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Überholen, oder doch nicht?

entnommen wikimedia.org

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Ist zwar Feiertag heute, aber eben „Tag der Arbeit“, also kann dann doch ein wenig getan werden 🙂 . Deshalb:

Das Verkehrsgeschehen, das dem OLG Celle, Beschl. v. 08.04.2015 – 321 SsRs 51/15 – zugrunde gelegen hat, ist so oder ähnlich in der Praxis sicherlich nicht selten. Der Betroffene befuhr  mit seinem PKW eine BAB, und zwar die BAB 7, und befuhr sodann die in Richtung Berlin führende Tangente der BAB 2. Wegen einer Baustelle waren die Fahrbahnen auf eine Fahrbahn eingezogen. Neben der Fahrbahn befand sich ein durch Warnbaken abgesperrter Seitenstreifen. Auf der Tangente und der BAB 2 bildete sich Stau. Der Betroffene verließ sodann den Fahrstreifen und wechselte durch die Warnbaken hindurch auf den abgesperrten Seitenstreifen. Diesen befuhr er ca. 200 Meter und scherte wieder zwischen den Warnbaken auf den Beschleunigungsstreifen der BA2 ein, wobei er mehrere auf der Fahrbahn wegen der Staus stehende Fahrzeuge überholte. Das AG hat ihn wegen vorsätzlichen Rechtsüberholen außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 200,00 € verurteilt.

Das OLG Celle sieht das anders:

„Der Betroffene hat nicht verboten überholt. Überholen ist der tatsächliche, absichtslose – d. h. nicht notwendig vorsätzliche – Vorgang des Vorbeifahrens auf demselben Straßenteil (Fahrbahn). Seitenstreifen sind nicht Bestandteil der Fahrbahn (§ 2 Abs. 1 S. 2 StVO). Wer sie benutzt, um rechts an anderen vorbeizufahren, überholt deshalb nicht im Sinne des § 5 StVO (s. nur König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 5 StVO Rdn. 16, 19a; § 18 StVO Rdn. 14b jew. m. w. N.).

Der Betroffene hat sich allerdings einer vorsätzlichen Verkehrsordnungswidrigkeit durch Benutzen des Seitenstreifens zum Zweck des schnelleren Vorwärtskommens gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 StVO, Ziff. 88 BKatV schuldig gemacht. Dies gilt bereits für den Normalfall und nicht erst für den Fall, dass der Seitenstreifen durch Warnbaken abgesperrt ist. Auf die Frage, ob die Absperrung durch solche Baken eine Entwidmung bedeutet, wie der Beschwerdeführer meint, kommt es hier deshalb nicht an.“

Gebracht hat es aber noch keine endgültige Entscheidung, denn:

„Der Rechtsfolgenausspruch unterlag jedoch der Aufhebung und Zurückverweisung. Das Amtsgericht ist bei der Beurteilung der Rechtsfolgen davon ausgegangen, dass der Betroffene einschlägig vorbelastet ist. Nach der Korrektur des Schuldspruchs ist dies jedoch nicht der Fall. Der Senat sah sich indessen auch nicht in der Lage, den Regelsatz gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 StVO Nr. 88 BKatV i.H.v. 75 € zu verhängen, da die Voreintragung des Betroffenen wegen falschen Überholens im Unrechtsgehalt vergleichbar ist und eine angemessene Erhöhung des Regelsatzes für das zu verhängende Bußgeld naheliegt. Dieses zu bestimmen ist nun noch Aufgabe des Bußgeldrichters.“

Ich tippe mal auf……. 🙂 .

Der abgebrochene Überholvorgang – machen wir daraus einen Verstoß gegen § 1 StVO

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So, und jetzt ist Schluss mit Umzug. Jetzt wird wieder richtig gearbeitet, jetzt machen wir wieder Jura 🙂 Und den Auftakt macht der OLG Hamm, Beschl. v. 07.10.2014 – 1 RBs 162/14 -, der schon ein wenig länger in meinem Blogordner hängt. Den Sachverhalt zu dem Beschluss – das OLG hat nur mit einem Zusatz gearbeitet – habe ich aus der PM des OLG Hamm, in der es dazu geheißen hat:

„Der heute 43 Jahre alte Betroffene aus Lünen befuhr mit seinem Lkw im Januar 2014 bei Unna die BAB 1 in Fahrtrichtung Köln. Im Bereich eines geltenden Überholverbots, angeordnet zunächst durch das Vorschriftzeichen 277 der Straßenverkehrsordnung und sodann durch das Vorschriftzeichen 276 der Straßenverkehrsordnung mit dem Zusatzzeichen 1049-13 (Geltung nur für Lkw, Busse und Pkw mit Anhänger), überholte der Betroffene mehrere auf dem rechten Fahrstreifen fahrende Fahrzeuge. Für diese Fahrweise erhielt er von der Bußgeldbehörde, dann bestätigt durch das Urteil des Amtsgerichts, wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Überholverbot eine Geldbuße von 70 Euro. Die Geldbuße wollte der Betroffene nicht akzeptieren, unter anderem mit der Begründung, er habe den Überholvorgang vor Beginn der Überholverbotszone begonnen und danach mangels ausreichender Lücke zwischen den überholten Fahrzeugen nicht eher nach rechts einscheren können.“

Und dazu dann das OLG:

„Zusatz:

Ergänzend zur zutreffenden Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 15.09.2014, welche dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger bekannt gemacht worden ist und der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, merkt der Senat Folgendes an:

Soweit der Betroffene ausführt, dass das Urteil den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen zur Beweiswürdigung nicht entspreche, könnte sich daraus nur der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ergeben, der in der vorliegenden Konstellation aufgrund der Höhe der verhängten geldbuße aber gerade nicht eingreift.

Weiter ist auf Folgendes hinzuweisen: In der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Verbotszeichen sofort, d.h. von der Stelle an zu befolgen ist, an der es angebracht ist. Das Zeichen 276 verbietet nach wohl ebenso einhelliger Auffassung nicht nur den Beginn, sondern auch die Fortsetzung und die Beendigung des Überholvorgangs innerhalb der Überholverbotszone; ein bereits eingeleiteter Überholvorgang muss andernfalls noch vor dem Verbotsschild abgebrochen werden (BGHSt 25, 293; BGH NJW 1975, 1330, 1331; OLG Köln NVersZ 2001, 169). Wer sich mit seinem Fahrzeug schräg vor dem zu überholenden Fahrzeug befindet, zu diesem aber noch keinen hinreichenden Sicherheitsabstand gewonnen hat, muss das Überholmanöver abbrechen, gegebenenfalls verlangsamen und sich zurückfallen lassen (OLG Düsseldorf NJW 1980, 1116).

Auch, wenn nach den tatrichterlichen Feststellungen in Verbindung mit der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil letztlich nicht ganz klar wird, ob der Betroffene seinen Überholvorgang erst bei Kilometer 323,000 begonnen hat (obwohl bereits ab Kilometer 321,400 – also bereits 1,6 Kilometer zuvor – ein Überholverbot für die von ihm geführte Fahrzeugart durch Verkehrszeichen 277 angeordnet war; wiederholt bei Kilometer 321,600), oder ob dem Betroffenen seitens des die Tat beobachtenden Polizeibeamten der Verkehrsverstoß erst ab Kilometer 323,000 „zugerechnet“ wurde, obwohl der Überholvorgang bereits vor der Überholverbotsstrecke (also vor Kilometer 321,400) begonnen worden war, weil sich dem Betroffenen möglicherweise vor Kilometer 323,000 keine Möglichkeit zu einem gefahrlosen Wiedereinordnen auf dem rechten Fahrstreifen geboten hat, kann sich angesichts der oben zitierten Rechtsprechung kein Anlass zur Fortbildung des Rechts ergeben. Der Betroffene hätte – wenn er tatsächlich den Überholvorgang noch vor Beginn der Überholverbotsstrecke begonnen haben sollte – bei Ansichtigwerden bereits des ersten Überholverbotsschildes den Überholvorgang entweder beendet oder abgebrochen haben müssen.“

Tja, dazu zwei Dinge:

  1. So ganz einfach ist das mit dem Zurückfallenlassen möglicherweise ja nicht und ganz ungefährlich ggf. auch nicht. Also haben wir da dann vielleicht einen Verstoß gegen § 1 StVO?
  2. Warum eigentlich nur ein „Zusatz“, wenn man eine PM zu einer Entscheidung herausgeben will? Ohne Sachverhalt versteht man die doch gar nicht bzw. nicht richtig. Wenn schon, denn schon und lieber einen „richtigen Beschluss“ machen. Ich habe beim OLG „Zusätze“ gehasst 🙂 .

Überholen einer Fahrzeugkolonne – Abbiegerzusammenstoß – 75 : 25

© Deyan Georgiev - Fotolia.com

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Aus der verkehrszivilrechtlichen Reihe dann als weitere Entscheidung das OLG Hamm, ‌Urt. v. 09‌.‌07‌.‌2013‌, 9 U ‌191‌/‌12‌, das sich ebenfalls zu Haftungsverteilung nach einem Verkehrsunfall verhält (vgl. auch hier: Inlineskaten auf der Gegenfahrbahn – Zusammenstoß – 75 : 25).

Zum Sachverhalt: Der Kläger hatte mit seinem Mokick eine aus drei Fahrzeugen bestehende Kolonne überholt und mit dem nach links in eine Grundstückszufahrt einbiegenden ersten Fahrzeug der Kolonne zusammengestoßen.

Haftungsverteilung hier: 75 : 25 zu Lasten des Mokickfahrers, da das OLG aufgrund der besonderen Umstände des Falles ein Verschulden des Linksabbiegers nicht feststellen konnte. Deswegen hat das OLG bei seinem Fahrzeug nur die Betriebsgefahr berücksichtigt, so dass der Mokick-Fahrer 75 % seines Schadens selbst zu tragen hatte. Ihn treffe ein erhebliches Verschulden, weil er verbotswidrig bei einer für ihn unklaren Verkehrslage überholt habe.