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Verkehrsrecht II: Teilnahme am unerlaubten Entfernen, oder: Psychische Beihilfe

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Und im zweiten Posting dann noch einmal etwas vom 4. Strafsenat des BGH, und zwar erneut zu § 142 StGB.

Der BGH nimmt im BGH, Urt. v. 01.08.2024 – 4 StR 409/23 – noch einmal zur Teilnahme beim unerlaubten Entfernen Stellung. Folgende Feststellungen hatte das LG getroffen:

Am 19.07. 2021 verusachte der Angeklagte K. einen schweren Verkehrsunfall, bei dem der Geschädigte erheblich verletzt und erheblicher Sachschaden angerichtet wurde. Unmittelbar nach dem Zusammenstoß verständigten sich die Angeklagten K. und M. und Y., die sich auch im Fahrzeug des Angeklagten befunden hatten, noch im Fahrzeug darauf zu flüchten. Die Angeklagten M. und Y. stärkten hierdurch den Entschluss des Angeklagten K., den Unfallort zu verlassen, ohne die notwendigen Feststellungen zu ermöglichen. Alle Angeklagten verließen zeitnah zueinander das Fahrzeug und liefen davon.

Der BGH hat die Schuldsprüche wegen Beihilfe zum unerlaubten Entfernen nicht beanstandet:

„a) Die Schuldsprüche wegen Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort gegen die Angeklagten Y. und M.  im Fall II.2. der Urteilsgründe sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie werden von den Feststellungen getragen, die ihrerseits rechtsfehlerfrei belegt sind.

aa) Das Landgericht hat zutreffend eine psychische Beihilfe (§ 27 StGB) der Angeklagten Y.   und M. darin gesehen, dass sie sich mit dem Angeklagten K.   auf eine gemeinsame Flucht verständigten und ihn hierdurch in seinem Entschluss, sich vom Ort des durch ihn verursachten Verkehrsunfalls zu entfernen, bestärkten. Danach kann dahinstehen, ob die Feststellungen sogar eine Verurteilung der Angeklagten Y. und M. wegen mittäterschaftlich begangenen unerlaubten Entfernens vom Unfallort getragen hätten, weil sie selbst wartepflichtig gewesen sein könnten (vgl. zur Wartepflicht eines Mitfahrers, dessen Verhalten nach den Umständen zu dem Unfall beigetragen haben kann, BGH, Urteil vom 22. Juli 1960 – 4 StR 232/60, BGHSt 15, 1, 4 f.). Denn die unterbliebene Verurteilung wegen etwaiger täterschaftlicher Verwirklichung des § 142 StGB beschwert die Angeklagten jedenfalls nicht.

bb) Gegen die diesen Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern…..“

Verkehrsrecht I: Begriff des Unfalls bei der Unfallflucht, oder: Verkehrstypische Gefahr realisiert?

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Heute dann drei Entscheidungen mit „verkehrsrechtlichem Einschlag“.

Ich beginne mit dem BGH, Urt. v. 20.06.2024 – 4 StR 15/24 -, das in zweifacher Hinsicht interessant ist. Ich stelle es heute wegen des verkehrsrechtlichen Aspekts vor. Und zwar geht es u.a. noch einmal um den Begriff des Unfalls in § 142 StGB.

Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freisprechung im Übrigen – wegen versuchten Totschlags in zwei tateinheitlich begangenen Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls, in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich begangenen Fällen sowie in Tateinheit mit Sachbeschädigung in fünf tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung bestimmt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision eine Verurteilung wegen versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen sowie – unter Aufhebung des Teil-Freispruchs – wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.

Das LG hatte u.a. folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

„Zu Beginn des Jahres 2022 erfuhren der Angeklagte und das soziale Umfeld seiner Familie von dem außerehelichen Verhältnis seiner Mutter zu dem späteren Geschädigten I. Wegen der damit aus Sicht des Angeklagten verbundenen Herabwürdigung seines Vaters sah er hierin eine Kränkung der Familienehre. Zudem kam es infolge der außerehelichen Beziehung zu fast täglichen Streitigkeiten der Eltern, die den Angeklagten sehr belasteten. Ende 2022 teilte er dem Geschädigten, dem er die alleinige Verantwortung für das Liebesverhältnis mit seiner Mutter zuwies, mit, dass dieser keine Mitglieder seiner Familie mehr belästigen solle, anderenfalls würde es „schlimm“ für ihn werden.

Am Abend des 2. Januar 2023 war der Angeklagte mit dem auf seinen Vater zugelassenen Pkw Fiat Stilo in A. unterwegs. Als er sich auf dem Heimweg befand und soeben die D.    straße passierte, bemerkte sein Beifahrer, der ebenfalls um die Affäre wusste, den späteren Geschädigten. Dieser lief auf dem linksseitigen Gehweg in Begleitung der späteren Geschädigten H. – dabei miteinander scherzend – in Fahrtrichtung des Angeklagten. Auf die Frage seines Beifahrers, ob er gesehen habe, wer da sei, hielt der Angeklagte augenblicklich an und setzte das Fahrzeug zurück. Dabei erkannte er zwischen den am Fahrbahnrand geparkten Fahrzeugen den Geschädigten. Dieser nahm den rückwärtsfahrenden Pkw wahr und ging davon aus, dass der Fahrer auf der Suche nach einem Parkplatz sei. Vor dem Beginn eines abgesenkten Bordsteins bremste der Angeklagte sein Fahrzeug erneut ab, legte den ersten Gang ein und trat das Gaspedal vollständig durch. Er fuhr in einer S-Kurve über den abgesenkten Bordstein auf den dort 4,1 Meter bis 4,7 Meter breiten Gehweg. Spätestens jetzt erkannte er im Scheinwerferlicht auch die neben dem Geschädigten auf der linken, der Hauswand zugewandten Seite des Bürgersteiges gehende Geschädigte H. Obgleich sein Beifahrer ihm noch zurief, er solle es nicht tun, fuhr der Angeklagte mit weiterhin vollständig durchgedrücktem Gaspedal von hinten auf die Geschädigten zu. Hierbei heulte der Motor – wie dem Angeklagten bewusst war – deutlich wahrnehmbar auf. Trotz des nun auch von der Geschädigten H. vernommenen Motorengeräuschs drehte sich diese nicht um. Schließlich kollidierte der vom Angeklagten gesteuerte Pkw bei einer Geschwindigkeit von 38 km/h nach circa 21 Metern auf dem Bürgersteig ungebremst mit den Geschädigten. Dabei beabsichtigte er, den Liebhaber seiner Mutter mit dem Pkw zu treffen und ihn hierdurch erheblich zu verletzen. Dessen Tod sowie den Tod oder erhebliche Verletzungen dessen Begleiterin nahm der Angeklagte billigend in Kauf. Mit dem mittigen Frontbereich prallte er gegen den linken Unterschenkel des Geschädigten I. Das linke Drittel der Stoßstange stieß gegen die rechte Wade der Geschädigten H. Mit der rechten Fahrzeugseite touchierte der Pkw zugleich einen am Fahrbahnrand geparkten Pkw. Während die Geschädigte sich nach einem kollisionsbedingten Sturz in Richtung Hauswand rasch wieder aufrichten und schreiend dem Fahrzeug hinterherlaufen konnte, wurde der Geschädigte I. infolge des Anpralls rücklings auf die Motorhaube aufgeladen und seine Füße wurden bis auf das Fahrzeugdach geschleudert. Dabei prallte er mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe, so dass diese zerbarst. Nach einer Fahrstrecke von mindestens 13 Metern auf dem Fahrzeug des Angeklagten stürzte der Geschädigte auf die Motorhaube eines am Fahrbahnrand abgestellten Pkw und von dort auf den Gehweg. Der Angeklagte fuhr danach weiter und insgesamt circa 50 Meter auf dem Bürgersteig. Hierbei verursachte er Sachschäden an fünf Fahrzeugen in Höhe von insgesamt circa 12.000 €. Als er sein Fahrzeug wieder auf die Fahrbahn zurücksetzte, nahm er im Rückspiegel noch den auf dem Gehweg liegenden Geschädigten wahr. Obwohl er um die potentiell tödlichen Verletzungen der beiden Geschädigten und die Fahrzeugschäden wusste, entfernte er sich von der Kollisionsstelle, ohne sich Gewissheit über deren Zustand und die Folgen seines Handelns zu verschaffen. Der Geschädigte I.  erlitt infolge des Zusammenstoßes Hautabschürfungen und -unterblutungen, einen Teilabriss der linken Ohrmuschel und eine Verletzung am linken Zeh, die sämtlich folgenlos ausheilten. Die Geschädigte H.     zog sich ein Hämatom an der Außenseite des rechten Unterschenkels zu.“

Das LG hat die Tat als versuchten Totschlag in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls, gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit Sachbeschädigung in fünf rechtlich zusammentreffenden Fällen gewertet, darauf komme ich noch einmal zurück. Vom (tatmehrheitlichen) Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort hat die Jugendkammer den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Es handele sich bei dem Kollisionsgeschehen nicht um einen Unfall im Straßenverkehr im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB. Das gesamte Schadensereignis stelle nicht die Auswirkung eines allgemeinen Verkehrsrisikos dar, sondern sei einer vom Angeklagten deliktisch geplanten Kollision seines Fahrzeugs mit dem Geschädigten I. geschuldet.

Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft, die – auch – insoweit Erfolg hatte:

„2. Auch der Teil-Freispruch vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort hat keinen Bestand; insoweit hat die Jugendkammer zu Unrecht das Vorliegen eines Unfalls im Straßenverkehr verneint und deshalb den Tatbestand des § 142 Abs. 1 StGB als nicht erfüllt angesehen.

a) Unter dem Begriff des Unfalls im Straßenverkehr ist jedes mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängendes Ereignis zu verstehen, durch das ein Mensch zu Schaden kommt oder ein nicht ganz belangloser Sachschaden verursacht wird. Der Kennzeichnung eines solchen Geschehens als Verkehrsunfall steht nicht entgegen, dass ein daran Beteiligter es vorsätzlich herbeigeführt hat, wenn nur einem anderen ein von ihm ungewollter Schaden entstanden ist. Dann handelt es sich mindestens für diesen anderen um ein ungewolltes, ihn plötzlich von außen her treffendes Ereignis (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. November 2001 – 4 StR 233/01, BGHSt 47, 158, 159 mwN und vom 27. Juli 1972 – 4 StR 287/72, BGHSt 24, 382, 383 mwN). Zudem setzt die Annahme eines „Verkehrsunfalls“ einen verkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhang in der Weise voraus, dass sich in dem „Verkehrsunfall“ gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben müssen. Eine solche Verknüpfung des Schadensereignisses mit einem Verkehrsgeschehen ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn sich das Verhalten schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Auswirkung einer deliktischen Planung, wie sie an beliebigen anderen Orten mit beliebigen anderen Mitteln auch durchführbar wäre, darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2001 – 4 StR 233/01 aaO mwN).

b) Danach liegt es nahe, dass sich jedenfalls in den Kollisionen mit den geparkten Fahrzeugen verkehrstypische Gefahren realisiert haben. Denn der Angeklagte hat den Pkw insoweit nicht mehr (ausschließlich) als Tatwaffe benutzt. Der in der Folge entstandene Sachschaden könnte als Auswirkung des allgemeinen Verkehrsrisikos verstanden werden und damit zum Begriff des Verkehrsunfalls gehören.“

Entlassung eines Polizeibeamten/Kommissaranwärters, oder: Eingestellte Unfallflucht und Quarantäneverstoß

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Und dann als zweite Entscheidung im „Kessel Buntes“ heute dann noch der OVG Saarland, Beschl. v. 13.12.2023 – 1 B 154/23. Es geht u.a. um die Entlassung eines Polizeibeamten auf Widerruf wegen fehlender charakterlicher Eignung, die mit einer Unfallflucht (§ 142 StGB) begründet worden ist und ein wenig auch mit einem Corona-Quarantäne-Verstoß.

Folgender Sachverhalt:

„Der in A-Stadt wohnhafte Antragsteller ist als Kommissaranwärter seit Oktober 2018 Beamter auf Widerruf bei der saarländischen Vollzugspolizei. Infolge einer Corona-Infektion wurde für ihn am 3.1.2022 die häusliche Absonderung (Quarantäne) vom 31.12.2021 bis zum 14.1.2022 angeordnet. In der Nacht vom 11. auf den 12.1.2022 verließ er die häusliche Quarantäne und fuhr mit einem Pkw in einen mehrere Kilometer entfernten Nachbarort. Auf dem nächtlichen Rückweg kam er (nach Aktenlage zwischen ca. 2.00 h und 3.00 h nachts) mit dem Pkw auf einer schmalen Verbindungsstraße von der witterungsbedingt glatten Straße ab und kollidierte mit mehreren Bäumen; das stark beschädigte Fahrzeug (wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe von ca. 8.000.- €) kam mit ausgelösten Airbags ca. 2 m abseits der Straße und ca. 2 m oberhalb eines Bachlaufs zum Stehen. Der Antragsteller, der ausweislich des ärztlichen Attestes vom 13.1.2022 ein HWS-Schleudertrauma erlitten hatte, rief seine Mutter an und verließ mit ihr den Unfallort nach Hause, wo er sich schlafen legte.

Nachdem der verunfallte Pkw am Morgen des 12.1.2022 (ca. 6.00 h) von einem Bürger aufgefunden und gemeldet wurde, stellte die Polizei fest, dass die amtlichen Kennzeichen entfernt waren, die Fahrgestellnummer nicht lesbar war, die Abdeckung der Abschleppöse fehlte und Betriebsstoffe ausliefen (Kühlflüssigkeit), die in den angrenzenden Bach zu laufen drohten; im Fahrzeuginneren wurde ein Wappen der saarländischen Vollzugspolizei und eine auf den Antragsteller ausgestellte Kundenkarte gefunden. Die daraufhin gegen 7.50 h von einem Streifenkommando aufgesuchte Mutter des Antragstellers benannte ihren Sohn als Fahrer des Unfallfahrzeugs und gab an, man habe gegen 8.00 h einen Abschleppdienst informieren wollen, um dieses bergen zu lassen. Der anschließend als Beschuldigter vernommene Antragsteller gab an, er habe die Polizei nicht über den Unfall verständigt, weil das Fahrzeug, das sie zeitnah eigenständig hätten abschleppen lassen wollen, abseits der Straße gestanden und niemanden behindert habe; auf Fragen zu den fehlenden Kennzeichen und zum Verlassen der Quarantäne machte er keine Angaben. Der Eigentümer des betroffenen Grundstücks gab einen Schaden von ca. 350.- € für die Neupflanzung von vier Bäumen an und wies auf aufwendige Aufräumarbeiten hin.

Gegen den Antragsteller wurde ein Strafverfahren wegen Verdachts der Unfallflucht (§ 142 Abs. 1 StGB) und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verdachts des Verstoßes gegen die Absonderungspflicht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 CO-VP) eingeleitet. Mit Verfügung vom 14.1.2022 leitete der Antragsgegner außerdem ein – zugleich ausgesetztes – Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein, der am 31.1.2022 die Laufbahnprüfung zum Polizeikommissar ablegte.

Im Rahmen seiner Anhörung zur beabsichtigten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gab der Antragsteller u.a. an, er habe mit seiner nächtlichen Fahrt einen betrunkenen Freund von einer Autofahrt abhalten wollen und bei der Rückfahrt nach dem Unfall seiner von ihm angerufenen Mutter gesagt, dass sie die Polizei anrufen müssten; auf Hinweis seiner Mutter habe er die Kennzeichen entfernt, einen eigenen Abschleppversuch habe er nicht unternommen.

Mit Bescheid vom 16.2.2022 entließ der Antragsgegner den Antragsteller wegen fehlender charakterlicher Eignung mit Ablauf des 31.3.2022 aus dem Beamtenverhältnis (§ 23 Abs. 4 BeamtStG i.V.m. § 37 Abs. 4 SBG) und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung an (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Über den vom Antragsteller hiergegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden. Das Strafverfahren gegen den Antragsteller stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 14.3.2022 nach § 153 Abs. 1 StPO ein.“

Gestritten wird nun um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers. Er hatte damit keinen Erfolg. Hier die Leitsätze zu der OVG-Entscheidung:

    1. Zu den Voraussetzungen der Entlassung eines Beamten auf Widerruf (hier: Kommissaranwärter) wegen fehlender charakterlicher Eignung.
    2. Die Entlassung eines Widerrufsbeamten gemäß § 23 Abs 4 Satz 1 BeamtStG erfordert nicht den Nachweis eines konkreten Vergehens; berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde an der persönlichen Eignung des Beamten genügen.
    3. Zum objektiven Tatbestand des § 142 Abs 1 StGB.
    4. Eine staatsanwaltliche Einstellungsverfügung nach § 153 Abs 1 StPO entfaltet für das Entlassungsverfahren keine Bindungs- sondern lediglich Indizwirkung, was aber den Dienstherrn nicht hindert, eigenständig den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu bejahen.
    5. Bereits ein einzelnes gravierendes Ereignis kann geeignet sein, den Schluss des Dienstherrn auf eine fehlende persönliche Eignung des Widerrufsbeamten zu rechtfertigen, wenn dieses die charakterlichen Mängel des Beamten hinreichend deutlich zu Tage treten lässt.
    6. Ein objektiver und subjektiver Verstoß gegen die einem Kommissaranwärter auferlegte Corona-Quarantäne sowie eine anschließende zumindest objektiv verwirklichte Unfallflucht sind als außerdienstliches Verhalten hinreichend bedeutsam, um seitens des Dienstherrn negative Rückschlüsse auf die dienstliche Vertrauenswürdigkeit als Polizeibeamter, von dem ein gesetzestreues Verhalten in besonderer Weise erwartet werden kann, ziehen zu dürfen.
    7. Zur Streitwertfestsetzung für ein verbundenes Beschwerdeverfahren.

Verlinkt habe ich auf die im Bürgerservice des Saarlandes eingestellt Entscheidung. Die enthält nämlich Fußnoten (?) und das ist in meinem System etwas schwierig darzustellen.

Im Gespräch: Entkriminalisierung der Unfallflucht, oder: Der Bundesjustizminister überlegt mal wieder

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Ich stoße gerade auf die Nachricht in der SZ: Buschmann erwägt, Unfallflucht teilweise zu entkriminalisieren

Und da lese ich:

„Das Bundesjustizministerium erwägt nun, die Rechtslage teilweise zu ändern und Unfallflucht in vielen Fällen zu entkriminalisieren. Wer keinen Personen- sondern nur einen Sachschaden verursacht, würde demnach bei einer Unfallflucht künftig keine Straftat mehr begehen, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit.“

Und bei der Tagesschau lese ich dann noch:

„Durch diese Herabstufung „würde einer undifferenzierten Kriminalisierung des Unfallverursachers entgegengewirkt“, hieß es dem RND zufolge in dem Ministeriumspapier. „

Und beim RND heißt es dann noch:

„…. Sprich: Wer künftig alkoholisiert einen Unfall mit Blechschaden verursacht, soll rechtlich nicht mehr gezwungen sein, am Unfallort zu bleiben und auch eine Anzeige wegen Trunkenheit am Steuer zu riskieren.“

Ich bin doch – gelinde ausgedrückt – sehr erstaunt – und wahscheinlich nicht nur ich, sondern auch andere. Für mich stellt sich die Frage: Was soll das? Und muss man an der Stelle „entkriminaliisieren“. Ist das wirklich eine „Erwägung“, sondern blinder Aktionismus unserer „hoch verehrten“ (??) BMJ. Denn:

1. M.E. gibt es genügend andere Baustellen, an denen man im BMJ mal voran machen sollte. Wie ist es z.B. mit der Abschaffung = Herunterstufung des § 265a StGB (Erschleichen von Leistungsen; Stichwort: Schwarzfahren). Da will man offenbar nicht ran; jedenfalls habe ich dazu bisher noch nichts gelesen. Das kriminalisiert man doch auch, ohne zu differenzieren. Im Übrigen: Man „entkriminalisiert“ die Trunkenheitsfahrten (teilweise) gleich mit.

2. Hat man sich mal Gedanken gemacht, wie das mit der Entkriminalisierung des § 142 StGB gehen soll? Soll jede Unfallflucht mit nur einem Sachschaden eine OWi sein/werden, also auch Sachschäden im hohen Bereich?

3. Hat man sich mal Gedanken gemacht, was da an (schwierigen) Bußgeldverfahren auf die AG zukommt? Die ganzen Probleme, die es bei der Anwendung des § 142 StGB gibt, wie z.B. Bemerkbarkeit des Unfalls usw., werden dann demnächst beim Bußgeldrichter ausgefochten. Die werden sich freuen. Und ich höre schon den Richterbund nach mehr Stellen rufen.

4. Hat man sich mal Gedanken gemacht, wie das „Vorhaben“ dann mit § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB in Einklang gebracht wird? Da habe ich es doch ggf. auch mit einem reinen Sachschaden zu tun, oder?

4. Hat man sich mal Gedanken gemacht, dass ein weiteres Problem auf die Rechtsprechung zukommt, nämlich die Bemerkbarkeit des Personenschadens. Das entscheidet dann ja demnächst über die Frage „OWi oder Straftat“?

5. Warum geht man nicht einen anderen Weg, um die Luft aus dem § 142 StGB zumindest teilweise herauszunehmen? Warum definiert/konkretisiert man nicht, was eine „nicht unerhebliche Verletzung“ oder ein „bedeutender Schaden“ i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist, ggf. mit eine „Inflationsklausel“. Das würde zwar nicht „entkriminalisieren“, aber sicherlich in einer ganzen Reihe von Fällen die Verfahren vereinfachen.

Also Fragen über Fragen, auf die das BMJ eine Antwort wird geben müssen. Da sitzen ja Experten. Hoffentlicht. Ich meine übrigens nicht den Chef des Hauses.

Fahrerlaubnisentziehung nach Unfallflucht, oder: Schaden mindestens bei 1.500 €

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Urheber Bundesrepublik Deutschland, Bundesministerium des Innern

Und zum Tagesschluss dann noch der LG Dresden, Beschl. v. 07.05.2019 – 3 Qs 29/19 -, der sich zur Frage der Grene beim bedeutenden Sachschaden i.S. von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB – Stichwort: Regelentziehung beim Unerlaubten Entfernen vom Unfallort, verhält. Das LG Dresden hebt die Grenze auf 1.500 € an.

Im Streit war/ist ein Schaden in Höhe von 1.645,03 EUR brutto. Die Geschädigte ihr Fahrzeug nicht reparieren lassen, sondern hat den Schaden lediglich bei der Versicherung abgerechnet. Das AG hat die Fahrerlaubnis nach § 111a StPO entzogen. Das LG hat aufgehoben:

„Nach Aktenlage sind gegenwärtig keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass der Angeklagten die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen durch Urteil gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entzogen werden wird. Denn nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist ein Kraftfahrer nur dann in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er sich eines Vergehens des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht hat (1.), obwohl er weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist (2.). Auch wenn die Beschwerdeführerin nach Aktenlage dringend verdächtig ist, sich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht zu haben, liegt kein Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vor, da es nach gegenwärtigem Ermittlungsstand an einem bedeutenden Schaden an fremden Sachen im Sinne der Norm fehlt.

1. Nach der gebotenen vorläufigen Betrachtung ergibt sich der dringende Tatverdacht hinsichtlich eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort aus den bisherigen polizeilichen Ermittlungen, insbesondere aus der Aussage der Zeugin pp……

2. Indes liegen keine dringenden Gründe für einen Regelfall im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vor, da nach Aktenlage kein bedeutender Schaden an fremden beweglichen Sachen im Sinne der Norm gegeben ist. Zwar entschied das Oberlandesgericht Dresden am 12.05.2005 (Az.: 2 Ss 278/05), dass die Grenze für einen bedeutenden Sachschaden von 1.200,00 DM (so zuvor das Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 10.04.1995 – 1 Ss 91/95) auf 1.300,00 EUR angesichts der allgemeinen Preis- und Einkommensentwicklung heraufzusetzen ist. Nunmehr, vierzehn Jahre später, ist es jedoch geboten, diese Grenze auf mindestens 1.500,00 EUR anzuheben (vgl. LG Braunschweig, Beschluss vom 03.06.2016 – 8 Qs 113/16 [min. 1.500,00 EUR]; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 – 2 Rv 33 Ss 959/17 [1.600,00 EUR]; LG Wuppertal, Beschluss vom 26.10.2017 – 25 Qs 34/17 [1.500,00 EUR]), da bei der Interpretation ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale wie bei dem „bedeutenden Schaden“ im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB die allgemeine Geldentwicklung nicht außer Betracht bleiben darf.

Als Vergleichsmaßstab bietet sich der jährlich vom statistischen Bundesamt berechnete und veröffentlichte Verbraucherpreisindex an. Der aktuell geltende Verbraucherpreisindex hat das Jahr 2015 als Basisjahr. Im Jahr 2005 erreichte der Verbraucherpreisindex noch einen durchschnittlichen Jahreswert von 86,2 % und im Jahr 2018 einen Wert von 103,8 %. Die Veränderungsrate beträgt somit 20,42 % (103,8/86,2 x 100 – 100). Der Wert von 1.300,00 EUR aus dem Jahr 2005 stieg somit unter Berücksichtigung dieser Preissteigerungsrate von 20,42 % im relevanten Vergleichszeitraum auf 1.565,46 EUR. Leicht gerundet erscheint es daher sachgerecht, die Wertgrenze für die Annahme eines bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nunmehr auf jedenfalls mindestens 1.500,00 EUR festzusetzen.

Diese Grenze ist vorliegend jedoch nicht erreicht, da es allenfalls auf den im Kostenvoranschlag des Autoservices pp. bezifferten netto-Reparaturkostenbetrag in Höhe von 1.382,38 EUR ankommt und nicht auf den brutto-Reparaturkostenbetrag in Höhe von 1.645,03 EUR. Denn nach § 249 Abs. 2 BGB kann Umsatzsteuer nur dann geltend gemacht werden, wenn sie tatsächlich auch angefallen ist (BGH, Urteil vom 03.03.2009 – VI ZR 100/08). Da der Schutzzweck von § 142 StGB ist, die Vereitelung der zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche der Unfallbeteiligten zu verhindern (Fischer, 66. Auflage, § 142 Rn. 2), können nur solche Schadenspositionen herangezogen werden, die erstattungsfähig sind (OLG Stuttgart, Urteil vom 27.04.2018 – 2 Rv 33 Ss 959/17; LG Aachen, Beschluss vom 13.11.2017 – 66 Qs 10/16; LG Wuppertal, Beschluss vom 26.10.2017 – 25 Qs 34/17). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der hier relevante Fremdsachschaden lediglich der netto-Reparaturkostenbetrag in Höhe von 1.382,38 EUR. Denn die Zeugin … gab in der Hauptverhandlung am 21.03.2019 an, ihr Fahrzeug tatsächlich nicht reparieren lassen zu haben, sodass keine Umsatzsteuer angefallen ist. Auch eine spätere Reparatur kommt nicht in Betracht, da die Zeugin pp. angab, den Schaden bei der Versicherung bereits abgerechnet und das Fahrzeug verkauft zu haben. Unklar bleibt zwar, ob das Fahrzeug durch den Unfall einen merkantilen Minderwert erlitten hat, der als direkte Folge des schädigenden Ereignisses bei der Berechnung des „bedeutenden Schadens“ zusätzlich zu den netto-Reparaturkosten Berücksichtigung zu finden hätte. Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen besteht aber kein dringender Verdacht, dass hierdurch die Grenze von jedenfalls mindestens 1.500,00 EUR überschritten wird. Umstände, die auch jenseits des Regelfalls von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorliegend eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 StGB erwarten lassen, sind nicht ersichtlich.“