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StGB II: Benennung der Polizisten als „Affenbande“, oder: Beleidigung, keine Meinungsfreiheit

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Ich hatte in der vergangenen Woche schon über den BayObLG, Beschl. v. 04.10.2024 – 205 StRR 323/24 – berichtet, und zwar wegen der vom BayObLG entschiedenen verfahrensrechtlichen Frage (StPO III: Nur Vorsitzender lehnt Unterbrechung ab, oder: Zwischenrechtsbehelf erforderlich?). Auf diesen BayObLG, Beschl. v. 04.10.2024 – 205 StRR 323/24 – komme ich wegen der materiell-rechtlichen Problematik zurück.

Es geht um die Frage der Beleidigung von Polizeibeamten. Zugrunde liegt folgender Sachverhalt: Aufgrund eines positiven Atemalkoholtests war beim Angeklagten eine Blutentnahme angeordnet worden. Er hat sich zunächst geweigert, die Blutentnahme durchführen zu lassen. Nach einem Gespräch mit dem Arzt war er dann aber zu eine Mitwirkung bereit gewesen. Der Arzt hatte ihn gefragt, welche Stoffe er konsumiert habe. Daraufhin hatte der Angeklagte geäußert, er werde dem Arzt antworten, sobald die „Affenbande“, gemeint waren zwei anwesende Polizeibeamte, das Zimmer verlassen hätten. Das LG hatte deswegen wegen Beleidigung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg:

„b) Bei dem hier relevanten Ausdruck der „Affenbande“ handelt es sich um eine Formalbeleidigung, so dass eine Abwägung zwischen den Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre der betroffenen Polizeibeamten auf der einen und der Meinungsfreiheit des Angeklagten auf der anderen Seite regelmäßig nicht erforderlich ist.

i) Beider Formalbeleidigung kann es sich um Fällehandeln, wenn etwa mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung aus sich heraus herabwürdigende Schimpfwörter -etwa aus der Fäkalsprache – verwendet werden, die nach allgemeiner Auffassung besonders krass sind. Auch dort ist es – wie bei der Schmähkritik – im Regelfall nicht erforderlich, in eine Grundrechtsabwägung einzutreten. In Fällen der Formalbeleidigung ist das Kriterium der Strafbarkeit nicht der fehlende Sachbezug einer Herabsetzung, sondern die kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit und damit die spezifische Form dieser Äußerung. Dem liegt zugrunde, dass die Bezeichnung anderer Personen mit solchen Begriffen sich gerade ihrer allein auf die Verächtlichmachung zielenden Funktion bedient, um andere unabhängig von einem etwaigen sachlichen Anliegen herabzusetzen. Sie ist daher in aller Regel unabhängig von den konkreten Umständen als Beleidigung zu werten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 –, juris Rn. 21).

ii) Bei einer Bande handelt es sich nach dem allgemeinen primären Sprachgebrauch regelmäßig um eine Gruppe von Menschen, die sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsam Straftaten zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00 –, juris Rn. 20). Sofern die Bezeichnung „Affe“ in Bezug auf Menschen gebraucht wird, bringt der Sprecher damit zum Ausdruck, dass es sich bei diesem Menschen um einen besonders dummes, tierähnlich intellektuell beschränktes, Wesen der Gattung „Mensch“ handelt. Hier werden die betroffenen Polizeibeamten demnach als wie Tiere geistig minderbemittelte Wesen bezeichnet, die zudem noch von der Rechtsordnung absolut missbilligt handeln, indem sie nämlich Straftaten begehen. Eine derartige Bezeichnung ist gesellschaftlich absolut missbilligt und tabuisiert. Sie hatte den einzigen Zweck, die Polizeibeamten ohne Bindung an die konkrete Situation verächtlich zu machen.

c) Die gerichtliche Feststellung des Vorliegens einer Formalbeleidigung schließt eine – hilfsweise Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz der Persönlichkeit nach den konkreten Umständen des Falles nicht etwa aus. Ein solches Vorgehen bietet sich vielmehr in den vielfach nicht eindeutig gelagerten Grenzfällen an (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 –, juris Rn. 25). Die Abwägung kann auch vom Revisionsgericht noch nachgeholt werden, sofern das angefochtene Urteil ausreichende Feststellungen getroffen hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 7. Februar 2014 – 1 Ss 599/13 –, juris Rn. 21).

i) Für die Schutzwürdigkeit des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Polizeibeamten sprechen folgende Umstände: Der konkret ehrschmälernde Gehalt der verwendeten Äußerung ist hier erheblich, weil der Ausdruck „Affenbande“ im dargelegten Sinn grundlegende, allen Menschen gleichermaßen zukommende Achtungsansprüche verletzt und das soziale Ansehen der betroffenen Polizeibeamten geschmälert hat. Der Ausdruck hat auch die angesprochenen Personen als Ganze und nicht nur einzelne ihrer Tätigkeiten oder Verhaltensweisen betroffen. Die Polizeibeamten wurden mit dem Schimpfwort „Affenbande“ betitelt, nachdem der Angeklagte sich nach einem Gespräch mit dem Arzt bereits freiwillig zur Blutentnahme bereit erklärt hatte. Danach hatten auch schon zwei Polizeibeamte den Raum, in dem sich der Angeklagte befand, wieder verlassen. Zu diesem Zeitpunkt fragte der die Blutentnahme durchführende Arzt den Angeklagten, „was er denn konsumiert habe“ (UA S. 10). Hierauf antwortete der Angeklagte dem Arzt, er werde es ihm erst sagen, wenn „die Affenbande“, also die zwei noch im Zimmer anwesenden Polizeibeamten den Raum verlassen hätten. Der Angeklagte belegte somit die betroffenen Polizeibeamten mit dem Schimpfwort „Affenbande“, obwohl sich die Gesamtsituation durch seine Bereitschaft, an der Blutentnahme mitzuwirken, wieder gänzlich entspannt hatte. Dass der Angeklagte durch die Verwendung des Ausdrucks „Machtkritik“ ausüben wollte, ist nicht erkennbar. Er äußerte sich gerade nicht gegenüber den Inhabern der staatlichen Macht, sondern er äußerte sich über sie gegenüber einem unbeteiligten Arzt, der nicht die Staatsmacht repräsentierte. Die betroffenen Polizeibeamten hatten dem Angeklagten in der Situation, in der die Äußerung fiel, auch keinerlei mittelbaren oder unmittelbaren Anlass für die Verwendung des Ausdrucks gegeben.

ii) Im Rahmen der Bewertung der Meinungsfreiheit war zu berücksichtigen: Das Gewicht der Meinungsfreiheit ist im vorliegenden Fall schon deshalb gering anzusetzen, weil der hier gegenständliche Ausdruck keinen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellte, sondern es ging in der konkreten Situation hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen. Zu berücksichtigen war aber, dass die Äußerung lediglich die beiden betroffenen Polizeibeamten und der anwesende Arzt hören konnten, so dass keine weitreichenden Folgen der Betitelung durch den Angeklagten zu befürchten waren. Ebenfalls zu sehen war, dass die strafrechtliche Sanktion nicht die Freiheit des Angeklagten berührte, bestimmte Inhalte und Wertungen überhaupt zum Ausdruck zu bringen. Es hätte durchaus alternative Äußerungsmöglichkeiten für ähnliche Inhalte gegeben, die die Person der Polizeibeamten nicht herabgewürdigt hätten. Anhaltspunkte für eine beschränkte Ausdrucksfähigkeit des Angeklagten, welche möglicherweise in der Lage gewesen wäre, den verwendeten Ausdruck zu relativieren, sind nicht vorhanden. Die Äußerung fiel zwar nicht mit Vorbedacht, aber auch nicht im spontanen Rahmen einer hitzigen Diskussion. Sie fiel auch nur mündlich, also als flüchtiges Wort, das sich nicht perpetuierte.

iii) Bei wertender Betrachtung dieser Umstände überwiegt nach Ansicht des Senats das Interesse am Schutz der Persönlichkeit der betroffenen Polizeibeamten. Dabei war vor allem von Bedeutung, dass der verwendete Ausdruck kein Beitrag zu einer seriösen Meinungsbildung war, sondern lediglich die beiden Beamten gegenüber dem Arzt herabsetzen sollte.“

„Entschädigung für Fußballfans nach Polizeigewalt bei Münchner Derby“, oder: Kennzeichnungspflicht?

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Ich eröffne den Reigen der Postings in der 3. KW mit zwei Hinweisen auf EGMR-Entscheidungen. Zunächst der Hinweis auf das EGMR, Urt. v. 09.11.2017 – 47274/15. Da liegt mir aber bislang nur die Pressemitteilung des EGMR vor. Einen Volltext in deutscher Sprache habe ich noch nicht. Es gibt bislang nur die englische Version. In der PM heißt es:

„Entschädigung für Fußballfans nach Polizeigewalt bei Münchner Derby

Der EGMR hat Deutschland wegen einer unzureichenden Untersuchung von Zusammenstößen zwischen Polizisten und Münchner Fußballfans verurteilt und den beiden klagenden Fans eine Entschädigung von jeweils 2.000 Euro zugesprochen.

In dem Fall ging es um mutmaßliche Polizeiübergriffe gegen Fußballfans nach einem Spiel in München am 09.12.2007 sowie um den Vorwurf der Beschwerdeführer, die beide als Zuschauer an dem Spiel teilnahmen, dass die Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Übergriffe gegen sie nicht sorgfältig geführt worden seien.

Da die Polizei für das Fußballspiel mit einem erhöhten Risiko von Ausschreitungen rechnete, waren über 200 Polizeibeamte im Einsatz. Nach Ende des Spiels bildeten Beamte eine Kette, um einen Teil der Zuschauer vorübergehend am Verlassen eines Stadionbereichs zu hindern und so Auseinandersetzungen rivalisierender Fans zu verhindern. Nach Angaben eines der Beschwerdeführer kam es nach der Öffnung der Polizeisperre zu Übergriffen der Polizei gegen Zuschauer. Er selbst sei von einem Polizisten mit einem Schlagstock auf den Kopf geschlagen worden und habe eine Platzwunde erlitten, die eine notärztliche Behandlung erfordert habe. Der zweite Beschwerdeführer gibt an, dass ein Polizist ihm Pfefferspray direkt ins Gesicht gesprüht habe; später sei er außerdem mit einem Schlagstock auf den Arm geschlagen worden. Nach Medienberichten über den Polizeieinsatz wurde ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Beide Beschwerdeführer erstatteten Strafanzeige gegen die verantwortlichen Polizeibeamten, ohne genaue Angaben zur Identität der Verantwortlichen zu machen, da die an dem Einsatz beteiligten Beamten Schutzhelme mit Visier sowie Uniformen ohne Namensschilder oder sichtbare Identifikationsnummern getragen hatten. Das Verfahren wurde im September 2008 eingestellt, die Ermittlungen aber nach Beschwerde der Beschwerdeführer wieder aufgenommen. Im August 2009 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren erneut ein, mit der Begründung, der Sachverhalt habe nicht weiter aufgeklärt werden können. Zudem kam die Staatsanwaltschaft aufgrund der Ermittlungen zu der Einschätzung, die Aggression sei nicht von den Polizeibeamten, sondern von einzelnen Fangruppen ausgegangen. Der Antrag der Beschwerdeführer auf gerichtliche Anordnung der Wiederaufnahme der Ermittlungen wurde abgewiesen und ihre Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Vor dem EGMR machten die Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung von Art. 3 (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geltend, sowohl aufgrund der behaupteten Gewaltanwendung durch die Polizei als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht, aufgrund der Untersuchung durch die Ermittlungsbehörden, die unzureichend gewesen sei.

Der EGMR hat einstimmig entschieden, dass keine Verletzung von Art. 3 EMRK aufgrund der behaupteten Gewaltanwendung durch die Polizei vorliegt. Zugleich hat er, ebenfalls einstimmig, eine Verletzung von Art. 3 EMRK in verfahrensrechtlicher Hinsicht, aufgrund der Untersuchung durch die Ermittlungsbehörden, festgestellt. Der EGMR hat den beiden Fußballfans eine Entschädigung von jeweils 2.000 Euro und die Erstattung der Kosten i.H.v. 6.575,41 Euro zugesprochen.“

Wie gesagt: Der Volltext liegt noch nicht in deutscher Übersetzung vor. Man kann also m.E. noch nicht sagen, ob der EGMR nun tatsächlich, wie es an einigen anderen Stellen geheißen hat, eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte gefordert hat. Mal abwarten.