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Augsburger Puppenkiste, oder was passierte am 7. Hauptverhandlungstag im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg

Vom 7. und wohl vorletzten Hauptverhandlungstag ist Folgendes zu berichten:

Es ist zunächst noch einmal die eigentliche Sachbearbeiterin der StA aus dem Ursprungsverfahren K. vernommen worden. Gegenstand der Vernehmung war (noch) einmal der Sitzungsbericht, den sie vom 2. Hauptverhandlungstag im Verfahren K. erstellt hatte. Sie hat zum Zustandekommen der handschriftlichen Ergänzung ? 4 J 10 M der Darstellung des am Freitag 18.03.2011 vernommenen Zeugen klar widersprochen.

Im Anschluss an die Vernehmung der Zeugin wurde plädiert.

  • Die Staatsanwaltschaft sieht Lucas – trotz der sich teilweise widersprechenden Aussagen – einer versuchten Strafvereitelung (§§ 258, 22 StGB) überführt an. Sie hat – ohne näher zur Strafzumessung auszuführen – eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten beantragt, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Ausführungen, warum Freiheitsstrafe und warum in dieser Höhe ließ das Plädoyer vermissen. Eine Bewährung sei aber nur angezeigt, wenn zusätzlich ein Berufsverbot ausgesprochen werde. Begründung: Nur so lasse sich einer erneuten Straffälligkeit begegnen. Bewährungszeit: 3 Jahre und 5.000 € Geldbuße.
  • Die Verteidigung ist in ihren Plädoyers von falschen dienstlichen Äußerungen und davon ausgegangen, dass einige Zeugen gelogen haben. Sie hat Freispruch beantragt. Es wird von zwei brillanten Plädoyers der beiden Verteidiger berichtet; RA Bockemühl hat die Einleitung von Strafverfahren gegen einige der Zeugen angeregt (ich bin gespannt, wie sich die Staatsanwaltschaft Augsburg verhält).

Der Angeklagte Lucas hat in seinem letzten Wort darauf hingewiesen, dass dieses Verfahren wohl nicht nur – wie er erst geglaubt habe – das Ziel habe, einen unbequemen Verteidiger auszuschalten. Der heute gestellte Antrag der Staatsanwaltschaft zeige vielmehr, dass er auch in seiner Existenz vernichtet werden soll.

Termin zur Urteilsverkündung: 01.04.2011 – 14.00 Uhr.

Augsburger Puppenkiste, oder was passierte am 6. Verhandlungstag im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg

Ich schulde noch den Prozessbericht über den 6. Hauptverhandlungstag im Verfahren gegen den Kollegen Lucas in Augsburg. Der Tag lässt sich etwa wie folgt zusammenfassen.

  • RA Lucas wurde zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen befragt.
  • Sodann folgte die erneute Vernehmung des Zeugen, der am dritten HV-Tag im Verfahren K. Sitzungsvertreter war. Er hatte im Rahmen seiner ersten Einvernahme u.a. bekundet, keine Erinnerung an Zahlen und Gespräche über Strafhöhen zu haben. Mit dem Zeugen wurde der Sitzungsbericht der an sich sachbearbeitenden StAin/Sitzungsvertreterin erörtert und der darin enthaltene handschriftlichem Vermerk („4 J 10 M“). Dieser stammte von ihm. Welche Bewandnis es mit der Zahl auf sich hat, erinnerte sich der Zeuge nicht mehr sicher. Jedenfalls scheint es so, dass diese von RA Lucas in der Revision genannte Zahl wohl doch Thema in dem Ausgangsverfahren gewesen ist.
  • Dann wurde noch der BZR-Auszug verlesen.
  • Neuer Termin am 21.03.2011, 13.00 Uhr. In dem soll die Sachbearbeiterin der StA im Fall. K noch einmal vernommen werden. Denn derzeit sieht es so aus, als ob sie den Sitzungsbericht bei ihrer ersten Vernehmung zitiert hat, ohne aber den so wesentlichen handschriftlichen Vermerk offen zu legen.
  • Die StA wurde aufgefordert, die Handakte vollständig vorzulegen. Es soll geprüft werden, ob sich weitere bisher nicht mitgeteilte Informationen in den Akten befinden.
  • Anschließend soll plädiert werden.

Angehängt habe ich dann den Prozessbericht der Kollegen Grabow, der als Vertreter der Strafverteidigervereinigungen am Prozess teilnimmt.

Anwaltliche Schweigepflicht: Grundsätzlich umfassend

Der BGH, Beschl. v. 16. 2. 2011 – IV ZB 23/09 befasst sich mit der Reichweite der Verschwiegenheitspflicht eines als Strafverteidiges tätig gewordenen Rechtsanwalts.

Nach dem Sachverhalt bestand Streit über ein Zeugnisverweigerungsrecht. Der Beschwerdeführer war einer der Strafverteidiger in einem Strafverfahren gegen ein Ehepaar wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. Im Rahmen der Hauptverhandlung kam es zu einer Absprache über einen Täter-Opfer-Ausgleich und den Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung zwischen den Angeklagten und dem Geschädigten, die Voraussetzung einer Strafaussetzung zur Bewährung sein sollte. In einer Verhandlungspause fanden im Gerichtsflur Gespräche unter den Angehörigen der Angeklagten darüber statt, wie die benötigten 10.000 € aufgebracht werden könnten. Man kam dahin überein, dass der Vater und der Bruder je 5.000 € in bar zahlten. Bei diesem Gespräch waren auch die Verteidiger anwesend. Nunmehr nimmt der Bruder des angeklagten Ehemannes die Mutter der angeklagten Ehefrau auf Rückzahlung von 5.000 € mit der Behauptung in Anspruch, er habe ihr das Geld zur „Auslösung“ ihrer Tochter als Darlehen gegeben. Zum Beweis für die Darlehensabrede hat er sich auf das Zeugnis des Beschwerdeführers berufen. Dieser verweigerte die Aussage, weil sein Mandant ihn nicht von seiner Schweigepflicht entbunden hatte. Amtsgericht und Landgericht haben die Aussageverweigerung für unberechtigt gehalten. Die Abmachungen der Angehörigen über eine Erstattungspflicht zählten nicht zu den Tatsachen, die der Rechtsanwalt in Ausübung seiner Tätigkeit erfahren habe. Sie seien so weit von seiner Verteidigung entfernt, dass sie dem Zufallswisssen eines auf den Termin wartenden Rechtsanwalts gleichzustellen seien. Die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs.1 S.1 Nr.2 ZPO hatte Erfolg.

Der BGH hält die Aussageverweigerung in seiner Entscheidung für berechtigt. Die Reichweite der in § 43a Abs. 2 BRAO geregelte Verschwiegenheitspflicht eines Rechtsanwalts sei verkannt. Unter diese falle alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes bekannt geworden sei, ohne dass es darauf ankomme, wie das Wissen erworben wurde. Sie umfasse deshalb auch Zufallswissen, das im Rahmen beruflicher Tätigkeiten erlangt wurde. Davon sei abzugrenzen, was der Anwalt nur anlässlich seiner Tätigkeit erfahre, ohne dass ein innerer Zusammenhang mit dem Mandat bestehe. Als Beispiel führt der BGH Kenntnisse an, die ein Anwalt als wartender Zuhörer einer Verhandlung erlangt und die mit seinem Mandat nichts zu tun haben. Im konkreten Fall sei der Beschwerdeführer jedoch nicht zufälliger Zuhörer einer Unterredung im Gerichtsflur gewesen. Er habe dieser vielmehr als Vertreter seines Mandanten, der den Gerichtssaal nicht verlassen durfte und der sich von einer Freiheitsstrafe bedroht sah, teilgenommen. Dass eine Schlichtungsvereinbarung zustande kam und das dafür benötigte Geld aufgebracht wurde, berührte besonders die Interessen seines Mandanten. Daraus folge, dass der Verteidiger das Gespräch nicht als unbeteiligter Zuhörer verfolgt habe. Von der damit bestehenden Verschwiegenheitspflicht hätte der Verteidiger nur durch seinen Mandanten befreit werden können. Dieser sei „Herr des Geheimnisses“ (BGHZ 109, 260) auch bezüglich solcher Tatsachen, die dem Anwalt von Dritten mitgeteilt worden seien. Die Verweigerung einer Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht sei grundsätzlich zu beachten. Ausnahmen bestünden nur, wenn es um die Bekämpfung schwerster Straftaten oder die Erfüllung von Steuergesetzen geht. Zu einer generellen Abwägung, ob schützenswerte Interessen seines Mandanten berührt seien, sei der Anwalt nicht berechtigt.

Augsburger Puppenkiste, oder was passierte am 5. Verhandlungstag im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg

Ich bin noch den Bericht über den 5. Hauptverhandlungstag am vergangenen Freitag (04.03.2011) im Verfahren gegen den Kollegen Lucas schuldig. Sorry, hat sich wegen Urlaubs und Karneval (nicht bei mir :-)) etwas verzögert. Folgendes ist geschehen:

Allgemein berichten alle, dass es ein im Grunde langweiliger Tag war. Das ist es ja immer, wenn nur verlesen wird. Im Einzelnen ist folgendes geschehen:

  1. Das Gericht teilt zunächst mit, dass es den Beweisantrag auf Verlesung der Sitzungsniederschrift der StÄin im Ausgangsverfahren wie auch auf Verlesung der Mitschrift von RA Lucas über Strafobergrenzen nachgehen wolle.
  2. Es folgt dann ein nicht sehr unterhaltsamer Verhandlungstag, denn 4 ½ Stunden wurden nur Schriftstücke verlesen, die den Prozessbeteiligten zwar bekannt waren, aber prozessordnungsgemäß auf diese Weise in die Hauptverhandlung eingeführt werden mussten. Ich erspare mir hier die Einzelheiten; es hat sich um Urkunden aus dem Ausgangsverfahren Kaya gehandelt sowie um Erklärungen von Kollegen zum Verhalten der Kammer in anderen Verfahren.
  3. Zwischen die Verlesung (en) hat die Kammer den Hinweis geschoben, dass statt der (angeklagten) vollendeten Strafvereitelung auch (nur) eine versuchte Strafvereitelung in Betracht komme könne.
  4. Nächste Termine: 18.03.2011, 9.00 Uhr, Urteilsverkündung am 21.03.2011, 13.00 Uhr

Wir bleiben am Ball!

Augsburger Puppenkiste, oder: Was passierte am 4. HV-Tag im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg

Kurz zusammengefasst ist am 4. Hauptverhandlungstag zwischen 9:00 Uhr bis ca. 11:00 Uhr folgendes geschehen:

  • Es wurde festgestellt, dass verschiedene Zeugen (Redakteure) von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Auf sie wurde verzichtet.
  • Es wurde dann Rechtsanwalt Wächtler, einer der beiden Verteidiger von Rechtsanwalt Lucas, als Zeuge vernommen, der über ihm berichtete Gespräche mit Kollegen, die diese im Ausgangsverfahren mit Mitgliedern der Kammer geführt hatten – die Kollegen waren dort z.T. als Zeugenbeistand tätig –  berichtet hat. In diesen Gesprächen sei – so Rechtsanwalt Wächtler – schon von „Angeboten“ der Kammer die Rede gewesen.
  • Die Verteidigung hat dann einen Beweisantrag gestellt, der darauf abzielt, den „Sitzungsbericht“ der Sitzungsvertreterin im Ausgangsverfahren „über den Verlauf der Hauptverhandlung“ ggf. zu beschlagnahmen und dann anschließend zu verlesen. Die Staatsanwaltschaft hat die Zurückweisung dieses Antrags beantragt. Es handele sich um Teile der Handakten der Staatsanwaltschaft, die nicht beschlagnahmt werden könnten. Hintergrund dieses Antrags dürfte sein, dass die Verteidigung damit die Zeugenaussagen des Berichterstatters und der Sitzungsvertreterin gegenüberstellen und Sachverhalt festschreiben will. Die Kammer wird gesondert über diesen Antrag entscheiden.

Am 04.03.2011 geht es weiter mit der Verlesung von Urkunden.