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Kein Rechtsschutzbedürfnis für Wertfestsetzung, oder: Hilfe, Hilfe, ich brauche RVG-Entscheidungen

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Heute am „Brückenarbeitsfreitag“ gibt es hier auch wieder RVG-Entscheidungen. Aber zunächst eine „Verlegenheitsentscheidung“. Das ist eine nach der ich konkret gesucht habe, um sie einstellen zu können. Denn mein Kontingent ist leider erschöpft. Ich hatte noch eine Entscheidung, die ich heute Mittag vorstelle, aber dann ist der Ordner leer. Daher hier dann die „gesuchte“ Entscheidung mit dem Aufruf: Bitte RVG-Entscheidungen für meine Berichterstattung schicken. Ich stelle sie hier vor und auch im AGS, StRR/VRR oder RVGprofessionell. Und egal, ob positiv oder negativ, ich nehme alles.

Und hier kommt dann die „Verlegenheitsentscheidung“, der BVerfG, Beschl. v. 14.02.2023 – 2 BvR 2226/20, der sich noch einmal kurz und knapp – ja die können auch kurz beim BVerfG – zur Festsetzung des Gegenstandswertes für eine (nicht angenommene) Verfassungsbeschwerde äußert:

„3. Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts ist unzulässig. Für die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.

Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG beträgt der Mindestgegenstandswert im Verfahren der Verfassungsbeschwerde 5.000 €. Ein höherer Gegenstandswert kommt in Fällen, in denen eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden ist, regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 79, 365 <369>). Umstände, die hier ausnahmsweise einen höheren Gegenstandswert rechtfertigen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Ist deshalb vom Mindestgegenstandswert auszugehen, so besteht für die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 25. Mai 1999 – 2 BvR 1790/94 -).“

Wie gesagt: Kurz und knapp.

 

Rechtsschutz für eine Forderung in Höhe von 3 Cent gibt es nicht…..

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Der VG Neustadt, Beschl. v. 26.04.2018 – 5 N 200/18.NW – ist schon in einigen anderen Blogs gelaufen. Ich lege dann mal nach, obwohl der Volltext noch nicht veröffentlicht ist. Die Pressemitteilung Nr. 7/18 des VG ist aber recht umfangreich.

Es ging in dem VG-Verfahren um Rechtsschutz bei Forderung in Höhe von 0,03 € – ja richtig gelesen. Dazu dann aus der PM:

„Ein ehemaliger Bewohner der Stadt Neustadt/Wstr. (im Folgenden Vollstreckungsgläubiger) führte im Frühjahr 2012 ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren gegen die Stadt Neustadt/Wstr. (im Folgenden Vollstreckungsschuldnerin), das mit Beschluss vom 8. Mai 2012 eingestellt wurde. Anfang Dezember 2017 stellte der Vollstreckungsgläubiger in dieser Sache einen Kostenfestsetzungsantrag. Daraufhin setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Januar 2018 die von der Vollstreckungsschuldnerin an den Vollstreckungsgläubiger zu zahlenden Kosten auf 2,90 € fest. Der Beschluss wurde der Vollstreckungsschuldnerin am 17. Januar 2018 zugestellt. Der mittlerweile in München wohnhafte Vollstreckungsgläubiger forderte die Vollstreckungsschuldnerin daraufhin am 29. Januar 2018 mit Fristsetzung zum 12. Februar 2018 zur Zahlung auf.

Am 18. Februar 2018 stellte der Vollstreckungsgläubiger bei Gericht einen Antrag auf Vollstreckung der ihm zustehenden Forderung gegen die Vollstreckungsschuldnerin und machte geltend, bisher sei keine Zahlung eingegangen. Die Vollstreckungsschuldnerin antwortete daraufhin, sie habe einen Betrag von 2,91 € sofort am 19. Januar 2018 auf das Konto bei der Bank überwiesen, welches aufgrund der vorherigen Angaben des Vollstreckungsgläubigers hinterlegt gewesen sei. Es handele sich hierbei wohl um das Konto der Mutter des Vollstreckungsgläubigers.

Der Vollstreckungsgläubiger antwortete darauf, ihm sei das von der Vollstreckungsschuldnerin bezeichnete Bankkonto nicht bekannt. Im Übrigen sei eine schuldbefreiende Zahlung auf das Bankkonto seiner Mutter nicht möglich. Die Vollstreckungsschuldnerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 4. April 2018 mit, am 27. März 2018 sei eine Rücküberweisung des von ihr auf das Konto der Mutter des Vollstreckungsgläubigers angewiesenen Betrags in Höhe von 2,91 € getätigt worden. Sie werde den genannten Betrag daher nun auf das in der Zwischenzeit vom Vollstreckungsgläubiger als das Seinige mitgeteilte Konto weiterleiten.

Der Vollstreckungsgläubiger bestätigte am 6. April 2018, inzwischen sei auf seinem Konto eine Zahlung der Vollstreckungsschuldnerin in Höhe von 2,91 € eingegangen. Nach der Verrechnung ergebe sich allerdings noch eine offene Restforderung in Höhe von 0,03 € wegen angefallener Zinsen. Diese mache er weiterhin geltend.

Die 5. Kammer des Gerichts hat den Vollstreckungsantrag des Vollstreckungsgläubigers mit der folgenden Begründung abgelehnt:

Dem Vollstreckungsantrag fehle bereits das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Nachdem die Vollstreckungsschuldnerin dem Vollstreckungsgläubiger mittlerweile den ursprünglich geforderten Betrag von 2,91 € auf das nachträglich mitgeteilte Bankkonto überwiesen habe und diesbezüglich Erledigung eingetreten sei, stehe nur noch der vom Vollstreckungsgläubiger zuletzt geltend gemachte Betrag in Höhe von 0,03 € im Streit.

Zwar gewährleiste das Grundgesetz effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Dennoch könne der Zugang zu den Gerichten von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich von einem bestehenden Rechtsschutzbedürfnis, abhängig gemacht werden. Dies werde abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben, dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Der Rechtsschutzsuchende dürfe daher das Gericht nicht für unnütze oder unlautere Zwecke in Anspruch nehmen. Nicht schutzwürdig sei insbesondere ein Interesse, das nach allgemeiner Anschauung als so gering anzusehen sei, dass es nicht die Inanspruchnahme der staatlichen Rechtsschutzeinrichtungen, nämlich der Gerichte, rechtfertige.

Die Kammer sei vorliegend der Meinung, dass es sich bei einem Betrag von 0,03 €, um den es nach Zahlung der 2,91 € nur noch gehe, um einen wirtschaftlich so geringen Wert handele, der die Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtschutz objektiv nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lasse. Das Rechtswesen sei für die Gemeinschaft ein kostbares und zugleich sehr kostspieliges Gut. Bei 0,03 € gehe es dem Vollstreckungsgläubiger ersichtlich nicht mehr um wirtschaftliche Interessen, sondern um das Prinzip des Rechthabens. Dies allein sei jedoch nicht schutzwürdig.

Dem Begehren des Vollstreckungsgläubigers fehle im Übrigen auch deswegen das Rechtsschutzinteresse, weil er den Vollstreckungsantrag verfrüht gestellt habe.“

Im Zweifel wird die Sache zum OVG gehen. Ich bin gespannt, was die daraus machen.