger in seine Kanzleiräume zu übersenden.“
Datenschutzrechtliche Bedenken stehen dem nach Auffassung des AG nicht entgegen.
Schon rein tatsächlich ist insoweit festzustellen, dass zwar ein Verteidiger und/oder ein privater Sachverständiger bei Einsicht in die gesamte Messreihe zwangsläufig auch andere Fahrzeuge sehen, welche eine Messung ausgelöst haben. Es ist aber schon äußerst unwahrscheinlich, dass dann hierbei ein Fahrzeug oder ein Fahrzeugführer betroffen sind, den dann der Verteidiger und/oder der private Sachverständiger kennen. Erstrecht ist nicht zu erkennen, welche (unzulässigen) Informationen/Schlussfolgerungen diese hieraus ziehen könnten. Dies gilt umso mehr, als der aufgezeichnete und feststellbare Lebenssachverhalt aus einer derartigen Maßnahme nur einen äußerst kurzen Zeitraum betrifft.
Wägt man dann das Interesse des Betroffenen an einer ordnungsgemäßen Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung mit dem Interesse anderer abgebildeter Verkehrsteilnehmer ab, hat das Interesse der anderen abgebildeten Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Einsichtsrecht zurückzustehen. Hierbei ist insbesondere die Erwägung von Bedeutung, dass die anderen abgebildeten Personen sich durch ihre Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer und auch der Kontrolle ihres Verhaltens im Straßenverkehr durch die Polizei ausgesetzt haben. Dann kann es für diese Personen auch keinen überragenden Persönlichkeitseingriff darstellen, wenn sie im Zusammenhang mit einer polizeilichen oder ordnungsbehördlichen Maßnahme bzw. im Zusammenhang mit der Überprüfung derselben sich mit einer äußerst geringen, gegen null gehenden Wahrscheinlichkeit dem Risiko ausgesetzt sehen, zufällig erkannt zu werden.“