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Dolmetscher/Sachverständiger im Ermittlungsverfahren – Zeuge im Strafprozess, oder: Das geht…-,

© Dan Race Fotolia .com

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Folgender Sachverhalt lag dem BGH, Beschl. v. 20.01.2016 – 4 StR 376/15 – zugrunde: In einem BtM-Verfahren werden im Ermittlungsverfahren zwei Dolmetscher beschäftigt. und zwar als Sachverständige. In der Hauptverhandlung werden sie dann „nur“ als Zeugen vernommen. Das wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht. Der BGH sagt dazu geht und im Übrigen Verfahrensrüge nicht ausreichend begründet:

„Entgegen der Auffassung der Revisionen ist die Strafkammer durch den Umstand, dass die beiden Übersetzer im Ermittlungsverfahren bei der Übertragung aufgezeichneter Telefongespräche in die deutsche Sprache als Sachverständige tätig waren, nicht gehindert gewesen, sie in der Hauptverhandlung ausschließlich als Zeugen zum Gegenstand ihrer sinnlichen Wahrnehmung zu vernehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, NJW 2003, 150, 151; Trück in MüKo-StPO, § 85 Rn. 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Mai 1965 – 2 StR 92/65, BGHSt 20, 222, 223 f.; Beschlüsse vom 15. August 2001 – 3 StR 225/01, NStZ 2002, 44; vom 18. März 2010 – 3 StR 426/09, NStZ-RR 2010, 210 [Ls]).Die Rüge, mit welcher der Angeklagte P. beanstandet, dass die beiden Übersetzer vor ihrer zweiten Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung auf Veranlassung des Gerichts einzelne Telefongespräche erneut anhörten, ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dabei kann dahinstehen, ob der pauschale Verweis der Revision auf eine Vorgabe „des Gerichts“ den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, weil sich aus den Urteilsgründen, die der Senat aufgrund der gleichfalls erhobenen Sachrüge zur Kenntnis nimmt, ergibt, dass die Aufforderung zum erneuten Abhören einiger Telefongespräche durch den Vorsitzenden der Strafkammer am 16. Hauptverhandlungstag erfolgte. Die Rüge ist aber unzulässig, weil dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer die Aufforderung des Vorsitzenden, bei der es sich um eine auf die Sachleitung bezogene Anordnung handelte (vgl. Schneider in KK-StPO, 7. Aufl., § 238 Rn. 11), nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hat. …

Interessant auch das, was der BGH offen gelassen hat:

„Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob die Grundsätze, die für die Vorbereitung von Zeugenvernehmungen zu in amtlicher Eigenschaft gemachten Wahrnehmungen gelten (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 1950 – 2 StR 50/50, BGHSt 1, 4, 8; vom 11. November 1952 – 1 StR 465/52, BGHSt 3, 281, 283; vom 21. März 2012 – 1 StR 43/12, NStZ 2012, 521, 522 f.; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 69 Rn. 8; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 69 Rn. 9; Franke in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 69 Rn. 4), auf von der Polizei im Ermittlungsverfahren hinzugezogene sachverständige Hilfspersonen übertragen werden können.“

Justiz kann Sachverständige nicht mehr bezahlen

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„Justiz kann Sachverständige nicht mehr bezahlen“. Echt? Wo. nun ja, nicht „bei uns“, sondern in Eupen, wie man denmBeitrag: Eupener Justiz kann Sachverständige nicht mehr bezahlen,auf den mich gestern ein Kollege aus der Eifel hingewiesen hatte. Berichtet wird in ihm über die Justiz in Eupen, wo die Kassen schon seit Juni so leer sind, dass man Sachverständige nicht mehr bezahlen kann. Die arbeiten dann erst mal „pro bono – gezwungener Maßen – oder auch gar nicht.Da heißt es.

„Seit Juni ist das Budget der Justiz  für diese Experten aufgebraucht. Mit anderen Worten: Dienstleistungen werden erbracht, doch die Rechnungen werden nicht mehr fristgerecht bezahlt. Monate, gar Jahre müssen die Betroffenen dann auf ihr Geld warten. Deshalb haben viele das Handtuch geworfen und verzichten darauf, für die Justiz zu arbeiten.

Psychologen flüchten

Einer von ihnen ist der Eupener Psychologe Elmar Homburg. Elf Jahre lang arbeitete er mit viel Begeisterung regelmäßig für die Eupener Justiz. Ihr bescheinigt er auch eine sehr gute Zusammenarbeit. Auch wenn die Honorare spärlich waren, sei die Arbeit zusätzlich zu seiner Privatpraxis sehr interessant gewesen. Jahrelang wurden die Honorare regelmäßig ausgezahlt:

Kann „bei uns“ natürlich nicht passieren – oder doch? Jedenfalls würden sich in Haftsachen sehr schnell die OLG melden – im Rahmen der Sechs-Monat-Prüfung.

Darf der Verteidiger „kinderpornografische Schriften“ weitergeben – ja, aber….

AusrufezeichenWir erinnern uns: Im Frühjahr 2013 hat der der OLG Frankfurt, Beschl. v. 02.11.2012, 2 Ws 114/12 – nicht nur die Blogs (vgl. unseren Beitrag Die Weitergabe von Kinderpornografie durch den Verteidiger – strafbar?) sondern auch die Fachzeitschriften beschäftigt/bewegt. In der Sache ging es u.a. um die Frage, ob sich ein Verteidiger nach § 184b Abs. 2 StGB strafbar macht wegen der Verschaffung des Besitzes Dritter an kinderpornografischen Schriften, wenn er diese, z.B. im Rahmen eines Gutachtenauftrags an einen Sachverständigen, zur Verfügung stellt. Das LG Marburg hatte das  unter Hinweis auf § 184b Abs. 5 StGB verneint und das Verfahren nicht eröffnet. Das OLG Frankfurt hatte das anders gesehen und das Verfahren eröffnet. In der Hauptverhandlung hatte das LG dann – wie im Grunde nicht anders zu erwarten – den angeklagten Rechtsanwalt insoweit aus rechtlichen Gründen frei gesprochen. Die Sache hat dann den BGH beschäftigt, der durch Urteil vom 19.03.2014 den Freispruch aufgehoben hat. Das BGH, Urt. v. 19.3.2014 – 2 StR 445/13 – ist inzwischen auf der Homepage des BGH eingestellt. Hat – aus welchen Gründen auch immer – länger gedauert.

Die BGH-Entscheidung lässt sich etwa in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

1. Der Ausnahmetatbestand des § 184b Abs. 5 StGB ist nicht auf die Tätigkeit von Be­hör­den beschränkt, sondern kann auch Strafverteidiger und Sachverständige betreffen. Zu Verteidigungszwecken kann der Strafverteidiger das Aktenmaterial, das kinder­pornographische Schriften enthält, auswerten und dazu auch Berufshelfer einschalten.

2. Die Besitzverschaffung an Dritte ist dem Strafverteidiger aber nur erlaubt, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsaufgabe erforderlich ist.

Also, ein „Ja, aber“, mit dem Verteidiger in der Praxis aber m.E. ganz gut leben können. Denn der BGH bestätigt das Recht des Verteidigers, eigene Ermittlungen durchzuführen und ggf. Sachverständige zu beauftragen, selbst wenn dabei einem Dritten kinderpornografische Dateien zur Verfügung gestellt werden. Allerdings ist dies nur dann durch § 184b Abs. 5 StGB gedeckt, wenn es zur Wahr­nehmung der Verteidigeraufgabe erforderlich ist. Das ist aber für mich eine Selbstverständlichkeit. Aus dem Urteil des LG ergaben sich hier nicht die Voraussetzungen des § 184b Abs. 5 StGB; deshalb hat der BGH aufgehoben.

Offen ist noch die vom BGH nicht entschiedene und nicht zu entscheidende Frage, ob der Verteidiger seinem Mandanten Aktenkopien mit kinderpornografischen Material überlassen darf. M.E. wird man die Frage kaum anders beantworten können: Sofern es für die Wahrnehmung der Verteidigeraufgabe erforderlich ist, darf der Verteidiger die entsprechenden Kopien von Akten an seinen Mandanten weiterreichen.