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NSU, NSU, NSU – ein paar Gedanken/Anmerkungen am Ende des Verfahrens

entnommen wikimedia.org
Author Bubo

Gestern – am 11.07.2018 – ist nun nach mehr als fünf Jahren das sog. NSU-Verfahren zu Ende gegangen. Die Eilmeldungen, Meldungen im Internet, Tagesschau, Tagesthemen, Heute Journal und die heute die Tageszeitungen sind voll mit „Berichten“ und Meinungen zu dem „Ereignis“. Das hat mich (auch) auf die Idee gebracht, ein paar Punkte anzusprechen, zu denen man (noch) etwas sagen kann. Alles andere wird sich im Laufe der kommenden Zeit ergeben. Anzumerken ist bzw. kann man:

1. Das „NSU-Verfahren“ ist beendet.

Nun, das ist die erste/eine Aussage, die so nicht stimmt – daher ist an sich auch die Überschrift u diesem Beitrag falsch. Nicht „das Verfahren“ ist beendet, sondern die Hauptverhandlung – das gerichtliche Verfahren 1. Instanz – hat nach einer 437-tägigen Hauptverhandlung (hier gibt es einen Prozessbericht über jeden HV-Tag) ein Ende gefunden. Das Verfahren geht weiter mit den angekündigten Revisionen – zum Glück habe ich nirgendwo gelesen, die Verteidiger hätten angekündigt in die „Berufung“ zu gehen. Und möglicherweise steht nach einer BGH-Entscheidung dann noch der Gang nach Karlsruhe zum BVerfG an. Auch das wird man sehen.

2. „Höchststrafe“

An mehreren Stellen hieß/heißt es: Beate Zschäpe sei zur „Höchststrafe“ verurteilt worden. Das ist – stellt man auf die Hauptstrafe ab, – mit „lebenslanger Freiheitsstrafe“ – nicht „lebenslänglich“, wie ich irgendwo gelesen habe 🙂 – und „besonderer Schwere der Schuld“ sicherlich richtig. Berücksichtigt man, dass der GBA auch noch „Sicherungsverwahrung“ – § 66 StGB – beantragt hatte, ist es falsch. Mir hat sich allerdings nicht erschlossen, was in dem Fall eine Sicherungsverwahrung soll. Dem Senat offenbar auch nicht

3. Zur Nebenklage

An vielen Stellen ist über die Unzufriedenheit der Nebenkläger gesprochen worden, die beklagen, dass nicht genügend die Hintergründe des NSU aufgeklärt worden seien. Das mag richtig sein. Aber das – bitte schön – ist auch nicht die Aufgabe eines Strafverfahrens. Das dient nicht der geschichtlichen Aufklärung und Feststellung, sondern der Feststellung konkreter Taten, also die Beantwortung der Frage: Hat dieser/diese Angeklagte die ihm/ihr vorgeworfene Tat begangen? Mehr macht/kann und soll ein Strafverfahren nicht leisten. Alles andere gehört ggf. in Untersuchungsausschüsse oder ggf. in Fach-/Sachbücher, die sich mit den Fragen auseinander setzen und ggf. aus vielen Strafverfahren ein Bild „malen“. Das bedeutet übrigens nicht, dass ich der Auffassung bin, dass alles im Zusammenhang mit dem NSU aufgeklärt ist. Da sind noch viel Fragen offen. Nur in diesem Verfahren ist/war für den Senat alles aufgeklärt, was aus seiner Sicht aufgeklärt werden musste (§ 244 Abs. 2 StPO). Ob es reicht, ist dann ggf. eine Frage der Revision.

4. Zur Revision

Natürlich werden die Angeklagten und/oder ihre Verteidiger Revision einlegen. Alles andere würde überraschen. Nach den Schlussanträgen der Verteidiger – insbesondere der von B.Zschäpe – ist das m.E. sogar die Pflicht der Verteidigung. Wenn man auf Freispruch und/oder maximal 10 Jahre Freiheitsstrafe plädiert, dann aber zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit Bejahung der „besonderen Schwere der Schuld“ verurteilt wird, dann muss man darauf mit der Revision reagieren. Und da bringt es nichts, wenn teilweise gesagt: „und der Steuerzahler zahlt es am Ende“. Ja, das tut er. Und das ist auch gut so bzw. kann/muss sich ein Rechtsstaat leisten (können).

Und dem Zusammenhang: In meinen Augen unsinnig ist es – so aber die Tagesthemenmoderatorin im Gespräch mit dem „ARD-Rechtsexperten“ vor Ort -, wenn nach den Erfolgsaussichten der Revision gefragt wird. Wer will die jetzt beurteilen? Die Revision ist kein Selbstläufer – von daher fand ich die – aus Verteidigersicht verständliche Aussage des Kollegen Heer – die Revision werde zur Aufhebung des Urteils durch den BGH führen – recht mutig. Jedenfalls wird es für den Senat aber nicht einfach, das Urteil zu begründen. Die BGH-Rechtsprechung zur Mittäterschaft des Teilnehmers, der nicht am Tatort ist/war, ist recht vielfältig. Da kommt es auf viele Umstände an, die zutreffend gewertet werden müssen. Man wird sehen, wie es der Senat in den schriftlichen – und nur die sind maßgeblich – Urteilgründen hinbekommt.

An mehreren Stellen habe ich übrigens gelesen, dass einer der Nebenklägervertreter geäußert hat/haben soll, die Urteile seien teilweise „nach unserem Dafürhalten sehr, sehr milde“. Nun darum kann man streiten, aber es ist das gute Recht der Nebenkläger, das so zu sehen. Nur, wenn man deswegen als Nebenkläger in die Revision gehen will, ist das gefährlich. Der Hinweis auf § 400 StPO sei erlaubt. Danach kann der Nebenkläger eben kein Rechtsmittel allein wegen einer zu milden Bestrafung einlegen. Wenn man Revision einlegt, damit auch andere Angeklagte als B.Zschäpe wegen Mittäterschaft an den Morden verurteilt werden, dann mag das gehen. Aber das wird die Nebenklage schon wissen, hoffentlich.

Und dann: Irgendwo stand, nun werde es bald das schrifltich Urteil geben. Na ja, ich weiß nicht, was man unter „bald“ versteht. Aber es wird sicherlich einige Zeit dauern, bis das schriftlich begründete Urteil vorliegt. Wenn ich jetzt auf der Grundlage von § 275 Abs. 1 StPO richtig gerechnet habe, dürften dem Senat dafür 93 Wochen zustehen (437 Haupverhandlungstage = 44 x 2 Wochen + 5 Wochen). Das ist eine lange Zeit, die bis in das Jahr 2020 reicht. So lange wird es aber m.E. nicht dauern. Ich denke, der Senat wird spätestens in der ersten Hälfte 2019 sein Urteil vorlegen. Abgesehen davon, dass die 93 Wochen die Höchstfrist sind, ist – machen wir uns doch nichts vor – das Urteil in Teilen vorbereitet. Das ist zulässig, wenn man, wovon ich ausgehe, als Gericht/Senat nach der „Vorbereitung“ immer noch offen für andere Feststellungen ist. Denn anders kann man ein Urteil in einem Verfahren mit 437 HV-Tagen und – wie man hört – mehr als 1.000 Leitordnern Akten nicht handeln/abschließen.

M.E. gibt es mit dem Urteil keine Probleme wegen der bevorstehenden Pensionierung des Vorsitzenden Richters am OLG Götzel. Der muss das Urteil nicht (mehr) unterschreiben. Ist er zu dem Zeitpunkt pensioniert, kann seine Unterschrift ersetzt werden. Aber ich vermute mal, dass es sich der Vorsitzende nicht nehmen lassen wird, das Urteil auch selbst zu unterschreiben. Ist er zu dem Zeitpunkt dann Vizepräsident des wieder installierten BayObLG (vgl. hier), dann ist er ja noch im Dienst der bayerischen Justiz und kann unterschreiben.

Was der Fall sehr schön zeigt: Das Gericht hat 93 Wochen Zeit sein Urteil zu begründen. Die Verteidiger dann aber nur einen Monat (!!!), um die Revision der Angeklagten zu begründen. Verlängerungen gibt es da nicht. Das zeigt die Schieflage in der StPO an der Stelle, an der m.E. etwas geändert werden müsste. Aber Berlin wird sicherlich nicht dieses Verfahren dazu zum Anlass nehmen. Das Ganze entschärft sich (ein wenig) dadurch, dass (auch) die Verteidiger Gelegenheit haben, die Revisionsbegründungen vorzubereiten. Das muss man, da man es sonst in einem Monat nicht schafft. Das ist allerdings nicht einfach, weil es das Protokoll der Hauptverhandlung, das man für Verfahrensrügen nun mal braucht, i.d.R. erst nach Unterzeichnung des schriftlichen Urteils gibt.

5. Kosten

Die Kosten des Verfahrens liegen im zweistelligen Millionenbereich. Ob es nun 50 oder 60-Millionen sind, ist m.E. egal. Ich habe damit kein Problem, weil sich – siehe oben – der Rechtsstaat das leisten kann/muss. Welche erstgemeinte Alternative gibt es?

6. Aussicht

Wie geht es nun weiter? Nun wir werden irgendwann in den nächsten Monaten – hoffentlich nicht Jahren – eine Entscheidung des BGH bekommen. Zuständig ist m.E. nach dem GVP des BGH der dortige 3. Strafsenat, nicht der – wie an anderer Stelle geäußert wurde – der 1. Strafsenat – der ehemalige „Oli Kahn-Senat“ = „der hält alles“. Bis dahin wird es ruhiger werden.

Und: Es wird dann weitergehen. Ob im Hauptverfahren, wird man sehen. Zumindest wird es aber an einer Stelle weitergehen, nämlich bei den Pauschvergütungen der Pflichtverteidiger (§ 51 RVG). Die Anträge werden sicherlich kommen, Vorschussantrag sind ja auch bereits in der Vergangenheit gestellt worden. Wie sich das weiterentwickelt? Ich bin gespannt, allerdings erwarte ich nach den bisher vorliegenden Entscheidungen des OLG München dazu nichts Gutes. Da hat man sich m.E. bislang sehr kleinlich gezeigt, vor allem nachdem man die drei „Alteverteidiger“ weiterhin in die Pflicht genommen und zu „Quasi-Zwangsverteidigern“ gemacht hat. Wahrscheinlich wird die Fragen dann auf jeden Fall das BVerfG entscheiden. Das wäre dann auch mal eine gute Gelegenheit zu den Fragen der Pauschvergütung nach § 51 RVG Stellung mal wieder grundlegend Stellung zu nehmen.

7. Vertiefung

Und wer ein wenig zu den Hintergründen der Verteidigung und dem Denken und Fühlen der drei „Altverteidiger“ in den letzten fünf Jahren erfahren möchte, der hatte gestern Abend in der m.E. gut gemachten Doku „Heer, Stahl und Sturm – Die Zschäpe-Anwälte“ Gelegenheit. Steht auch wohl noch online bzw. in der Mediathek der ARD.

Das soll es gewesen sein. Ich denke, über die zu erwartenden gebührenrechtlichen Entscheidungen werde ich berichten 🙂 .

NSU: Die ggf. nicht existierende Nebenklägerin – Sieben Fragen und sieben Antworten

© bluedesign - Fotolia.com

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Gestern ist ja schon bei dem Kollegen Schmidt vom „Terrorismusblog“ ein Beitrag zu den Folgen aus der NSU-Nebenklägerschichte – die ggf. nicht existierende Nebenklägerin – gelaufen. Der Kollege Schmidt hatte dazu am Samstag und Sonntag mit mir ein Email-Interview geführt, das dann in seinen Beitrag: Gebührenexperte Burhoff zu NSU-Nebenklägerskandal: „für mich einzigartig“ Eingang gefunden hat (vielen Dank für den „Gebührenexperten“). Nach Absprache mit dem Kollegen darf ich hier „nachkarten – wenn ich schon am Wochenende eine Interview gebe 🙂 , dann muss dabei zumindest ein Blogbeitrag abfallen. Das Interview bzw. die Fragen des Kollegen habe ich dann um die Frage 6 ergänzt, die hatte der Kollege nicht gestellt

Also, ich zitiere:

Frage 1: Herr Burhoff, ein als Nebenklagevertreter beigeordneter Rechtsanwalt räumt während des Prozesses ein, dass es seine Mandantin offenbar gar nicht gibt. Haben Sie schon jemals von einem ähnlichen Fall gehört?

Antwort: Nein, das ist eine Verfahrenssituation, die für mich auch neu ist. Ich kann jetzt nicht behaupten, dass es das noch nie gegeben hat. Aber ich habe bisher in meiner mehr als 35-jährigen Tätigkeit als Richter oder Rechtsanwalt von einem solchen Fall noch nicht gehört. Für mich ist es also erstmalig und bisher einzigartig.

Frage 2: Die Nebenklagevertreter werden vom Staat bezahlt. Kann das Gericht bereits gezahltes Geld nun zurückfordern?

Antwort: Nun, die Frage ist nicht so ganz einfach zu beantworten und hängt sicherlich auch davon ab, ob der Nebenklagervertreter gewusst hat, dass es die Mandantin nicht gibt. Bisher sind, wenn Zahlungen erfolgt sind, wovon man ausgehen können dürfte, das nur Vorschüsse nach § 47 RVG auf demnächst nach Abschluss des Verfahrens dann fällige gesetzliche Gebühren. In der Regel werden die Vorschüsse dann – wie jeder Vorschuss – abgerechnet. Wenn der Kollege jetzt aus dem Verfahren ausscheidet, was ja wohl der Fall ist, muss jetzt abgerechnet werden.

Es kommt dann darauf an, ob es die Nebenklägerin gibt oder nicht und was der Kollege gewusst hat.

Gibt es die Nebenklägerin nicht, dann ist meines Erachtens die Bestellung des Kollegen durch das OLG München ins Leere gegangen. Es kann keine Nebenklagebeiordnung für einen nicht existierenden Nebenkläger geben. Dann kann meiner Einschätzung nach die Staatskasse zurückfordern. Das dürfte auch gelten, wenn der Kollege gutgläubig war, aber da bin ich mir nicht so ganz sicher. Das habe ich in der Kürze der Zeit nicht prüfen können. Rechtsprechung dazu kenne ich bislang nicht. War der Kollege bösgläubig, hat also gewusst, dass es die Nebenklägerin nicht gegeben hat, bzw. hat grob fahrlässig gehandelt, dann wird er auf jeden Fall zurückzahlen müssen. Ich denke da etwa an eine „Anfechtung“ der Beiordnung nach den Grundsätzen der arglistigen Täuschung. Abgewickelt wird das dann u.a. nach Bereicherungsgrundsätzen. Der Kollege kann sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen (§ 818 BGB).

Frage 3: Macht es dabei einen Unterschied, ob es das angebliche Opfer Meral K. gar nicht gibt oder ob es das Opfer gibt, es aber gar nicht weiß, dass sich für sie ein Nebenklageanwalt bestellt hat?

Antwort: Ich verweise zunächst mal auf die vorstehende Antwort. Wenn es das Opfer gibt, dann ist die Beiordnung durch das OLG nicht ins Leere gegangen und die gesetzlichen Gebühren für den Kollegen entstanden. Wenn er jetzt entpflichtet wird, muss der Vorschuss, den er erhalten hat, abgerechnet werden. Auch an dieser Stelle wird der Kollege, wenn er wusste, dass das Opfer keine Kenntnis von seiner Nebenklagestellung hatte, mit dem Einwand rechnen müssen, dass alles zurückgefordert wird.

Frage 4: Der „NSU-Prozess“ läuft inzwischen seit 233 Tagen, der betroffene Rechtsanwalt ist seit dem ersten Tag der Hauptverhandlung beigeordnet. Um wieviel Geld geht es also ungefähr?

Antwort: Nun, das kann man wirklich nur „ungefähr“ beantworten. Denn man weiß nicht, an wie vielen der Hauptverhandlungsterminen der Nebenklägervertreter teilgenommen hat. Man kann also nur eine überschlägige Berechnung anstellen. Geht man davon aus, dass der Kollege an allen 233 Hauptverhandlungstagen teilgenommen hat, dann dürfte es sich um einen Betrag von mindestens rund 100.000 € handeln. Entstanden sind dann nämlich die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV RVG, die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren Nr. 4118 VV RVG, die aber mit zusammen rund 500,00 € nicht ins Gewicht fallen. Es gilt altes Recht.

Den Hauptposten machen die Terminsgebühren für die Hauptverhandlungen aus. Das wären ggf. 233 mal die Terminsgebühr für einen Hauptverhandlungstermin nach Nr. 4120 VV RVG von je 356,00 €. Dazu kommen dann noch Auslagen, wie Fahrtkosten, Übernachtungsgelder usw., deren genaue Höhe man nicht beziffern kann, weil die individuell sind, aber zumindest wird man 233 mal ein Abwesenheitsgeld in Höhe von 60,00 € nach der Nr. 7005 VV RVG in Ansatz bringen können.

Der Betrag von rund 100.000 € kann sich zudem auch noch dadurch erhöhen, dass ggf. auch noch sog. Längenzuschläge anfallen, wenn einzelne Termine mehr als 5 bis zu 8 Stunden oder sogar mehr als 8 Stunden gedauert haben. Aber auch das weiß man nicht. Aber: Er kann auch (sehr viel) niedriger sein, wenn der Kollege nicht an allen Terminen teilgenommen hat.

Frage 5: In den Akten des „NSU-Prozesses“ finden sich nur vage Angaben zum angeblichen Opfer Meral K – aber keine polizeiliche Vernehmung und nicht einmal Angaben zu Geburtsdatum und Geburtsort. Hätte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl also bei der Beiordnung misstrauischer sein müssen?

Was verstehen Sie unter „misstrauischer“? Ich will jetzt gar nicht eine Lanze für den Vorsitzenden brechen oder nach dem Motto antworten: „Eine (ehemalige) Krähe hackt der anderen kein Auge aus“. aber: Normalerweise gibt es doch für ein Gericht keinen Grund, einem Rechtsanwalt, der ja Organ der Rechtspflege ist, zu misstrauen, wenn der erklärt, er sei Vertreter/Beistand einer Mandantin, die als Nebenklägerin zugelassen werden möchte. Die Rechtsanwälte werden immer mit dem Argument: Organ der Rechtspflege“ in die Pflicht genommen, hier würde ich die Bezeichnung zunächst mal als „Gütesiegel“ ansehen und dem Gericht zubilligen, dass es sich auf eine solche Erklärung verlässt. Sicherlich fällt auf, dass es keine polizeiliche Vernehmung gibt und auch Geburtsdatum und Geburtsort fehlen. Aber so ganz viele Möglichkeiten der Überprüfung hatte das OLG doch gar nicht. Vielleicht den Arzt vorab befragen, der das wohl auch vorgelegte Attest ausgestellt haben soll. Und: Man kann sicherlich auch an die Vorlage einer Meldebescheinigung denken. Aber ich stelle mir das Gezeter und Geschrei in der Presse vor, wenn der Senat so etwas – dann von jedem – potentiellen Nebenkläger verlangt hätte.

Zudem darf ich dann noch auf die Eingangsfrage hinweisen: Bisher hat es so etwas wohl noch nicht gegeben. Es bestand also auch gar kein Anlass, misstrauischer zu sein.

Frage 6: Was muss der Rechtsanwalt denn sonst noch befürchten? Hat er sich strafbar gemacht? Durfte er eine Provision für die Vermittlung bezahlen?

Antwort: Auch die Antwort hängt davon ab, was der Kollege gewusst hat und/oder hätte wissen können. Und man muss, wie es die Fragestellung tut, zwischen strafrechtlichen und standesrechtlichen Konsequenzen unterscheiden:

Ist der Kollege selbst getäuscht worden, dann sind strafrechtliche Konsequenzen nicht ganz einfach einzuleiten. Man denkt natürlich sofort an Betrug (§ 263 StGB), aber der kann dann allenfalls im Laufe des Mandats zu bejahen sein. Nämlich dann, wenn es m.E. auch dem Kollegen gedämmert haben müsste, dass es die Mandantin offenbar gar nicht gibt. Denn es müssten in der langen Zeit seit Verfahrensbeginn doch Besprechungen stattgefunden haben, Mitteilungen an die Mandantin gegangen sein usw. Also: Normales Geschäft, bei dem dann irgendwann aufgefallen sein müsste, dass die Person, die man vertritt, überhaupt nicht existiert. Wie weit das dann vorsätzlich ist bzw. das weitere Verhalten des Kollegen – nur dann ist es ein Betrug nach § 263 StGB – und ggf. ab da dann auch eine Gebührenüberhebung nach § 352 StGB – kommt auf die Umstände an. Nur grobe Fahrlässigkeit würde nicht ausreichen.

Ist der Kollege nicht getäuscht worden, sondern hat von Anfang an gewusst, dass die Mandantin nicht existiert – was auch von den Umständen der Mandatsübertragung usw. abhängt – dann dürfte es sich um einen Betrug handeln (§ 263 StGB), und zwar wohl in einem besonders schweren Fall (§ 263 Abs. 3 StGB). Lassen wir dafür mal die Frage der „Gewerbsmäßigkeit“ außen vor. Da dürfte schon die Höhe des Schadens (s.o.) reichen. Und dann wird auch die Gebührenüberhebung eine Rolle spielen (§ 352 StGB).

Standesrechtlich dürfte das Verhalten m.E. auf jeden Fall für den Kollegen Folgen haben. Das spielen natürlich auch die strafrechtlichen Fragen eine Rolle. Aber unabhängig davon: In § 49b Abs. 3 BRAO heißt es, dass „die Abgabe……..sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, …..unzulässig“ ist. Gegen diese standesrechtliche Pflicht dürfte der Kollege durch die Zahlung der „Provision“ verstoßen haben.

Zum Thema Vorschuss nach § 47 RVG gibt es übrigens einen Aufsatz von mir aus RVGreport 2011, 327.

Und ich möchte das Interview dann noch um eine Frage ergänzen, die der Kollege nicht gestellt hatte:

Frage 7: Hat die nicht existierende Nebenklägerin ggf. auch revisionsrechtliche Konsequenzen/Auswirkungen?

Antwort: Dazu haben sich einige Blogs bereits geäußert und halten das nicht für ausgeschlossen. Grds. ist das sicherlich richtig, hängt aber auch hier entscheidend davon ab, welche Verfahrensrolle die „nicht existierende Nebenklägerin“ im Verfahren bisher gespielt hat. Denn nur, wenn Verfahrensvorgänge, die auf sie bzw. auf die von ihrem Beistand gestellte Anträge zurückgehen, wird man dazu kommen können, dass das spätere Urteil – wenn es denn eins gibt – darauf beruht (§ 337 StPO). Das kann man im Moment – ohne genaue Kenntnis des Verfahrens – nicht abschätzen. Allein der Umstand, dass es eine nicht existierende Nebenklägerin gegeben hat, wird m.E. keine revisionsrechtlichen Auswirkungen zugunsten der Angeklagten haben.

NSU: Strafanzeige von B. Zschäpe gegen die drei „Alt-Verteidiger“

© stockWERK - Fotolia.com

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Na, das ist doch mal eine Meldung, die da gerade am Freitag noch über die Ticker läuft. B.Zschäpe hat die drei Alt-Verteidiger wegen Verletzung der Schweigepflicht (§ 203 StGB) angezeigt (vgl. u.a. hier). Es ist in der Tat mehr als deutlich, dass sie die drei loswerden will.

Mich fragt dann schon ein Kommentator bei NSU: Entwarnung in München – aber m.E. „wenig Ahnung“ zur Pflichtverteidigung im ZDF – wie es denn nun weitergeht? Nun, es wird m.E. erst mal weitergehen. Ganz so einfach ist es nach wie vor nicht, die drei „Alt-Verteidiger“ los zu werden. Allerdings wird es natürlich immer schwieriger, sie im Verfahren zu lassen. Also ich habe mal schnell nachgeschaut: Es gibt Rechtsprechung zu dem umgekehrten Fall, wenn nämlich der Pflichtverteidiger Strafanzeige gegen seinen Mandanten erstattet (BGHSt 39, 310 110). Aber zu dem hier vorliegenden Fall habe ich auf die Schnelle nichts gefunden. Allerdings wird man auch da vorsichtig sein (müssen) und allein den Umstand, dass Strafanzeige erstattet worden ist, nicht ausreichen lassen. Ich bin gespannt, was das OLG München macht.

Nachtrag hier: Vom „Terrorismus-Blog„.

NSU: Platzt das Verfahren – drei „Alt“Verteidiger beantragen Entbindung

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Ich sitze gerade im Zug auf der Heimfahrt nach Münster und lese bei N24: Verteidiger wollen aussteigen Der NSU-Prozess droht zu platzen.

Na, das ist aber mal eine Meldung. Und das am 219. Verhandlungstag. Die Gründe? Nun, die dürften auf der Hand liegen. Dann doch wohl mangelndes Vertrauen der Angeklagten. Vielleicht auch der vierte Kollege, der gerade bestellt worden ist. Aber: Ich denke, so schnell werden die „Bayern nicht schießen“ und die drei Kollegen entlassen. Zwar hat die Angeklagte einen vierten (Pflicht)Verteidiger, aber der ist ja wohl kaum schon eingearbeitet.

Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Das ist schon ein „Hammer“.