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StGB II: Richterbeleidigung durch Freislervergleich?, oder: Meinungsfreiheit?

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Im zweiten Beitrag geht es um einen Beschluss des AG Brühl. Das hat die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen Rechtsanwalt abgelehnt, Der war wegen Beleidigung eines Richters (§ 185 StGB) angeklagt. Es hat in einem zivilrechtlichen Verfahren Streit um die Höhe des Streitwertes gegeben.

Der Richter hatte den Streitwert heruntergesetzt. Darauf hatte der Rechtsanwalt mit einem Schriftsatz reagiert, in dem es hieß – so die Anklage:

„Der Angeschuldigte übersandte am 28.04.2023 per beA einen Schriftsatz an das Landgericht pp., Az: pp..

In diesem Schriftsatz führte er auf der ersten Seite aus:

„Wahrscheinlich hat Herr pp. auch seine netten Seiten, und nur Schwierigkeiten damit, sie zu zeigen, da aus dem kollektiven Unbewusstsein der deutschen Richterschaft hier und da „dunkle Momente“ in ihm durchbrechen, eine Art „Schatten“:

Auf der Folgeseite platzierte der Angeschuldigte zwei Schwarz-Weiß-Photos des Präsidenten des NS-Volksgerichtshofs, Roland Freisler, sitzend, in Richterrobe, neben denen er zwei Textfelder wie Sprechblasen positionierte.

lm ersten Textfeld schrieb er

„Es gibt hier immer wieder sog. Anwälte, die meinen, sich mit dem RVG wegen PKH an der deutschen Staatskasse bereichern zu können.“

lm zweiten Textfeld schrieb er

„Die Schlange des Bolschewismus lauert überall.

Meine Ermittlungen haben ergeben, was sich hinter RVG und PKH tatsächlich verbirgt:

RechtsVerhinderungsGesinnung und

ProzessKommunismusHeuchelei.

Das internationale Finanzanwaltstum sabotiert darüber lediglich die Rechtsfindung.“

Auf der dritten und letzten Seite seines Schriftsatzes warum wiederum zwei Lichtbilder platziert.

Bei dem ersten Lichtbild ist der vorgenannte Freisler in Uniform stehen offensichtlich bei einer Tischrede zu sehen. ln dem neben seinem Kopf befindlichen Textfeld schrieb der Angeschuldigte

„Daher frage ich euch:

Wollt ihr den totalen Rechtsstaat? Wollt ihr ihn, wenn notwendig, totaler und radikaler, als ihr ihn euch heute auch nur vorstellen könnt? Seid ihr für die Abschaffung von RVG und PKH?“

Neben die Köpfe der weiteren auf dem Bild sichtbaren Personen platzierte der An geschuldigte als Denkblasen erkenntliche Textfelder.

ln dem einen schrieb er

„Nehmt ihnen alles. Lasst den Anwälten nur noch hineinweinen können.“

ln einem weiteren schrieb er:

„Anwälte… Volksschädlinge“

und direkt daneben in einem weiteren ein Taschentuch, in das sie

„Ja.Ja.“

Auf dem zweiten Lichtbild ist wiederum der vorgenannte Freisler in Richterrobe sitzend zu sehen.

Über seinem Kopf befindet sich eine Denkblase mit dem Text

„Wenn man ihnen nicht mehr als 800kcal/d gibt, verschwindet das Anwaltsproblem von alleine.“

Rechts vom Kopf des Freisler befindet sich ein weiteres Textfeld mit dem lnhalt

„Streitwert?

Nicht mehr als 6.000 €. Alles andere erschiene völlig willkürlich.“

Die letzte Seite des Schriftsatzes ist rechts unten mit Name und Berufsbezeichnung des Angeschuldigten versehen.“

Der Angeschuldigte beabsichtigte mit diesem Schriftsatz, den Zeugen pp., der als Vorsitzender Richter am Landgericht pp. mit dem unter dem o.g. Aktenzeichen geführten Rechtsstreit befasst war, durch den Vergleich mit dem als lnbegriff des nationalsozialistischen „Blutrichters“ geltenden Freisler in dem ihm zustehenden Ehranspruch herabzusetzen.

Vergehen der Beleidigung nach §§ 185, 194 StGB

Das AG hat im AG Brühl, Beschl. v. 27.02.2024 – 51 Ds-74 Js 273/23-280/23 – die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt:

„Nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens erscheint der Angeschuldigte einer Straftat nicht hinreichend verdächtig. Hinreichender Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung wahrscheinlich ist.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die sich aus der Anklageschrift vom 20.10.2023 ergebenen Äußerungen des Angeschuldigten, die er auch nach eigener Einlassung im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens schriftsätzlich vor dem pp. getätigt hat, erfüllen nicht den Straftatbestand des § 185 StGB, da diese nach § 193 StGB noch gerechtfertigt sind.

Die gegenständlichen Äußerungen fallen in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Sie sind durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt und deshalb als Werturteil anzusehen. Die polemische oder verletzende Formulierung einer Äußerung entzieht diese grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 — 1 BvR 1476/91 —, BVerfGE 93, 266-319).

Art. 5 Abs. 2 GG gewährt das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nur in den Schranken der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die Vorschrift des § 185 StGB gehört. Steht ein Äußerungsdelikt in Frage, so ist daher grundsätzlich eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und der persönlichen Ehre des von der Äußerung Betroffenen andererseits droht, vorzunehmen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 14. Juni 2019 —1 BvR 2433/17 —, Rn. 17, juris). Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 — 1 BvR 1476/91. —, BVerfGE 93, 266-319). Dies gilt insbesondere auch für die Kritik an richterlichen Entscheidungen. Im Rahmen einer Gesamtabwägung muss berücksichtigt werden, dass ein Richter schon von Berufs wegen in der Lage und auch gehalten ist, überpointierte Kritik an seiner Arbeit beim „Kampf um das Recht“ auszuhalten (so auch OLG München, Beschluss vom 31. Mai 2017 — 5 OLG 13 Ss 81/17 —, Rn. 12, juris).

Eine Abwägung findet nur dann nicht statt, wenn die herabsetzende Äußerung eine Formalbeleidigung oder Schmähung darstellt. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Merkmal der Schmähung ist die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Von ihr ist lediglich dann auszugehen, wenn sich der ehrbeeinträchtigende Gehalt der Äußerung von vorneherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes bewegt (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 14. Juni 2019 —1 BvR 2433/17 —, Rn. 18, juris).

Von einer reinen Schmähkritik ist bei Anlegung dieser Maßstäbe für den Streitfall nicht auszugehen. Die gegenüber dem Vorsitzenden Richter am Landgericht pp. getätigten Äußerungen stehen thematisch in Zusammenhang mit einem (vorläufigen) Streitwertbeschluss der Kammer vom 27.01.2023, der wiederum im zeitlichen Zusammenhang mit einer Kostenfestsetzung für die PKH-Vergütung stand. Die bildliche Darstellung samt textlicher Begleitung setzt sich thematisch in polemischer und überspitzter Weise mit der rechtsanwaltlichen Vergütung im Rahmen von gerichtlichen Prozessen, insbesondere in Zusammenhang mit Prozesskostenhilfe auseinander, wobei Bezug zu nationalsozialistischem Gedankengut hergestellt wird.

Sodann nimmt der Angeschuldigte auf Seite 3 des streitgegenständlichen Schriftsatzes Bezug auf die konkrete Streitwertentscheidung. Es erfolgt also eine Auseinandersetzung mit der Sache, sodass die Diffamierung der Person nicht im Vordergrund steht. Die Äußerungen und bildlichen Darstellungen entbehren insofern nicht jedwedem sachlichen Bezug.

Im Rahmen der Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und der persönlichen Ehre sind die Äußerungen und bildlichen Darstellungen noch gemäß § 193 StGB gerechtfertigt.

Der Angeschuldigte vergleicht die Streitwertentscheidung der Kammer, wobei er seine „Kritik“ an der nach seiner Meinung niedrigem Streitwertfestsetzung hauptsächlich gegenüber dem Vorsitzenden äußert, mit dem Vorgehen von Roland Freisler während der NS-Zeit. Dabei lässt die gesamte Darstellung jedoch nicht ohne Weiteres den Schluss zu, der Angeschuldigte unterstelle dem Richter eine nationalsozialistische Gesinnung.. Im Vordergrund steht der Vorwurf der vermeintlichen Fehlerhaftigkeit und Willkür der gerichtlichen Entscheidung, dem durch den Vergleich mit der Person Freislers in seiner Funktion als Richter während der nationalsozialistischen Willkürherrschaft, Ausdruck verliehen werden sollte.

Die Darstellung als Comic lässt den Schluss zu, dass wie es der Angeschuldigte behauptet, eine satirische Auseinandersetzung mit der gerichtlichen Streitwertentwicklung im gesamten Verfahren, erfolgen sollte.

Die Äußerungen des Angeschuldigten erfolgten im Rahmen eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens, dem ein selbstständiges Beweisverfahren vorausging, bereits einige Jahre andauerte und das Thema Streitwert und die Vergütungsfestsetzung schon mehrfach Streitpunkt war. Die Entscheidung über den Streitwert betrifft den Rechtsanwalt außerdem jedenfalls mittelbar persönlich im Rahmen der Vergütung, was für diesen gerade in langjährigen Verfahren von Bedeutung ist.

Die streitgegenständlichen Darstellungen erfolgten außerdem ausschließlich schriftlich im Rahmen des zivilgerichtlichen Verfahrens, ohne dass sie anderen, nicht am Verfahren beteiligten Personen zur Kenntnis gelangen konnten.

Der Schutz der persönlichen Ehre tritt daher in diesem Fall aufgrund der Umstände nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen noch hinter der Meinungsfreiheit zurück.“

Mal unabhängig von der Frage, ob das nun wirklich noch von der Rechtsprechung des BVerfG und der OLG gedeckt ist: Ich habe den Kollegen, der mir den Beschluss geschickt hat, gefragt, was man eigentlich mit solchen Schriftsätzen erreicht? M.E. nichts. Und bei allem Verständnis über die Verärgerung über das richterliche Vorgehen, ich würde es lassen. Es bringt nichts – schon gar nicht für den Mandanten und für einen selbst nur Ärger und kostet Nerven. Der Kollege hat es anders gesehen. Nun ja, das ist sein gutes Recht.

Ich bin gespannt, ob die Angelegenheit mit der Nichteröffnung erledigt ist. Wahrscheinlich nicht.

„Sie sind schlimmer als Roland Freisler“, erlaubt/“noch hinnehmbar“?, aber: Was bringt es?

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In den vergangenen Tagen ist in Zusammenhang mit dem Tod von Helmut Kohl viel auch über dessen Goebbels-Vergleich betreffend M. Gorbatschow berichtet worden. Das hat damals für viel Aufregung gesorgt. Einiges an Aufregung in den Blogs hat dann jetzt der OLG München, Beschl. v. 31.05.2017 –  5 OLG 13 Ss 81/17 gebracht. In dem geht es um einen „Roland Freisler“- Vergleich. Auch der ist als „Un-Person“ der Geschichte bekannt, häufig auch als „Blutrichter“ benannt. Wir alle kennen seinen „Auftritt“ im Zusammenhang mit den Verfahren gegen die Attentäter des 20. Juli.

Ein Kollege hatte vor einiger Zeit in einem Klageerzwingungsverfahren, das beim OLG München anhängig war, in einer Anhörungsrüge, ausgeführt:

„Der Unterschied zwischen Ihnen und Roland Freisler liegt in Folgendem: Während Roland Freisler im Gerichtssaal schrie und tobte und überhaupt keinen Wert darauf legte, das von ihm begangene Unrecht in irgendeiner Weise zu verschleiern, gehen Sie den umgekehrten Weg: Sie haben sich ein Mäntelchen umgehängt, auf dem die Worte „Rechtsstaat“ und „Legitimität“ aufgenäht sind. Sie hüllen sich in einen Anschein von Pseudolegitimität, die Sie aber in Wahrheit in keiner Weise für sich bean¬spruchen können. Denn in Wahrheit begehen Sie – zumindest in diesem vorliegenden Justizskandal – genauso schlicht Unrecht, wie es auch Roland Freisler getan hat. So betrachtet ist das Unrecht, das Sie begehen noch viel perfider, noch viel abgründiger, noch viel hinterhältiger als das Unrecht, das ein Roland Freisler begangen hat: Bei Roland Freisler kommt das Unrecht sehr offen, sehr direkt, sehr unverblümt daher. Bei Ihnen hingegen kommt das Unrecht als unrechtmäßige Beanspruchung der Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie daher: Sie berufen sich auf die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, handeln dem aber – zumindest in dem vorliegenden Justizskandal – zuwider.“.

Wegen dieser Passage, mit der im Grunde gesagt wird: Sie sind schlimmer als Roland Freisler, ist der Kollege vom AG und LG München wegen Beleidigung (§ 185 StGB) verurteilt worden. Das OLG München hebt auf die Revision hin aber auf und spricht frei.AG und LG hatten die o.a. Äußerungen als Werturteile angesehen, die nicht über § 193 StGB gerechtfertigt seien. Anders das OLG.  Das sieht im Rahmen der  erforderlichen Gesamtabwägung die Voraussetzungen der Äußerung im „Kampf ums Recht“ erfüllt:

b) Bei Kritik an richterlichen Entscheidungen steht im Rahmen dieser Gesamtabwägung dem vom Bundesverfassungsgericht (vgl. etwa BVerfG, NJW 1995, 3303, 3304) betonten Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt auch mit drastischen Worten zu kritisieren, die Ehrverletzung der Richter gegenüber. Vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung muss diese Beeinträchtigung (sofern keine Schmähkritik vorliegt) gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit grundsätzlich dann zurücktreten, wenn der Vorwurf Teil einer umfassenderen Meinungsäußerung ist und der Durchsetzung legitimer prozessualer Rechte dient (vgl. BayObLGSt 2001, 92, 100). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Richter schon von Berufs wegen in der Lage und auch gehalten ist, überpointierte Kritik an seiner Arbeit beim „Kampf um das Recht“ auszuhalten (BayObLGSt 2001, 92, 100; OLG Naumburg, StraFo 2012, 283f.).

„b) Nach diesen Maßstäben ist das Handeln des Angeklagten auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nach § 193 StGB noch gerechtfertigt.

Der Angeklagte stellt im Rahmen seiner Ausführungen dar, wodurch sich das Verhal¬ten Freislers von dem der Geschädigten unterscheidet, und führt aus, dass das durch die Geschädigten begangene Unrecht noch schwerwiegender sei als das von Freisler begangene Unrecht. Im Kern ist das „nur“ der Vorwurf sehr großen Unrechts und willkürlichen, rechtsbeugenden richterlichen Handelns durch den 2. Strafsenat. Der Vorwurf ferner nicht gegen die Richter als Personen, sondern gegen den gesamten Senat als Entscheidungsträger gerichtet (vgl. UA S. 134/135; zur Bedeutung dieses Umstandes s. BVerfG, Beschluss vom 05.03.1992, 1 BvR 1770/91, zitiert nach juris, dort
Rdn. 25 und OLG Frankfurt vom 20.03.2012 aaO Rdn. 6).

Die Äußerungen des Angeklagten erfolgten im Rahmen eines noch nicht abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens, also im „Kampf ums Recht“ (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Gesichtspunktes BVerfG, Beschlüsse vom 29.02.2012, zitiert nach juris, dort Rdn. 15f., und vom 28.07.2014 aaO, dort Rdn. 13, je m. w. N.). Sie erfolgten ausschließlich schriftlich im Rahmen des Verfahrens, ohne dass sie anderen, nicht am Verfahren beteiligten Personen zur Kenntnis gelangen konnten (vgl. hierzu BVerfG vom 29.02.2012 aaO Rdn. 15 und 17). Auch starke und eindringliche Ausdrücke im Rahmen der Kritik an behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen stehen grundsätzlich unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG vom 29.02.2012 aaO Rd. 16 und vom 28.07.2014 aaO Rdn. 13, je m. w. N.; Urteil des KG vom 11.01.2010, 1 Ss 470/09, zitiert nach juris, Rdn. 35), ohne dass es darauf ankäme, ob der Angeklagte auch anders hätte formulieren können (BVerfG vom 29.02.2012 aaO Rdn. 16). Der durch die Gleichstellung mit Roland Freister erfolgte Vergleich mit NS-Unrecht führt für sich allein genommen ebenfalls nicht zu einer Strafbarkeit (vgl. die den Entscheidun¬gen des BVerfG vom 05.03.1992 und des OLG Frankfurt vom 20.03.2012, je aaO, zugrundeliegenden Sachverhalte). Kein entscheidender Gesichtspunkt bei der Abwägung ist es ferner (entgegen der Ansicht des Landgerichts, vgl. UA S. 135), dass der Senat „keinerlei Anlass“ für die Äußerungen gegeben hat. Zwar mag es für die Wahrung berechtigter Interessen sprechen, wenn das Handeln der Behörde oder des Ge¬richtes (sogar) rechtswidrig war. Im Übrigen aber ist es für ein Eingreifen von § 193 StGB nicht entscheidend, ob die mit der fraglichen Äußerung kritisierte Entscheidung der Behörden oder Gerichte rechtmäßig war (vgl. zu vergleichbaren Fällen BVerfG vom 05.03.1992 aaO Rdn. 27 und OLG Frankfurt vom 20.03.2012 aaO Rdn. 6f.).

Rechtsfehlerhaft war es schließlich, das Fehlen spontaner Erregung bei dem Angeklagten (vgl. UA S. 135) zu seinen Lasten in die Abwägung einzustellen (vgl. OLG Celle Urteil vom 27. März 2015 Az. 31 Ss 9/15 Zitiert über jurisß Rdn. 41); im Gegenteil ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte nicht nur als Rechtsanwalt, sondern auch als mittelbar persönlich Betroffener handelte, da er u. a. seine Tochter im Ver-fahren vertrat (vgl. zur Bedeutung dieses Umstandes BayObLGSt 2001, 92ff.).

Es erscheint insgesamt hinnehmbar, den Ehrenschutz in Fällen wie dem vorliegenden im Rahmen der Abwägung zurücktreten zu lassen, weil Richter im Spannungsfeld zwischen der Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes einerseits und ihrer privaten Berührtheit andererseits bedenken müssen, dass ihre Entscheidungen für die Betroffenen häufig einschneidend sind und daher zu Reaktionen führen können, die sich trotz gegenteiliger Formulierung letzten Endes gar nicht gegen ihre Person oder Ehre, sondern vielmehr gegen die getroffene Entscheidung selbst und die Rechtslage als solche richten (vgl. KG vom 11.01.2010 aaO Rdn. 41).“

Und dann abschließend:

„Der Senat bemerkt allerdings ausdrücklich, dass die Entscheidung nicht als Billigung der Äußerung und der Vorgehensweise des Angeklagten missverstanden werden darf. Die Auseinandersetzung mit tatsächlich oder vermeintlich falschen Entscheidun¬gen oder Vorgehensweisen von Behörden hat grundsätzlich allein mit den Mitteln zu erfolgen, die die jeweiligen Verfahrensordnungen zur Verfügung stellen, ohne dass Anlass und Raum für verletzende und kränkende, die gebotene sachliche Atmosphäre lediglich vergiftenden Angriffe auf die handelnden Personen bliebe. Strafbar ist das Verhalten des Angeklagten nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Grundsätze allerdings noch nicht.“

Lassen wir dahin gestellt, ob das so richtig ist oder ob die Äußerungen nicht ggf. doch über das Erlaubte hinausgehen, also nicht noch „hinnehmbar“ sind. Beizutreten ist m.E. aber auf jeden Fall den letzten Ausführungen des OLG. Ich frage mich bei solchen Äußerungen/Passagen immer: Was soll es? Was bringt es? Nun gut, wir alle kennen die strenge Rechtsprechung der OLG im Klageerzwingungsverfahren, aber – bei allem Verständnis über den Unmut darüber: Die ändere ich doch nicht durch solche Vergleiche, sondern – wenn überhaupt – nur auf den dafür vom der StPO vorgegebenen Wegen. Alles andere bringt m.E. nichts. Außer unnötigen Verdruss für alle Seiten.