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„Wer hat dir was geschickt?“ oder: Postbeschlagnahme?

entnommen wikimedia.org Quelle Scan by Raimond Spekking

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Manche Vorschriften in der StPO führen ein Schattendasein bwz. spielen nur sporadisch eine Rolle. So ist es m.E. mit § 99 StPO, der die sog. Postbeschlagnahme zulässt. Mit der Vorschrift hat sich jetzt gerade im BGH, Beschl. v. 27.10.2016 – 1 BGs 107/16 – der Ermittlungsrichter des BGH auseiander gesetzt. Und zwar hatte in einem Verfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a i.V.m. § 27 StGB der GBA beantragt, gemäß §§ 99, 100 Abs. 1, § 162 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO einem Paketzustelldienst aufzugeben, für einen bestimmten Zeitraum Auskunft zu erteilen über sämtliche Lieferungen, die u.a. an den Beschuldigten gerichtet waren. Die Auskunft sollte sich insbesondere auf die Namen und Anschriften der Absender, Hinweise auf den Inhalt der Lieferung(en), den Sendungsverlauf sowie alle Unterlagen, die Aufschluss über die Person(en) geben, die die Lieferung(en) in Empfang genommen hat/haben beziehen. Die Auskunftserteilung sollte ferner die Herausgabe von Unterlagen, insbesondere unterschriebenen Quittungen – auch in elektronischer Form -, die eine Identifizierung des tatsächlichen Empfängers ermöglichen, umfassen. Der Ermittlungsrichter des BGH hat diesen Antrag abgelehnt.

Er stützt die Ablehnung auf zwei Argumente:

  • Nach Auffassung des Ermittlungsrichters sieht die StPO keine Eingriffsnorm für die Anordnung der begehrten Auskunftserteilung vor. Im Hinblick auf das Postgeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG, § 39 PostG komme als einzig denkbare Rechtsgrundlage § 99 StPO in Betracht. Nach allgemeiner Meinung enthalte die Vorschrift des § 99 StPO als weniger einschneidende Maßnahme zur (Post)Beschlagnahme einen Auskunftsanspruch gegen das Postunternehmen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 99 Rn 14; Greven in: KK-StPO, 7. Aufl., § 99 Rn 11). Das Auskunftsverlangen sei jedoch nur dann von § 99 StPO gedeckt, wenn zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens die Voraussetzungen des § 99 StPO erfüllt seien, sich mithin die Postsendung noch im Gewahrsam des Postunternehmens befinde. Dies sei nicht der Fall.
  • Eine Absage erteilt der Ermittlungsrichter dem im Beschluss des Ermittlungsrichters des BGH vom 11. o7. 2012 – 3 BGs 211/12 – und teilweise in der Literatur (KK/Greven, § 99 Rn 11; BeckOK StPO/Graf, Stand: 1. 7. 2016, § 99 Rn 16) vertretenen Auffassung, dass in entsprechender Anwendung § 99 StPO auch auf solche Postsendungen bezogen werden könne, die sich nicht mehr im Gewahrsam der Stelle befinden. Vielmehr sei § 99 StPO für die Verpflichtung zur Auskunftserteilung keine taugliche Eingriffsgrundlage, wenn sich die Postsendung nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befinde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, a.a.O. Aufl.; LG Hamburg StV 2009, 404; LG Landshut, Beschl. v. 21.5.2012 – 6 Qs 82/12). Die Zulässigkeit der Auskunftserteilung über Umstände, die dem verfassungs- und einfachrechtlich geschützten Postgeheimnis unterliegen, sei gesetzlich nicht explizit geregelt. Im Gesetzgebungsverfahren zu § 39 PostG sei diese Problematik gesehen und ausführlich diskutiert worden. Der Bundesrat hatte insoweit angeregt, mit Blick auf § 39 PostG ein Auskunftsrecht ausdrücklich gesetzlich zu regeln. Dem sei die Bundesregierung mit dem Hinweis entgegengetreten, nach h.M. sei in der Beschlagnahmebefugnis das geringere Recht enthalten, von einem Postunternehmen Auskunft zu verlangen, so dass weiterer Gesetzgebungsbedarf nicht bestehe (vgl. BT-Drs. 13/8453, S. 4, 12; Menges in: LR, 26. Aufl., § 99 Rn 29). Der Gesetzgeber habe sich damit bewusst dafür entschieden, einen über § 99 StPO hinausgehenden Auskunftsanspruch nicht zu regeln. Bereits aus diesem Grund verbiete sich eine über den originären Anwendungsbereich des § 99 StPO hinausgehende analoge Anwendung der Norm auf Auskünfte betreffend Postsendungen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befinden. Eine analoge eingriffserweiternde Anwendung sei ferner aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig, denn der Schutz des Grundrechts aus Art. 10 Abs. 1 GG erstreckt sich auch die Aspekte, ob, wann und warum zwischen mehreren Beteiligten unter welchen Umständen eine Korrespondenz stattgefunden habe. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, nicht der Rechtsprechung, eine Gesetzeslücke zu schließen.

 

Neues von der Postbeschlagnahme

© froxx - Fotolia.com

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Es gibt Vorschriften in der StPO, die führen quasi ein Schattendasein = man/die Rechtsprechung hat wenig mit ihnen zu tun. Dazu gehört m.E. § 99 StPO, in dem die sog. Postbeschlagnahme geregelt ist. Die Vorschrift taucht nur selten in der Rechtsprechung. Nun ist sie aber (mal wieder) aufgetaucht, allerdings in einem schon etwas älteren Beschluss der BGH, der aber erst jetzt – warum? – auf der Homepage des BGH eingestellt worden ist, nämlich der BGH, Beschl. v. 11.07.2012 – 3 BGs 211/12. Aber dennoch, eben wegen der Seltenheit, ein Hinweis auf diese Entscheidung-

Ergangen ist der Beschluss in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung, des Mordes und anderer Straftaten gemäß §§ 129a, 211 StGB. In dem wird  u.a. von der für eine Wohnung, in der die/der Beschuldigte gelebt haben soll, zuständigen Postzustellerin Auskunft über die näheren Umstände des Postverkehrs des/der Beschuldigten verlangt. Die Postzustellerin will die Auskunft auch wohl geben, macht die jedoch von einer eine Aussagegenehmigung ihrer Arbeitgeberin abhängig. Die wiederum will diese nicht ohne eine richterliche Anordnung gemäß §§ 99, 100 StPO erteilen.Der BGH hat die richterliche Anordnung erlassen:

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Postbeschlagnahme gemäß §§ 99, 100 StPO liegen vor.

2. Es ist anerkannt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Postbeschlagnahme gemäß § 99 StPO statt dieser die – mit einem geringeren Eingriff in das Brief- und Postgeheimnis verbundene – Auskunft über die Postsendungen verlangt werden kann, die an den Beschuldigten gerichtet sind oder von ihm herrühren oder bei denen Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sie von ihm herrühren oder für ihn bestimmt sind (vgl. BGH [Ermittlungsrichter], Beschluss vom 31. August 2011 – 2 BGs 458/11, unter II B; LG Hamburg, StV 2009, 404; Nack in KK-StPO, 6. Aufl., § 99 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 99 Rn. 14; Löwe-Rosenberg/Schäfer, StPO, 25. Aufl., § 99 Rn. 29; ebenso Nr. 84 Satz 1 RiStBV).

Die Auskunft kann sich in entsprechender Anwendung des § 99 StPO auch auf solche Sendungen beziehen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befinden (BGH [Ermittlungsrichter], Beschluss vom 31. August 2011 – 2 BGs 458/11, aaO; Nack in KK-StPO, aaO; BeckOK-StPO/Graf, Stand 1. Juni 2012, § 99 Rn. 16; ebenso Nr. 84 Satz 2 RiStBV; a.A. LG Hamburg, aaO S. 404 f.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. § 99 Rn. 14; Löwe-Rosenberg/Schäfer, aaO Rn. 30).

V. Angesichts der Schwere des Vorwurfs und des Verdachtsgrades ist die angeordnete Maßnahme auch verhältnismäßig, zumal nicht der konkrete Inhalt von Postsendungen, sondern lediglich ihre äußeren Umstände Gegenstand der Anordnung sind. Die Maßnahme ist zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts erforderlich. Angesichts der besonders intensiven Abschottung d. B. und der weiteren Mitglieder gegenüber der Außenwelt sind Erkenntnisse über die Art und den Umfang der dennoch erfolgten Kommunikation von hoher Bedeutung, um näheren Aufschluss sowohl über das Verhalten d. B. und der übrigen Mitglieder als auch über das Verhalten und die Kommunikationswege der bereits bekannten und möglicher weiterer Unterstützer der Gruppe zu gewinnen.“