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Pflichti III: Nachträgliche Bestellung, oder: Einmal hopp, einmal topp

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Und als letztes Posting dann noch einmal zwei Entscheidungen zum Dauerbrenner: Nachträgliche Bestellung.

Zunächst der AG Wuppertal, Beschl. v. 01.02.2021 – 20 Gs 12/21. Das AG hat beigeordnet:

„Die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO lagen vor. Dabei ist es unerheblich, ob die Untersuchungshaft in einer anderen Sache vollstreckt wurde, da eine Einschränkungen der Verteidigungsmöglichkeiten, die eine Pflichtverteidigerbeiordnung erst erfordern, auch in diesem Falle gegeben ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.04.2010, – 3 Ws 351/10).

Die Bestellung ist nach § 141 Abs. 1 StPO unverzüglich durchzuführen. Der Umstand, dass dies vorliegend aufgrund der weiteren Aktenbearbeitung durch die Staatsanwaltschaft zunächst unterblieben ist, darf dem Angeschuldigten nicht zum Nachteil gereichen, auch wenn das Verfahren später am 18.12.2020 eingestellt wurde (vgl. auch LG Bonn, Beschluss vom 28.04.2020 -21 Qs 25/20).

Es handelt sich auch nicht um eine unzulässige rückwirkende nachträgliche Bestellung, da keine Pflichtverteidigerbeiordnung für eine bereits erfolgte Verteidigung vor Antragstellung erfolgen soll (insoweit abweichend von OLG Brandenburg, NStZ 2020, 625).

Und dann der LG Berlin, Beschl. v. 25.01.2021 – 511 Qs 3/21, das getreu dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht, eine nachträgliche Bestellung abgelehnt hat:

„Die Bestellung eines Pflichtverteidigers dient nicht dem Kosteninteresse des Angeklagten oder seines Verteidigers, sondern allein dem Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Betroffener in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und gewährleistet den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf (KG, BeckRS 2006, 3283 m.w.N.; KG, Beschluss vom 30. Dezember 2019 — 4 Ws 115/19; OLG Hamburg, Beschluss vom 16. September 2020 — 2 Ws 122/20 – juris).

Diese Interessenlage ist entfallen.

Eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung für das abgeschlossene Verfahren ist schlechthin unzulässig und unwirksam und mithin grundsätzlich ausgeschlossen, und zwar auch dann, wenn der Wahlverteidiger bereits rechtzeitig seine Bestellung beantragt hatte (KG, BeckRS 2006, 3283 m.w.N.; KG, Beschluss vom 20. August 2019 — 4 Ws 81/19; KG, Beschluss vom 9. April 2020 —2 Ws 30/20, 2 Ws 31/20 — juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 9. März 2020 — 1 Ws 19/20, 1 Ws 20/20 — juris). Denn der Verteidiger hat seine Leistung bereits als Wahlverteidiger auf Grund eines Mandatsverhältnisses abschließend erbracht und die mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger einsetzende öffentlich-rechtliche Pflicht zum Tätigwerden kann er nach Abschluss des Verfahrens nicht mehr erfüllen (KG, BeckRS 2006, 3283 m.w.N.). Ein Verteidiger kann im Laufe eines Verfahrens daher nur so lange bestellt werden, wie er überhaupt noch eine Tätigkeit entfalten kann. Eine rückwirkende Bestellung für bereits abgeschlossene Verfahrensabschnitte scheidet hingegen aus (KG, Beschluss vom 20. August 2019 — 4 Ws 81/19; KG, Beschluss vom 13. Februar 2019 — 2 Ws 32/19; OLG Hamburg a.a.O.).

Auch das Gebot der fairen Verfahrensführung zwingt nicht zu einer anderen Entscheidung. Neben dem Umstand, dass vorliegend zwischen dem Antrag vom 14. Juli 2020 und der Mitteilung des Todes des Beschuldigten keine fehlerhafte Verzögerung durch die Justizbehörden stattfand, ist selbst bei einer solchen untunlichen Verzögerung nicht durch eine rückwirkende Bestellung zu reagieren, sondern durch eine Untätigkeitsbeschwerde nach § 304 StPO (KG, Beschluss vom 20. August 2019 — 4 Ws 81/19).

Eine Änderung der Rechtsprechung ist auch unter Berücksichtigung des Gesetzes vom 10. Dezember 2019 zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung (Bundesgesetzblatt I Seite 2128  ff.) nicht veranlasst, welches insoweit keine Ausdehnung der Pflichtverteidigerbestellung enthält. Vielmehr gilt weiterhin, dass die Bestellung eines Verteidigers grundsätzlich nur für die Zukunft erfolgt (so ausdrücklich: KG, Beschluss vom 30. Dezember 2019 — 4 Ws 115/19; OLG Hamburg a.a.O.; vgl. auch OLG Brandenburg a.a.O.; KG, Beschluss vom 9. April 2020 — 2 Ws 30/20, 2 Ws 31/20 — juris).

Soweit vereinzelt im Hinblick auf die Gesetzesänderung eine rückwirkende Bestellung befürwortet wird, da die Intention des Gesetzgebers auch die Freistellung eines mittellosen Beschuldigten von den Kosten seiner Verteidigung sei (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 142 Rn. 20; vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. November 2020 — Ws 962/20, Ws 963/20 — juris), verkennt diese Ansicht, dass nach dem zugrundeliegenden Artikel 4 der PKH-Richtlinie EU 2016/1919 vom 26. Oktober 2016 der „Anspruch auf Prozesskostenhilfe“ nur dann besteht, „wenn es im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist“, mithin für das weitere Verfahren von Bedeutung ist. Keineswegs sieht die Richtlinie vor, den Beschuldigten nachträglich in jedweder Phase des Verfahrens von den Kosten der Verteidigung frei zu halten (OLG Hamburg a.a.O.). So liegt der Fall auch hier. Eine Freistellung des Beschuldigten ist nicht im Interesse der Rechtspflege erforderlich. Aber selbst wenn die Freistellung des mittellosen Beschuldigten eine rückwirkende Bestellung rechtfertigen würde, kann dies nicht gleichermaßen die Freistellung des Nachlasses eines verstorbenen Beschuldigten rechtfertigen.“

Wenn ich schon „Kosteninteresse des Angeklagten“ lese und „vereinzelt“.