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Der erste Tag in Augsburg – was passierte am 1. HV-Tag im Verfahren ./. RA Lucas

 Ich hatte ja am 12.01.2011 bereits den gestrigen Prozessauftakt im Verfahren gegen RA Lucas wegen Strafvereitelung beim LG Augsburg angekündigt (vgl.  hier). 

Der Prozess ist nun gestern (13.01.2011) gestartet und ich will mein Versprechen wahr machen und über den 1. Prozesstag berichten. Allerdings: Ich bin nicht selbst in Augsburg gewesen, bin also nur „Zeuge vom Hörensagen“. Das bitte ich bei der Berichterstattung (und etwaigen Kommentaren ) zu berücksichtigen.

Wie mir berichtet wird, ist das Verfahren am ersten Tag in verhältnismäßig ruhigen Bahnen gelaufen. Die Kammer ist mit zwei Berufsrichtern besetzt, bei denen es sich um noch verhältnismäßig junge Richter handeln soll (liegt wohl daran, dass nach der Ablehnungswelle von den 24 Strafrichtern des LG Augsburg eh nur noch 11 zur Verfügung standen; allmählich gilt dann also: Die Letzten beißen die Hunde).

Verfahrensrechtliche ist – so meine Infos – Folgendes geschehen:

1. Die Verteidigung hat die Einstellung des Verfahrens beantragt, weil es an nicht mehr behebbaren formalen Mängeln leidet und seine Fortsetzung darüber hinaus gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen würde.

2. Die Verteidigung hat die Zuständigkeit des LG Augsburg gerügt. Die StA sieht das – was nicht überrascht – anders. Tatort sei – so die StA – nicht München, wo die Revision verfasst worden sei, sondern Augsburg, wo die Revisionsbegründung habe eingehen müssen und eingegangen sei. Nach ANscht der Verteidigung handelt es sich hierbei aber nur um den „Durchgangsort“. Über die Revision selbst entscheide der BGH in Karlsruhe, allenfalls dort sei der Erfolgsort anzunehmen.

3. Die Verteidigung hat die Behauptung des 1. Strafsenates beim BGH, dass den dienstlichen Stellungnahmen nicht widersprochen worden sei, als falsch zurückgewiesen . RA Lucas habe innerhalb der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO sehr wohl auf die dienstlichen Stellungnahmen erwidert und diesen explizit widersprochen. Dass nach Ansicht des 1. Strafsenates beim BGH RA Lucas den Inhalt der dienstlichen Stellungnahmen „zugestanden“ habe, sei schlicht falsch. Diese fehlerhafte Einschätzung des Bundesgerichtshofes sei offensichtlich und schon aus den Akten heraus erkennbar.

4. Hier fehlt, dass die Kammer die Anträge der Verteidigung zurückgewiesen hat. Die Anklage wurde verlesen, der Angeklagte belehrt. Er hat sich zunächst nicht zur Sache eingelassen.

Heutiges Ergebnis: Noch nicht viel passiert. Am 21.01.2011 geht es weiter: Dann wohl mit der Vernehmung von Zeugen.

Anmerkung: Die Frage des Widerspruchs von RA Lucas gegen den Inhalt der dienstlichen Stellungnahmen im Revisionsverfahren wird sich m.E. schnell klären lassen. Der Widerspruch müsste ja wohl in der Akte sein. Peinlich wäre es, wenn der BGH und die StA das übersehen, man könnte auch sagen „überlesen“ hätten. Denn dann wäre die Prämisse des BGH grundlegend falsch. Es läge schon nach Aktenlage ein non-liquet vor. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auf dieser Basis oder gar eine Anklageerhebung wären zumindest fragwürdig.

 Und hier dann noch die Presseerklärung der Verteidigung:  Zusatz: Und hier dann noch die „Presseschau„.

 

Auf nach Augsburg – zum Prozess gegen RA Lucas – wer fährt mit?

Morgen beginnt in Augsburg erneut das Verfahren gegen den Kollegen Lucas aus Augsburg, das seinen Ausgang in der Entscheidung des BGH in 1 StR 104/08 genommen hat. Der Kollege ist dort wegen Strafvereitelung angeklagt. Es ist der zweite Anlauf, nachdem die erste Hauptverhandlung ausgesetzt werden musste.

Für diejenigen, die nicht wissen, worum es geht, hier eine Zusammenfassung aus einer Mail der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Prozess gegen RA Stephan Lucas soll nun am 13.o1.2011 vor dem LG Augsburg (3.Strafkammer) beginnen und am 21.01. und 4.02.11 jeweils um 9:oo fortgesetzt werden. Öffentlichkeit – gerade auch von KollegInnen – ist erwünscht.
Ich teile diesen Termin mit, weil sich nach den Veröffentlichungen in der Zeitung und den anschliessenden Diskussionen viele KollegInnen gemeldet haben, die sich über die Anklage empörten und zum Prozess kommen wollten.

Dieser war ursprünglich schon für einen Termin vor einem Jahr geplant. Nach einer Schutzschrift der Verteidigung 2009 wurde dann erstmals (!) begonnen, Zeugen zu vernehmen. Weitere Verzögerungen ergaben sich daraus, dass sich immer wieder vorgesehene (Ersatz)-Richter wegen eigener Befangenheit selbst ablehnten, was angesichts der geringen Grösse des Augsburger Landgerichts und der gegebenen persönlichen Nähe der dortigen Richter zu den beiden Richterkollegen als einzigen Belastungszeugen nicht verwundert.

Zur Erinnerung: worum geht es? RA Lucas wird der (vollendeten) Strafvereitelung angeklagt. Sein behauptetes Vergehen besteht darin, dass er 2007 in einer Revisionsschrift vortrug, es habe am Beginn eines BtmG-Prozesses ein Deal-Angebot der Berufsrichter für den Fall eines Geständnisses seines Mandanten  gegeben, das er nach Rücksprache mit dem Mandanten abgelehnt habe. Wegen der dann ausgesprochenen Strafhöhe nach einer Verfahrensdauer von einem Jahr rügte er einen Verstoss gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens („Sanktionsschere“). Die Richter bestritten, dass es ein solches Angebot gegeben habe. Der 1.Senat des BGH (Nack-Senat) wies nicht nur die Revision ab, was in solchen Fällen üblich ist, sondern hielt es für richtig, in einem Zusatz darauf hinzuweisen, er sei befremdet darüber „mit unwahrem Vorbringen konfrontiert zu werden“.

Damit unterstellte er ohne eigene Kenntnis , Lucas habe gelogen und die Richter hätten (natürlich) die Wahrheit gesagt und gab das Stichwort für die wenige Tage später erfolgte Aufnahme der Ermittlungen gegen RA Lucas.

Eine Besonderheit des Verfahrens ist, dass die StA sich nicht genierte, RA Lucas genau vor der Strafkammer anzuklagen, vor der er seinerzeit verteidigte, was eine Flut von Ablehnungen und Selbstablehnungen der Richter zur Folge hatte. Das OLG zwang die (Ersatz)-Strafkammer, die ursprünglich wegen der von der Verteidigung gerügten örtlichen Unzuständigkeit nicht in Augsburg verhandeln wollte, nun doch die Verhandlung durchzuführen.

Das Verfahren hat grundsätzliche Bedeutung für das Verhältnis Richter – Verteidiger. Wenn jeder Verteidiger besorgen muss, wegen Strafvereitelung angeklagt zu werden, wenn er eine Wahrnehmung vorträgt (etwa im Rahmen eines Befangenheitsantrags), dem der betroffene Richter widerspricht, ist Feuer auf dem Dach des deutschen Strafprozesses.“

In der Tat: Das wäre wirklich ein Feuer.

Ich werde hier weiter berichten.

Belügt Verteidiger den BGH?????

Das ist m.E. schon starker Tobak: Da streitet ein Rechtsanwalt sich ein Jahr mit einer Kammer des LG Augsburg in einem BtM-Verfahren. Ein „Deal“ kommt nicht zustande, der Mandant wird zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt. In der Revision wird vom Verteidiger die Strafzumessung gerügt und die Sanktionsschere geltend gemacht. Diese wird von dem Vorsitzenden der Kammer und seinem Beisitzer in einer dienstlichen Erklärung bestritten. Im Verwerfungsbeschluss teilet der 1. Strafsenat des BGH dann mit, er müsse „mit Befremden zur Kenntnis nehmen, dass er mit unwahrem Vorbringen konfrontiert wurde“. Ergebnis: Anklage gegen den Verteidiger wegen Strafvereitelung beim LG Augsburg. Frage: Ist damit dann das Verfahren schon entschieden? und woher, weiß dass der 1. Strafsenat, dass das Vorbringen des Verteidigers „unwahr“ ist. Es gibt auch andere Möglichkeiten.