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Urteil I: Erneut: „es fehlt die Unterschrift der Richter“, oder: Der BGH erklärt es noch einmal…

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Und dann auf in die 12 KW./2024, und zwar mit zwei Entscheidungen, die sich mit Entscheidungen – Beschlüssen und Urteilen – befassen.

Die erste Entscheidung kommt vom BGH; es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 20.02.2024 – 3 StR 428/23. Der behandelt die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen einen Beschluss des Senats und den Rechtsbehelf gegen die darin getroffene Kostenentscheidung werden verworfen. Da die Ausführungen des BGH – zumindest teilweise – auch auf Urteile passen, läuft der Beitrag unter dem Stichwort: „Urteil“.

Der 3. Strafsenat hatte die Revision des Verurteilten gegen ein Urteil des LG Koblenz mit Beschluss vom 09.01.2024 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen und ihm die Kosten des Rechtsmittels auferlegt. Mit Schreiben vom 23.01.2024 hat der Verurteilte beantragt, „alle Beschlüsse, die meine grundsätzliche geschützte Freiheit einschränken(,) aufzuheben“. Der Senat habe ihm weder in angemessenem Umfang rechtliches Gehör gewährt noch den Beschluss korrekt unterschrieben. Mit weiterem Schreiben vom 31.01.2024 hat der Verurteilte sein Begehr dahin präzisiert, seine „Beschwerde vom 23.01.2024“ umfasse auch die Entscheidung über die Kosten für das Revisionsverfahren.

Der BGH hat das als Anhörungsrüge gewertet und das Vorbringen zurückgewiesen:

„2. Das erste Schreiben des Verurteilten ist als Anhörungsrüge (§§ 300, 356a StPO) auszulegen. Diese ist zulässig, jedoch unbegründet, weil der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt ist. Der Senat hat zu berücksichtigendes entscheidungserhebliches Vorbringen des Verurteilten im Revisionsverfahren nicht übergangen. Ebenso wenig hat er Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden ist, oder in sonstiger Weise dessen Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet. Sollte der Verurteilte eine Auseinandersetzung mit bestimmtem Revisionsvorbringen vermissen, kann daraus nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs geschlossen werden, weil § 349 Abs. 2 StPO eine Begründung des die Revision verwerfenden Beschlusses nicht vorsieht. Auch verfassungsrechtlich ist eine solche bei letztinstanzlichen Entscheidungen grundsätzlich nicht erforderlich (s. BVerfG, Beschluss vom 30. September 2022 – 2 BvR 2222/21, NJW 2022, 3413 Rn. 27 mwN; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2021 – 3 StR 170/21, juris Rn. 3).

Soweit der Verurteilte bemängelt, dass der ihm übersandte Beschluss lediglich von einer Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnet ist, gilt:

Die von den Richtern unterschriebenen Originale von Urteilen und Beschlüssen verbleiben bei den Akten. An die Verfahrensbeteiligten werden sogenannte Ausfertigungen herausgegeben. Das sind Abschriften oder Ablichtungen des Originals mit dem Ausfertigungsvermerk der Geschäftsstelle, der von einem Urkundsbeamten unterschrieben und mit einem Dienstsiegel versehen wird (§ 169 Abs. 2 ZPO). Nach diesen Vorgaben ist auch im vorliegenden Fall verfahren worden.

3. Die vom Verurteilten jedenfalls mit dem zweiten Schreiben zum Ausdruck gebrachte Beanstandung der Kostenentscheidung im Revisionsverfahren bleibt ebenfalls erfolglos.

a) Als (sofortige) „Beschwerde“ gegen den Kostenausspruch (vgl. § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 StPO) verstanden, wäre sie unzulässig. Denn Entscheidungen eines Senats des Bundesgerichtshofs sind nach § 304 Abs. 4 Satz 1 StPO generell nicht beschwerdefähig.

b) Sofern die Schreiben des Verurteilten gemäß § 300 StPO als Gegenvorstellung auszulegen sein sollten, wäre eine solche jedenfalls unbegründet, weil die Kostenentscheidung im Beschluss des Senats vom 9. Januar 2024 der Sach- und Rechtslage entspricht. Deshalb kann dahinstehen, unter welchen Umständen eine Gegenvorstellung zulässig ist, mit der ein Revisionsführer beanstandet, das Revisionsgericht habe ihm zu Unrecht Kosten oder Auslagen auferlegt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022 – 3 StR 452/20, juris Rn. 6 mwN).“

Ich bitte an alle „Unterzeichnungskritiker“, also alle diejenigen, die immer wieder beanstanden, dass die ihnen zugestellte/übersandte Ausfertigung einer Entscheidung – hier war ein Beschluss, häufig sind es Urteile – nicht unterschrieben ist, die oben – entgegen der sonstigen Übung auch fett formatierte – Passage zu lesen und endlich mit den immer wieder kehrenden Angriffen: „Das Urteil ist nicht unterschrieben, also ist es nicht in der Welt“, aufzuhören. Die Ausfertigungen, die die Partei erhält, ist/wird nicht unterschrieben. Unterschrieben wird das Original, das in der Akte bleibt. Und um einem Einwand vorzubeugen: Ja, das Rechtsmittelgericht, prüft das Urteil/den Beschluss, ob er im Original unterschrieben ist, und zwar von Amts wegen. Davon kann man ausgehen.

Zur Info: Für Kommentare zu diesem Beitrag gilt: Ich habe die Kommentarfunktion offen gelassen. Sollten es allerdings zu viele und zu heftige Kommentare werden, wird sie geschlossen. Und ja, auch wenn das dem ein oder anderen nicht gefällt: was „zu viel“ und „zu heftig“ ist, bestimme ich, da es mein Blog ist. Das kann man nicht gut finden, ist aber so.

Geldempfangsvollmacht im Festsetzungsverfahren, oder: Elektronisches Dokument als Scan des Originals

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Und dann zum Wochenschluss – na ja, fast – noch RVG-Entscheidungen.

Ich beginne mit dem KG, Beschl. v. 12.01.2023 – 1 Ws 122/23, über den in dieser Woche in der FB-Gruppe „Strafverteidiger“ diskutiert worden ist. Inzwsichen liegt mir der Beschluss vor und ich will dann gleich über ihn berichten.

In der Sache geht es um die Frage der Vorlage der Originalvollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren, wenn der Verteidiger das Kostenfestsetzungsverfahren betreibt und Auszahlung an sich beantragt. Darum ist beim LG Berlin gestritten worden. Die Staatskasse bestand auf Vorlage der Originalvollmacht. Der Verteidiger hat die Vollmacht nur als elektronisches Dokument in Form eines Scans des schriftlichen Originals über sein beA vorlegt. Das LG hat daraufhin dann schließlich den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Dagegen die sorfortige Beschwerde, die vom KG keinen Erfolg hatte:

„2. Der Kostenfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers ist durch den angefochtenen Beschluss zu Recht zurückgewiesen worden, weil Rechtsanwalt X seine wirksame Bevollmächtigung nicht in der hierfür erforderlichen Form nachgewiesen hat.

Zu den nach § 464b Satz 3 StPO im Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend anzuwendenden Vorschriften der Zivilprozessordnung gehören auch die für alle Verfahrensarten gültigen grundsätzlichen Bestimmungen über Prozessbevollmächtigte und Beistände in den §§ 78-90 ZPO (vgl. BGH NJW 2011, 3722 m.w.N.). Gemäß § 80 Satz 1 ZPO ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten zu reichen. Die Bezirksrevisorin des Landgerichts hat die Nichteinreichung der Vollmacht gerügt, so dass das Landgericht trotz des Umstandes, dass es sich bei dem als Bevollmächtigten Auftretenden hier um einen Rechtsanwalt handelte (§ 88 Abs. 2 ZPO), die Bevollmächtigung auch zu Recht geprüft hat.

Ebenfalls zu Recht ist es dabei von deren nicht wirksamem Nachweis ausgegangen. Bei der von Rechtsanwalt X per beA übersandten und signierten Datei des Scans der Vollmachtsurkunde handelt es sich nicht um eine schriftlich zu den Gerichtsakten gereichte Vollmacht iSd des § 80 Abs. 1 ZPO. Diese Norm verlangt die schriftliche Einreichung der Vollmacht zum Nachweis der tatsächlichen Bevollmächtigung, der grundsätzlich nur durch die Vorlage der Originalvollmacht oder einer öffentlich beurkundeten Vollmacht, nicht aber durch Kopie, Telefax oder beglaubigte Abschrift geführt werden kann (vgl. BGHZ 126, 266, NJW 1994, 2298; Toussaint in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 80 Rn 17; Althammer in: Zöller, 35. Aufl. 2024, § 80 Rn 8)

Ein elektronisches Dokument in Form eines Scans des schriftlichen Originals steht insoweit sonstigen Kopien gleich und ist zum Nachweis der Vollmacht nicht ausreichend. Zwar kann die Schriftform gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form ersetzt werden, dies setzt aber gemäß § 126a Abs. 1 BGB voraus, dass der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versieht. Dies ist hier jedoch nicht geschehen, weil Aussteller der Vollmacht nicht Rechtsanwalt X, sondern der Antragsteller ist. Rechtsanwalt X konnte den Nachweis auch nicht dadurch führen, dass er als verantwortende Person nach § 130a Abs. 3 ZPO das elektronische Dokument signierte. Denn diese elektronische Signatur ersetzt lediglich die nach § 130 Nr. 6 ZPO erforderliche Unterschrift (vgl. BGHZ 184, 75, NJW 2010, 2134; Fritsche in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 130a Rn 9 m.w.N.), ermöglicht aber nicht die Erfüllung der Formerfordernisse anderer Vorschriften (vgl. Greger in: Zöller, 35. Aufl. 2024, § 130a ZPO Rn 2a).

Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, dass das Oberlandesgericht Oldenburg die Vorlage des Originals eines Berechtigungsscheines der Beratungshilfe für nicht erforderlich gehalten und einen per beA übermittelten Scan hat ausreichen lassen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 1. April 2022 – 12 W 25/22 –), ist diese Konstellation mit dem Nachweis der Bevollmächtigung nach § 80 ZPO bereits nicht vergleichbar. Denn es besteht bereits keine gesetzliche Pflicht zur Vorlage des Originals des Beratungshilfescheins, während § 80 Abs. 1 ZPO die schriftliche Einreichung der Vollmacht verlangt.“

Dazu zwei Dinge;

1. Das KG referiert die Rechtsprechung des BGH zur Vorlage einer Geldempfangsvollmacht zutreffend und zieht daraus auch grundsätzlich die richtigen Schlüsse. Aber: Es bleibt m.E. eine Antwort auf die Frage schuldig, warum diese zivilgerichtliche Rechtsprechung des BGH auch im Strafverfahren Anwendung findet. Ansatzpunkt für eine solche Diskussion wäre m.E. § 464b S. 3 StPO gewesen, wonach die Vorschriften der ZPO (nur) „entsprechend“ anzuwenden sind. Und das wird in der Literatur und auch Rechtsprechung zum Anlass genommen, die Vorlage der Vollmacht im Original in den Festsetzungsfällen nicht immer zur fordern (vgl. dazu Volpert in: Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 1448 unter Hinweis auf LG Duisburg StraFo 2003, 104 = AGS 2003, 219;

Und: M.E. hätte sich das KG auch zu der Frage äußern können, wenn nicht müssen, warum eigentlich der Antrag insgesamt zurückgewiesen wird? Hätte es nicht ausgereicht, die Auszahlung an den Verteidiger/Rechtsanwalt abzulehnen und zugunsten des antragstellenden Mandanten festzusetzen? Das wäre doch als Minus gegenüber dem geltend gemachten Anspruch m.E. möglich gewesen.

2. Im Übrigen: Unverständlich ist mir das Verhalten „beider Seiten“.

Ich kann nach den Beschlussgründen weder nachvollziehen, warum die Bezirksrevisorin auf der Vorlage der Originalvollmacht beharrt hat. Man hat den Eindruck, dass die Vertreterin der Staatskasse es dem Verteidiger – aus welchen Gründen auch immer – „mal zeigen wollte“. Erreicht hat sie damit m.E. nichts, außer dass über den Antrag ggf. noch einmal entschieden werden muss. Denn in der Sache ist darüber ja nicht entschieden worden. Also: Doppelte Arbeit.

Aber auch das Verhalten des Verteidigers ist nicht nachvollziehbar. Denn das Bestehen auf einer rechtsmittelfähigen Entscheidung bringt ja nun kein Geld in die Kasse, sondern macht einen neuen Antrag erforderlich. Warum erspart man sich also die Arbeit nicht und erfüllt den Wunsch der Staatskasse, wenn auch „zähneknirschend“?. Oder noch besser: Warum lässt man sich nicht den Kostenerstattungsanspruch des Mandanten abtreten – ggf. auch noch nachträglich? Dann braucht man nämlich keine Geldempfangsvollmacht (mehr), weil man ja dann als Verteidiger/Rechtsanwalt einen eigenen Anspruch geltend macht (vgl. dazu AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 25. 4.2023 – 664 Ds 4/22 jug).