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Strafvereitelung des Strafverteidigers – Wann ist der Rat zu „Selbstschutzmaßnahmen“ des Beschuldigten strafbar?

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Die Strafvereitelung des Strafverteidigers ist ein Thema, das von erheblicher praktischer Relevanz ist. Daher verdient der OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.03.2012 – 1 St OLG Ss 272/11 -Beachtung, über die wir demnächst auch im StRR berichten werden.

Zum Sachverhalt: Der angeklagte Rechtsanwalt war Verteidiger eines wegen eines Verstoßes gegen das BtMG angeklagten Mandanten. Im Anschluss an eine Sitzung eröffnete er diesen, dass es für ihn nicht gut aussehe und es deshalb an der Zeit wäre, die Verteidigungsstrategie zu ändern, denn es sei demnächst mit einer belastenden Aussage des Mitangeklagten H zu rechnen. Er forderte von sich aus seinen Mandanten auf, den H fälschlicherweise einer 50:50-Beteiligung an den Rauschgiftdelikten zu bezichtigen und dazu die im Raum stehenden Mengen des gehandelten Rauschgifts zu erhöhen. Der H sollte auf diese Weise in ein schiefes Licht gerückt werden, wovon sich der Verteidiger eine Einbuße der Glaubwürdigkeit der den G belastenden Angaben des H und verbunden damit eine mildere Strafe für seinen Mandanten versprach. Zusätzlich forderte er den G auf, auch der weiteren Mitangeklagten L „etwas hineinzudrücken“, also diese mit falschen Vorwürfen zu belasten, um auf diese Weise deren Glaubwürdigkeit zu erschüttern und dadurch eine Strafmilderung für seinen Mandanten zu bewirken. In einer Art „Brainstorming“ erörterte er dazu mit seinem Mandanten die Konstruktion möglicher Sachverhaltsvarianten. Im Anschluss daran vereinbarte der Strafverteidiger einen polizeilichen Vernehmungstermin. Vor der Vernehmung besprach er vertraulich mit seinem Mandanten dessen beabsichtigte Aussage, die – wie der Verteidiger wusste – zwar falsch war, aber von ihm als „gute Story“ angesehen wurde. In der Vernehmung machte der G die falschen Aussagen in Anwesenheit des Verteidigers.

Das OLG hat das landgerichtliche Urteil im Strafausspruch aufgehoben; das LG hatte den Verteidiger wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf ohne Bewährung verurteilt. Den Schuldspruch hat das OLG bestätigt. Das OLG argumentiert wie folgt:

  • Grundsätzlich darf der Verteidiger alles tun, was in gesetzlich nicht zu beanstandener Weise seinem Mandanten nützt.  Hier hat der Verteidiger aber, was vom OLG zutreffend festgestellt wird, die Grenzen des Zulässigen klar überschritten.
  • Aus dieser Feststellung folgt für das OLG aber noch nicht die Strafbarkeit des Verteidigers, sondern erst durch die anschließende Bejahung täterschaftlichen Handelns des Verteidigers. Damit bekennt sich das OLG Nürnberg ausdrücklich zur Abgrenzung nach den Regeln der Tatherrschaftslehre und folgt dabei der von einem Teil des Schrifttums vertretenen Theorie von der straflosen Veranlassung zum Selbstschutz . Demnach handelt es sich um bloße straflose Teilnahme an der Selbstbegünstigung, wenn der Verteidiger den Vortäter zu Selbstschutznahmen auffordere oder ihn darin bestärke. Dagegen ist er Täter der Strafvereitelung, wenn er den Mandanten eigenständig sachlichen Beistand in Form physischer oder intellektueller Hilfe gewährt, also z.B. konkrete Hilfe, Ratschläge oder Tipps gibt. Und das war hier schon durch das eigenständige Erfinden von Lügen der Fall. Auf die späteren Akte der Vorbereitung der polizeilichen Vernehmung bzw. auf die Teilnahme an derselben durch den Verteidiger, worauf das OLG abstellt, kam es m.E. gar nicht mehr an..

Verzögerte Rückgabe der Akten – Strafvereitelung?

Im Forum bei HeymannsStrafrecht berichtet ein Kollege darüber, dass ihm ein Münchner Kollege berichtet habe, „dass er von 2 Verteidigern weiß, die einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sind. Vorwurf ist, dass sie die Ermittlungsakten nach Einsicht zu spät zurückgegeben hätten und dadurch das Verfahren so erheblich verzögert, dass hierin eine (versuchte) Strafvereitelung zu sehen wäre. Die Verzögerungen hätten je mehrere Wochen gedauert. Eine Entscheidungen hierzu sind noch nicht ergangen.“

Der Kollege fragt, ob den Forumsmitgliedern solche Vorgänge bekannt sind und/oder, ob es dazu bereits Entscheidungen gibt. Bisher liegen dazu noch keine konkreten Antworten vor.

Ich gebe die Frage hier mal weiter. Kennt jemand solche Verfahren?

Vorläufiges Berufsverbot für den Rechtsanwalt – muss schon zeitnah kommen

Der angeklagte Rechtsanwalt wird mit nicht rechtskräftigem Urteil des Landgerichts im Berufungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt; gleichzeitig wird gegen den Angeklagten ein Berufsverbot für die Tätigkeit als Rechtsanwalt für die Dauer von drei Jahren verhängt. Mit Beschluss vom selben Tag hat die Berufungskammer gegen den Angeklagten gemäß § 132a StPO dann ein vorläufiges Berufsverbot für die Tätigkeit als Rechtsanwalt verhängt. Dagegen die Beschwerde des Angeklagten, die beim OLG Nürnberg Erfolg hatte.

Zur Sache kann man leider wenig sagen, da insoweit der OLG Beschluss „dünn ist“, da er nur auf die landgerichtliche Entscheidung Bezug nimmt. Aber verfahrensrechtlich ist zumindest ein vom OLG angesprochener Punkt von Interesse. Das OLG führt im OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.07.2011 – 1 Ws 31o/11 aus:

….Allein das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 70 StGB i.V.m. § 132a StPO rechtfertigt ein vorläufiges Berufsverbot jedoch noch nicht. Wegen der überragenden Bedeutung von Art. 12 Abs. 1 GG muss hinzukommen, dass die als Präventivmaßnahme mit Sofortwirkung ausgestaltete Anordnung wegen ihrer erheblichen Intensität und irreparablen Wirkung erforderlich ist, um bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwehren, die aus einer Berufsausübung durch den Angeklagten resultieren können (vgl. BVerfG EuGRZ 2006, 197, BVerfGE 48, 292). Daran fehlt es vorliegend, da die Berufungskammer in diesem Zusammenhang alleine auf die im Rahmen des § 70 StGB zu prüfende Wiederholungsgefahr abgestellt und nicht auch geprüft hat, aufgrund welcher konkreten Gefahrenlage ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Urteils nicht verantwortet werden kann.

Zwar wird grundsätzlich auch die konkrete Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen durch die Art und Schwere der vorgeworfenen Taten indiziert. Diese Indizwirkung geht jedoch verloren, wenn zwischen dem Begehungszeitpunkt und der vorläufigen Maßnahme nach § 132a StPO ein erheblicher Zeitraum liegt und außerdem feststeht, dass der Beschwerdeführer in dieser Zeitspanne keine weiteren gleichgelagerten oder ähnlichen Straftaten verübt hat bzw. Anhaltspunkte hierfür ersichtlich sind (OLG Brandenburg StV 2001, 106).

Da nach Sachlage jedoch keine Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer, außer der ihm gegenständlich für den 15.5.2008 zur Last gelegten Tat, weiterer gleichgelagerter oder ähnlicher Fälle verdächtig ist, und außer der Art und Schwere der vorgeworfenen Tat auch sonst keine Umstände ersichtlich sind, die eine konkrete Gefahr im dargestellten Sinne begründen könnten, war der angefochtene Beschluss aufzuheben.“

Also: Aufhebung wegen langen Zeitablaufs und damit im Grunde Übertragung der Rechtsprechung zur nicht mehr zulässigen vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach langer Zeit (vgl. dazu vor kurzem das KG).

Nochmals: Augsburger Puppenkiste… Schlusspunkt (?) im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg

Lang, lang ist es her, dass wir hier über das Verfahren gegen RA Lucas berichtet haben, das am 01.04.2011 mit einem Freispruch vom Vorwurf der Strafvereitelung geendet hat.

Inzwischen liegt das schriftliche begründete Urteil vor. Wer Lust hat, kann es hier nachlesen. Damit ist dann der Schlusspunkt gesetzt.

Augsburger Puppenkiste – zum (hoffentlich) letzten Mal zum Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg – Freispruch rechtskräftig

Die Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V. informiert gerade über eine Nachricht des Kollegen Wächtler, München, der einer der Verteidiger im Verfahren Lucas war. Danach hat die Staatsanwaltschaft Augsburg darauf verzichtet, gegen das Urteil vom 01.04.2011 Revision einzulegen, so dass der Freispruch des Kollegen Lucas damit rechtskräftig ist.

Nun ja: So mutig 🙂 war die StA dann doch nicht, mit dem Verfahren nun auch noch zum BGH zu ziehen. Obwohl: Mich hätte schon interessiert, wie der 1. Strafsenat des BGH als „Verfahrensauslöser“ damit umgegangen wäre.