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StPO III: Keine Anfechtung der Terminsverfügung, oder: Elternzeit des Verteidigers in einer Haftsache

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Und dann als dritte und letzte Entscheidung heute der KG, Beschl. v. 15.03.2022 – 2 Ws 27/22 – zur Frage der Möglichkeit der Anfechtung der Terminierung. Ergangen ist die Entscheidungt in einem Strafverfahren gegen sechs Angeklagte – darunter solche, die vom Vollzug der Untersuchungshaft verschont sind – wegen (u.a.) gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in insgesamt über 300 Fällen.  Die Anklage datiert vom 15.05.2020. Das Hauptverfahren ist unter Zulassung der Anklage (mit einigen Änderungen) am 07.05.2021 eröffnet worden.

Mit Verfügung vom 18.11.2021 hat der Vorsitzende der Strafkammer 31 Termine zur Durchführung der Hauptverhandlung ab dem 09.06.2022 bis zum 25.10.2022 anberaumt und  alle Verteidiger aufgefordert, binnen zwei Wochen Vorschläge für die Bestellung von je einem weiteren Pflichtverteidiger oder einer Pflichtverteidigerin zur Verfahrenssicherung zu unterbreiten. Am 06.12.2021 beantragte dann die Angeklagte M., mit der Hauptverhandlung erst ab dem 29.09.2022 zu beginnen und alle früheren Termine aufzuheben und ggf. notwendige weitere Termine erst nach dem 25.10.2022 anzusetzen, weil sich ihr (Wahl-) Verteidiger vom 18.03. bis zum 17.09.2022 in Elternzeit befinden werde. Mit E-Mail an ihren Verteidiger vom 17.12.2021 lehnte der Vorsitzende diesen Antrag unter Hinweis auf den Beschleunigungsgrundsatz ab.

Dagegen die Beschwerde der Angeklagten, die das KG als gemäß § 305 Satz 1 StPO unstatthaft und deshalb unzulässig angesehen und deshlab zurückgewiesen hat.

Das KG referiert die unterschiedlichen Auffassungen in der Rechtsprechung zu der Frage, ob eine Anfechtung der der Terminierung statthaft ist oder nicht. Es schließt sich dann der Auffassung an, die das verneint:

„d) Der Senat ist der Auffassung, dass die Beschwerde gegen Terminsverfügungen des Vorsitzenden grundsätzlich unstatthaft ist. Die Terminierung stellt geradezu einen „Musterfall“ für den vom Gesetzgeber gewollten Ausschluss der Beschwerde nach § 305 Satz 1 StPO dar. Dem Angeklagten stehen auch ohne die (gegen den Wortlaut der Vorschrift konstruierte) Fiktion einer ausnahmsweise doch statthaften Beschwerde effektive Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung. So kann er im Falle der Verhinderung des Verteidigers sein Vorbringen ohne weiteres in der Hauptverhandlung gemäß §§ 228 Abs. 2, 265 Abs. 4 StPO im Rahmen eines Aussetzungsantrages geltend machen. Wird der Antrag zu Unrecht abgelehnt, kann der Angeklagte seine Revision auf eine Verletzung des § 338 Nr. 8 StPO stützen, so dass für eine selbständige Beschwerdemöglichkeit kein Bedarf besteht (vgl. MüKo-StPO/Arnoldi, 1. Aufl., StPO, § 213 Rn. 16). In Betracht käme in anderen Fällen mangelnder Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen eines Angeklagten auch die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK).

Etwas Anderes hat nur dann zu gelten, wenn die Terminsverfügung im Revisionsverfahren nicht überprüfbar ist (z.B. weil sie die ersatzlose Absetzung der Hauptverhandlung zum Inhalt hat). Dann geht sie allerdings der Urteilsfällung auch gerade nicht voraus.“

Und/Aber:

„2. Im Ergebnis wäre die Beschwerde hier zudem unbegründet.

Der Vorsitzende hat erkannt, dass die Organisation der Hauptverhandlung in seinem Ermessen steht (vgl. KK-StPO/Gmel, 8. Aufl., StPO § 213 Rn. 1). Er hat in seinem Schreiben an den Verteidiger der Angeklagten das von ihm ausgeübte Ermessen erläutert und seine Abwägungsentscheidung sachlich mit dem Beschleunigungsgrundsatz in Straf- und – insbesondere – in Haftsachen und der Rücksicht auf die Interessen der weiteren Verfahrensbeteiligten begründet. Die von der Verteidigung vertretene Auffassung, die von ihr erstrebte Verzögerung des Beginns der Hauptverhandlung von über drei Monaten sei „allenfalls marginal“, ist gerade mit Blick auf die bereits eingetretenen Verzögerungen nicht nachvollziehbar.“

Pflichti III: Bestellung eines Sicherungsverteidigers, oder: Beschwerde im eigenen Namen eingelegt?

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Und zum Schluss dann noch etwas zum Sicherungsverteidiger (§ 144 StPO). Dazu hat das KG im KG, Beschl. v. 14.01.2022 – 4 Ws 4/22 – Stellung genommen. Ich stelle hier nur mal die Ausführungen dews KG zur Statthaftigkeit der Beschwerde ein:

1. Die form- und fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde ist gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie im Namen des beschwerdeberechtigten Angeklagten eingelegt.·

Dafür spricht zunächst die in § 297 StPO enthaltene gesetzliche Vermutung, wonach Rechtsmittel eines Verteidigers im Auftrag und mit Willen des Beschuldigten eingelegt werden. Unbeschadet der Tatsache, dass der Verteidiger dabei aus eigenem Recht, und. im eigenen Namen tätig wird, handelt es sich bei dem eingelegten Rechtsmittel. um ein solches des Beschuldigten (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2019 – 2 StR 181/19; Rn. 10, juris. m. w. N.).

Es spricht nichts dafür, dass die sofortige Beschwerde hier abweichend davon im eigenen (Gebühren-) Interesse des Rechtsanwalts erhoben worden ist. Im Gegenteil verfolgt das Rechtsmittel in der Sache einen Beiordnungsantrag weiter, den der Angeklagte auch selbst gestellt hatte. Die Beschwerdebegründung bezieht sich sogar ausdrücklich auf diesen Antrag des Angeklagten. Inhaltlich argumentiert der Verteidiger ebenfalls mit Interessen seines Mandanten, nämlich insbesondere mit dessen Recht auf ein faires und zügiges Verfahren.

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, denn die Entscheidung des Strafkammervorsitzenden ist nicht zu beanstanden….“

Wegen der Einzelheiten der Begründetheit begnüge ich mich mit dem Leitsatz, das die Entscheidung auf der Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung liegt:

Zentrale Voraussetzung für die Bestellung eines Sicherungspflichtverteidigers nach § 144 Abs. 1 StPO ist, dass die Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens die Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers erfordert. Eine solche Bestellung ist nicht schon dann geboten, wenn sie eine das weitere Verfahren sichernde Wirkung hat; vielmehr muss sie zum Zeitpunkt ihrer Anordnung zur Sicherung der zügigen Verfahrensdurchführung notwendig sein.

Mit den Ausführungen des KG zur Statthaftigkeit kann man sicherlich gut in anderen Sachen argumentieren. Denn es ist ja nicht selten ein beliebtes „Spiel“ der StA einzuwenden, dass ein Rechtsmittel im eigenen Namen des Verteidigers eingelegt sei.