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Augsburger Puppenkiste – oder doch: Hau den Lucas? – Gedanken zur Urteilsbegründung in Augsburg

Inzwischen ist ja schon einiges zur Begründung des Freispruchs des Kollegen Lucas geschrieben/berichtet worden, wobei sich der „Ärger“ der meisten Kommentatoren auf der Grundlage des Berichts von Spiegel-online an der Art und Weise entzündet, wie der Freispruch begründet worden ist und wie sich der Kammervorsitzende „aufgeführt“ hat. Der Kollege Feltus fragt sich z.B. „Was für Richter gibt es in Augsburg? Zweifelhafte mündliche Urteilsbegründung“. Der Kollege Hoenig sieht Augsburg hinter der Demarkationslinie.

In der Tat: Auch „meinem“ Prozessbeobachter – es handelt sich übrigens um meinen Sozius Dr. David Herrmann, der das Verfahren für die ARGE Strafrecht im DAV „begleitet“ hat – ist die „Gift und Galle“ sprühende Begründung aufgefallen, in der auch wir – wohl wegen des Begriffs „Augsburger Puppenkiste“ unser Fett wegbekommen haben (Letzteres freut mich, weil es zeigt, dass das Blog offenbar auch in Augsburg gelesen wird).

Bevor ich das zusammenfasse aus der mündlichen Urteilsbegründung, was mir wichtig erscheint, vorab zwei Dinge:

  1. Spiegel-online berichtet: „Das Gericht habe auch gerügt, dass Lucas „jede Möglichkeit zur Deeskalation [habe] vergehen lassen„. Das hat mich am meisten erstaunt/erschreckt. Denn das ist ja wohl noch immer das gute Recht eines jeden Angeklagten. Oder?
  2. Und: Das, was von der Urteilsbegründung berichtet wird, macht mir den Eindruck, als habe das Gericht Schwierigkeiten mit dem Freispruch. Denn wie anders soll man eine Formulierung verstehen, in der darauf hingewiesen wird, dass der Freispruch auch nicht der erwartete sei, sondern einer, der nur knapp wegen des Grundsatzes in dubio pro reo ergehe. Was ist ein knapper Freispruch? Es ist ein Freispruch und m.E. sollte eine Kammer die Größe haben, diesen Freispruch nicht zu kommentieren. Ganz oder gar nicht. Es hat für eine Verurteilung nicht gereicht. Dann muss ich frei sprechen. Basta! Und m.E. ohne Kommentar. So hört es sich an wie: Wir hätten Sie ja lieber verurteilt, aber leider ging es nicht.

Zur Sache – und darauf will ich mich beschränken, da zur „Stimmungsmache“ der Kammer schon berichtet ist – zitiere ich aus dem „Prozessbericht“ meines Kollegen:

„Der festgestellte Sachverhalt lasse sich wie folgt zusammenfassen: Am 1. HV-Tag habe es ein Gespräch der Verfahrensbeteiligten gegeben. Diese seien aber vom Revisionsvortrag des Angeklagten klar zu trennen. Denn in dem Gespräch sei es nur um die Vorstellungen der StA gegangen. Die Zeugenaussagen seien hierzu unterschiedlich. Der Sitzungsbericht habe zur Aufklärung beigetragen. Das Strafverfahren wäre sicher schon im Ermittlungsverfahren beendet gewesen, wenn der Sitzungsbericht früher vorgelegen hätte. Allerdings habe der Angeklagte Zahlen zum Strafmaß aus dem Dienstzimmer der Richter und nicht der Hauptverhandlung genannt. Wann dieses Gespräch stattgefunden hat, sei unklar.
Von zentraler Bedeutung seien die Angaben der Zeugin Lang. Denn diese habe bekundet, wie Lucas überlegt habe, was er tun solle. Die Annahme, dass Lucas das erfunden habe, um später eine Revisionsrüge zu erheben, sei abwegig. Allerdings sei eher unwahrscheinlich, dass Lucas tatsächlich Skrupel gehabt habe, das Gespräch nicht doch protokollieren zu lassen. Man habe in der Hauptverhandlung den Eindruck gewonnen, der Angeklagte suche für seinen Mandanten jede sich bietende Möglichkeit, um Konflikte mit dem Gericht auszutragen. Bestätigt werde dies durch Berichte aus der Zeitung zu diesem Verfahren, die davon sprechen, dass Lucas und Haeusler sich von Anfang an aneinander rieben und auf Konfrontation gingen. Andere Zeitungsberichte sprächen gar davon, dass Lucas eine – Zitat – „Plage für die Richter“ sei. Objektiv sei also der Revisionsvortrag falsch. Es sprächen verschiedene Argumente gegen eine sichere Zusage zur Strafhöhe durch das Gericht (wurde ausgeführt). Aber subjektiv muss davon ausgegangen werden, dass Lucas meinte, ein Angebot erhalten zu haben. An der insofern zentralen Aussage der Zeugin Lang komme auch die StA nicht vorbei. Hierbei sei unklar, ob Lucas die Richter falsch verstanden oder sich geirrt habe. Hätte man ihm eine bewusste Lüge nachweisen können, dann wäre hier eine hohe Geldstrafe angezeigt gewesen (Anmerkung: Anspielung auf den völlig überzogenen Antrag der StA). Eher sei aber wohl die subjektive Wahrnehmung von Lucas „4 Jahre und 6 Monate“ gewesen für „Geständnis + § 31 BtMG“. Allerdings habe er demgegenüber in der Revision etwas anderes vorgetragen. Dort sei die Rede von einem „Geständnis im Sinne der Anklage“. Der Revisionsvortrag und die Information an den Mandanten gehen hier auseinander, es fehlen Ausführungen zum § 31 BtmG. Es sei fraglich ob diese Abweichung bewusst erfolgt sei oder aus Unkenntnis des Unterschiedes und der gesetzlichen Vorgaben. Kannte Lucas also den Unterschied zwischen „Geständnis“ und „Geständnis + 31“? Dies sei nicht sicher beurteilbar. Das Gericht schrieb ihm ins Stammbuch, dass er sich ja mit Hilfe eines Kommentars oder Fachliteratur fortbilden könne. Im Ergebnis sei nicht sicher ausschließbar, dass Lucas sich aber geirrt habe. Schließlich habe er auch wegen einer anderen Revision unter erheblichem Zeitdruck gestanden und sich die Blöße gegeben, sogar bei ausgerechnet derjenigen Kammer, mit der er sich ein Jahr lang gestritten hatte, die Übersendung des Protokolls absprachegemäß verzögern zu wollen (wohl um so die Revisionsbegründungsfrist zu verlängern). Das Gericht habe hier ausdrücklich nicht „hau den Lucas“ spielen wollen und ihn deshalb freigesprochen
.“

Ups, jetzt ist es viel geworden. Na ja, war ja auch ein bedeutender Anlass. Abschließend nur die Frage: War es nicht doch „Hau den Lucas“? M.E. war es allerdings keine „Justizposse“ , wie Spiegel-online offenbar meint, wenn es seinen Beitrag beginnt mit: „Ende einer Justizposse“.

Wir bleiben hier im Übrigen am Ball. Es stellt sich ja noch die interessante Frage, ob die StA in die Revision geht. Und: Wie geht man mit den Zeugenaussagen aus dem Verfahren um? Da darf man gespannt sein, ob es ggf. Verfahren wegen Falschaussagen geben wird. Wir nehmen Wetten an :-).

Freispruch für RA Lucas – erste Reaktionen/Meldungen – Augsburger Puppenkiste in der Nachlese

Nach dem heutigen Freispruch im Augsburger Verfahren ./. Kollegen RA Lucas, über den wir ja schon heute mittag – live aus dem Gerichtssaal, na ja, fast :-), zumindest wohl als erste – berichtet hatten, gibt es erste Reaktionen/Meldungen.

Hinweisen darf ich auf den Bericht von Holzhaider in der SZ vom heutigen Tage (vgl. den Prozessbericht). Er zeigt eine erste Tendenz aus der Urteilsbegründung auf, auf die wir in den nächsten Tagen noch näher eingehen werden.

Und – ergänzt am 02.04.2011 – 10.05 Uhr – auf den Bericht von G.Friedrichsen bei Spiegel-online.

Sensation: Freispruch im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg – kein Aprilscherz!

Nein, es ist kein Aprilscherz. Unser Prozessbeobachter im Augsburger Verfahren meldet gerade: FREISPRUCH für den Kollegen Lucas.

Das ist m.E. schon eine kleine Sensation, zumindest aber, nachdem die Kammer die persönlichen Verhältnisse pp. erörtert hat, doch überraschend. Über die genauen Gründe kann ich noch nichts sagen. Mehr als diese Info liegt mir noch nicht vor. Aber: Ein Ergebnis, mit dem Verteidiger leben können und das m.E. auch dem Prozessverlauf entspricht. Über alles andere mehr, wenn wir Genaueres wissen.

Nachlese II – Augsburger Puppenkiste – nochmals, was andere zum Verfahren ./. Lucas meinen

Hier dann eine weitere Nachlese zum Verfahren Lucas bzw. zum 7. HV-Tag, und zwar:

  1. Den Prozessbericht des Kollegen Grabow.
  2. Die Resolution des 35. Strafverteidigertages.
  3. Das Interview des Präsidenten der RAK München aus der SZ zu dem Verfahren  – wer weiß, wie zurückhaltend RAK-Kammern sonst sind, wird m.E. über die deutliche Wortwahl überrascht sein; aber Recht hat er, der RAK Präsident.

Nachlese – Augsburger Puppenkiste – was andere zu dem Verfahren ./. Lucas in Augsburg sagen

M.E. waren wir das erste und lange auch wohl das einzige Blog, das sich um das Verfahren ./. Lucas in Augsburg gekümmert hat. Inzwischen haben aber auch andere Blogs das Verfahren entdeckt.

So hat der Kollege Flauaus in der vergangenen Woche dazu Stellung genommen, der Kollege Fischer hat noch mal auf den „Urteilstermin“ hingewiesen und zur „Sanktionsschere“ ausgeführt, der Kollege Hönig dann auf die Resolution des 35. Strafverteidigertages vom vergangenen Wochenende, die der Kollege Nebgen heftig als zu vorschnell bzw. zu resolut kritisiert.

Die Kommentatoren beim Kollegen Nebgen sprechen gar teilweise von einem Eingriff in ein laufendes Verfahren. Letzteres sehe ich nicht. Warum sollen Verteidiger nicht eine „Untersuchung“ fordern dürfen, bevor das Verfahren – so oder so – beendet ist. Allerdings: Ich glaube nicht, dass es eine solche geben wird, denn dann müsste sich die Staatsanwaltschaft ja wohl mit der Frage auseinandersetzen, warum eigentlich der „Terminsbericht“ der Sitzungs-StAin aus dem Ursprungsverfahren erst so spät Eingang in das Verfahren ./. RA Lucas gefunden hat.

Auf den Ausgang des Verfahrens Lucas darf man allerdings nach wie vor gespannt sein, denn eins ist sicherlich richtig: Es geht auch um die Frage der Glaubwürdigkeit von Richtern.