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StGB II: Nothilfe als Notwehr zu Gunsten eines Dritten, oder: Maßgeblichkeit der konkreten Kampflage

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Als zweite Entscheidung dann der BayObLG, Beschl. v.  12.03.2024 – 203 StRR 73/24 – zu den Voraussetzungen der Nothilfe. Leider ohne Sachverhalt, so dass ich nicht mehr als die Leitsätze einstellen kann:

    1. Nothilfe ist nichts anderes als Notwehr zu Gunsten eines Dritten. Besteht eine zur Nothilfe berechtigende Sachlage, so ist die Nothilfehandlung eines Dritten gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das in der konkreten Situation zur Verfügung steht.

    2. Die Pflicht, den Angreifer so weit zu schonen, wie dies im Rahmen einer effektiven Verteidigung möglich ist, ist nicht nur bei der Wahl des Mittels als solchem zu beachten, sondern auch bei der konkreten Ausgestaltung des Einsatzes des Mittels einschließlich dessen Intensität und Dauer.

    3. Maßgeblich ist die konkrete Kampflage. Der Rahmen erforderlicher Verteidigung wird durch die gesamten Umstände bestimmt, unter welchen Angriff und Abwehr sich abspielten, insbesondere durch die Stärke und die Gefährlichkeit des Angreifers und durch die Verteidigungsmöglichkeiten des Angegriffenen.

StGB AT I: Etwas aus der BGH-Rechtsprechung zum AT, oder: Notwehr, Täterschaft bei BtM, Rücktritt

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Heute stelle ich dann Entscheidungen zum StGB vor, und zwar nur Entscheidungen, die aus dem sog. „Allgemeinen Teil“ des StGB stammen. Auch da hat sich in der letzten Zeit einiges angesammelt, so dass ich teilweise nur die Leitsätze der Entscheidungen vorstelle.

Ich beginne hier mit drei BGH-Entscheidungen, und zwar:

1. Der Angriffene ist grundsätzlich berechtigt, das Abwehrmittel zu wählen, das eine endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet.

2. Unter mehreren Verteidigungsmöglichkeiten muss der Angegriffene nur dann auf ein für den Angreifer weniger gefährliches Abwehrmittel wählen, wenn ihm genügend Zeit zur Wahl des Mittels sowie zur Abschätzung der Lage zur Verfügung bleibt.

Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelstrafrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, so kommt es nach der neueren Rechtsprechung darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt.

Ein „freiwilliger Rücktritt“ i.S. des § 24 StGB liegt vor, wenn der Täter noch „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und er die Ausführung seines Plans noch für möglich hält, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert, noch durch einen seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Hiernach kommt neben – vom Täter wahrgenommenen – äußeren, physischen Hemmnissen auch ein nur durch innere Vorgänge bewirktes, mithin psychisches Unvermögen als der Freiwilligkeit des Rücktritts entgegenstehender Umstand in Betracht.

StGB III: Erforderlichkeit der Notwehrhandlung, oder: Erster Messerstich ja, zweiter oder dritter Stich ggf. nicht mehr

Und die dritte Entscheidung des heutigen Tages kommt vom BGH aus Leipzig :-). Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 13.09.2018 – 5 StR 421/18 – betreffend eine Notwehrproblematik.

Das LG hat den Angeklagten wegen Totschlags verurteilt, und zwar aufgrund folgenden Geschehens: Der Angeklagte und der mit ihm befreundete M. hatten

den Abend des 11.08.2017 gemeinsam verbracht. Als sie gegen 4.00 Uhr des Folgetages eine Kneipe verlassen hatten, gerieten sie aus ungeklärter Ursache in einen Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte seinen Freund mehrfach kräftig gegen ein BVG-Wartehäuschen drückte, jedoch von ihm abließ, als andere Gäste des Lokals sie auf die Auseinandersetzung ansprachen.

Kurz darauf hielt M. in Höhe eines nahegelegenen U-Bahnhofs unversehens ein Messer mit ausklappbarer, ca. 8,3 cm langer und 1,8 cm breiter Klinge in der Hand. Auf die Frage des Angeklagten, ob er es „gegen ihn ziehen“ würde, entgegnete er, er würde auch die Schwester des Angeklagten „ficken“, und schlug ihm gegen die Schulter, woraufhin der Angeklagte ihm einen Kopfstoß gab. Anschließend versetzten sich beide gegenseitig Schläge und Tritte, gingen hierbei zu Boden und rangen miteinander, unterbrachen aber den Kampf, als eine passierende U-Bahnfahrerin sie hierzu aufgefordert hatte. Nur Sekunden später ging M. jedoch wieder auf den Angeklagten los. Beide gerieten nach wechselseitigen Schlägen und Tritten erneut auf den Boden. Nachdem es dem Angeklagten gelungen war, als erster aufzustehen, schlug er seinen Freund noch einmal mit der Faust und warnte ihn, ihm zu folgen.

Er nahm das auf der Erde liegende Messer an sich, damit es M. nicht mehr ergreifen konnte, und entfernte sich in Richtung seiner Wohnung. Der Verlust seines Messers verstärkte die Erregung bei M. . Er folgte daher dem Angeklagten, packte ihn am rechten Arm und hielt ihn zurück. Seinen kurz zuvor aus der Hose gezogenen Gürtel nahm er dabei drohend in die Hand, weil er sein Messer wiederzuerlangen suchte. Als der Angeklagte gleichwohl weitergehen wollte, beleidigte M. ihn, stellte sich ihm in den Weg und schlug ihn mindestens zweimal mit der Gürtelschnalle. Er setzte seine Angriffe auch dann noch fort, als der wütende und zugleich verängstigte Angeklagte ihn aufgefordert hatte, damit aufzuhören.

Um sich zu verteidigen, stach der den Tod M. s billigend in Kauf nehmende Angeklagte diesem gegen 4.15 Uhr mit dessen Messer dreimal – davon zweimal wuchtig – in die Brust. Hierdurch wurden beide Herzbeutelseiten, die rechte Herzkammer, der linke Lungenoberlappen und der linke Brustbeutel verletzt. Nachdem der Getroffene schreiend zu Boden gegangen war, versuchte der Angeklagte sofort, ihm zu helfen. Obwohl herbeigerufene Rettungskräfte M. schnell ins Krankenhaus verbracht hatten, starb dieser um 5.18 Uhr infolge Verblutens.“

Das LG ist bei seiner rechtlichen Würdigung zwar davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt gegenwärtiger rechtswidriger Angriffe M. s ausgesetzt sah. Es hat die Stiche des Angeklagten aber deshalb als nicht durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt angesehen, weil diese zur Verteidigung nicht erforderlich gewesen seien. Vielmehr hätten sie zuvor angekündigt und allenfalls „in den Arm oder (eine) andere weniger letale Körperregion“ geführt werden müssen.

Der BGH sieht das zunächst mal anders. Das LG habe hinsichtlich der Erforderlichkeit einen zu strengen Maßstab angelegt:

a) Ob eine Verteidigungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB erforderlich ist, hängt im Wesentlichen von Art und Maß des Angriffs ab. Dabei darf sich der Angegriffene nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich des Abwehrmittels bedienen, das er zur Hand hat und das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten lässt. Dies schließt auch den Einsatz lebensgefährlicher Mittel ein. Zwar kann dieser nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen und darf auch nur das letzte Mittel der Verteidigung sein. Doch ist der Angegriffene nicht gehalten, auf die Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft ist. Auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang braucht er sich nicht einzulassen (BGH, Beschluss vom 16. April 1998 – 4 StR 114/98, NStZ 1998, 508 mwN).

b) Hieran gemessen durfte der Angeklagte das Messer zu seiner Verteidigung zumindest einmal in der festgestellten Weise einsetzen. Nachdem er die vorherigen Auseinandersetzungen durch sein Weggehen beendet hatte, war insofern die neue „Kampfeslage“ maßgeblich. Diese war insbesondere durch erstmals unter Einsatz eines Schlagwerkzeugs erfolgende Attacken M. s bestimmt, die zudem ungeachtet dessen fortgeführt wurden, dass der Angeklagte bereits unmittelbar zuvor dazu aufgefordert hatte, sie zu beenden.

Allerdings ist der Einsatz eines Messers in der Regel zunächst anzudrohen, wenn es sich um einen unbewaffneten Angreifer handelt und das Messer bis dahin noch nicht in Erscheinung getreten ist (vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140, und vom 1. Juli 2014 – 5 StR 134/14, NStZ 2015, 151, 152; jeweils mwN). Beide Voraussetzungen lagen indes nicht vor: M. schlug den Angeklagten mit einer Gürtelschnalle und setzte damit ein gefährliches Werkzeug (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) ein. Auch war es gerade sein eigenes Messer, das er vom Angeklagten wiedererlangen wollte.

Soweit das Landgericht im Übrigen meint, dem Angeklagten wäre es zuzumuten gewesen, den Stich in eine für das Leben M. s weniger bedrohliche Körperregion zu führen, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass ein derartiger Messereinsatz weitere Angriffe tatsächlich unterbunden hätte. Angesichts des ausgesprochen aggressiven Verhaltens M. s, der den Angeklagten verfolgt, festgehalten, beleidigt und in erheblicher Weise zu schlagen begonnen hatte, verstand es sich nicht von selbst, dass er sich durch einen Stich etwa in den Arm von weiteren Attacken hätte abbringen lassen. Dies hätte daher näherer Erörterung bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2001 – 4 StR 256/01; Urteil vom 27. September 2012 aaO).

c) Der zumindest den ersten vom Angeklagten versetzten Stich betreffende Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 349 Abs. 4 StPO). Jedoch können die hiervon unberührten Feststellungen zu I. und II. a) bis c) und f) bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).“

Aber:

„4. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts sowie auf Folgendes hin:

Sollte M. nicht schon infolge des ersten Stichs handlungsunfähig geworden sein, wird es der Prüfung bedürfen, ob erst der zweite oder gar dritte Stich dem Angeklagten die Gewähr geboten haben könnte, einen weiteren Angriff zu unterbinden.

Für den Fall, dass im Hinblick auf die „Kampfeslage“ nicht alle drei Stiche als im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB erforderlich anzusehen sein sollten, wird zu erörtern sein, ob durch den dann nicht gerechtfertigten Einsatz des Messers der durch Verbluten verursachte Tod M. s beschleunigt worden ist. Denn auch eine Lebensverkürzung um wenige Minuten stellt eine vollendete Tötung dar (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1966 – 2 StR 36/66, BGHSt 21, 59, 61).“

StGB III: Notwehr, oder: Wechselseitige Angriffe und Notwehrprovokation

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Und die dritte und letzte Entscheidung des Tages behandelt ebenfalls eine Notwehrproblematik. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 26.06.2018 – 1 StR 208/18 – auch nicht mehr ganz taufrisch -, aber dennoch noch eines Hinweises wert.

Hier hatte das LG folgende Feststellungen getroffen – ohne Mitteilung des Sachverhalts geht es in diesen Fällen leider nicht 🙂 :

„Einige Tage vor dem 25. Februar 2017 entstand zwischen dem Angeklagten, seiner Lebensgefährtin, der nicht revidierenden Mitangeklagten G. und dem Geschädigten P. ein Streit wegen der Rückzahlung eines Geldbetrages. Hintergrund der Streitigkeiten war, dass die Mitangeklagte G. dem P. einige Zeit zuvor Tabletten überlassen hatte, wofür dieser der Mitangeklagten ihrer Ansicht nach noch 20 € schuldete; der Geschädigte P. war der Meinung, er habe den Betrag gezahlt und schulde nichts mehr. Im Rahmen des Streits kam es zu gegenseitigen Beleidigungen und Beschimpfungen per SMS.

Am frühen Morgen des 25. Februar 2017 rief der Geschädigte bei dem Angeklagten an und beschimpfte und beleidigte ihn erneut, wobei es auch um den angeblich geschuldeten Geldbetrag ging. In dem Telefonat kündigte P. an, jetzt bei dem Angeklagten vorbeizukommen. Um 5.12 Uhr erhielt der Angeklagte eine SMS mit dem Inhalt „komm runter ich bin da“. Der Angeklagte verließ daraufhin die Wohnung und nahm eine Metallstange, mutmaßlich eine Duschstange, mit, da er aufgrund vorausgegangener SMS-Nachrichten vermutete, dass P. nicht alleine auf der Straße auf ihn warten werde. Die Mitangeklagte G. folgte ihrem Lebensgefährten und nahm ein Messer mit, um sich zu schützen, aber auch um anderen Personen Angst einzuflößen. Beide gingen aufgrund der vorangegangenen Beschimpfungen und Beleidigungen zwischen den Beteiligten davon aus, dass es sich nicht nur um eine friedliche Aussprache handeln würde, sondern dass es auch zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen könnte.

Der Geschädigte wartete zusammen mit dem Zeugen F. in dessen Fahrzeug. Der Angeklagte ging zu dem Pkw und öffnete die Beifahrertür. P. stieg aus und verlangte von dem Angeklagten und der Mitangeklagten G. , dass sie in das Fahrzeug einsteigen sollten. Dabei führte er einen langen metallenen Schuhanzieher mit sich, mit dem er Schlagbewegungen in Richtung des Angeklagten und der Mitangeklagten machte, ohne sie jedoch tatsächlich anzugreifen. Daraufhin entwickelte sich ein kurzer Kampf zwischen dem Angeklagten und P. , im Zuge dessen der Angeklagte dem Geschädigten P. mit der Duschstange auf den Kopf schlug. Währenddessen stellte sich die Mitangeklagte G. zwischen die Kämpfenden und den Zeugen F. und hielt diesem das mitgeführte Messer entgegen. Dadurch verhinderte sie, wie von ihr beabsichtigt, dass der Zeuge F. dem Geschädigten P. zu Hilfe kommen konnte.

Nach dem kurzen Kampf gingen der Angeklagte und die Mitangeklagte zurück in ihre Wohnung. P. rief, sie sollten wieder zurückkommen und drohte „wehe, wenn ihr nicht nochmal runterkommt“. In der Wohnung bewaffnete sich der Angeklagte mit einem Messer und ging wieder nach unten; ihm war dabei klar, dass die Auseinandersetzung nun weitergeführt wird und er wollte dies auch. Die Mitangeklagte G. folgte dem Angeklagten nach unten. Nunmehr kam es zu einer im Einzelnen nicht mehr genauer aufklärbaren körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten P. . Nicht ausschließbar hatte P. sich zwischenzeitlich ebenfalls bewaffnet und führte einen Hammer und ein Messer bei sich. Ziel der Auseinandersetzung war es, zu klären, wer der Stärkere und damit wer im Recht ist. Im Zuge der Auseinandersetzung gewann der Angeklagte schnell die Oberhand und verletzte P. mehrfach mit dem mitgeführten Messer, unter anderem am Oberkörper und am Kopf. Schließlich versetzte er P. einen Stich in die linke Brustkorbseite, etwa 2 cm unterhalb der Achselfalte, wodurch es zu einer ca. 3 cm langen Hautdurchtrennung, zu einer Durchtrennung der 4. Rippe und zu einer Eröffnung der Brusthöhle ohne Beteiligung von Lungengewebe kam, wobei zu keinem Zeitpunkt konkrete Lebensgefahr bestand. Aufgrund der Stichverletzung sank der Geschädigte in sich zusammen und sagte „Hör auf, es ist genug“. Der Angeklagte ließ daraufhin von ihm ab. Der Geschädigte P. befand sich vier Tage in stationärer Behandlung. Die Verletzungen sind zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilt. Der Angeklagte erlitt eine Schnittverletzung unterhalb des linken Knies, eine kleinere Hautdefektstelle oberhalb der rechten Augenbraue sowie mehrere Hautverfärbungen und kratzerartige Verletzungen im Rumpfbereich, die auf die Einwirkung stumpfer Gewalt hindeuten.“

Das LG hat eine – durch eine Tat begangene – Strafbarkeit des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB angenommen. Es hat die Handlungen des Angeklagten als nicht durch Notwehr gerechtfertigt gewertet. Das hat der BGH anders gesehen:

„a) Bereits die Annahme, der Schlag des Angeklagten mit der Duschstange sei rechtswidrig, begegnet durchgreifenden Bedenken. Denn es ist nicht festgestellt und belegt, dass ein rechtswidriger Angriff seitens des Angeklagten vorlag. Das Landgericht hat insoweit lediglich festgestellt, dass in dem „Herumfuchteln“ mit dem Schuhlöffel kein Angriff seitens des P. vorliege und sich daraufhin ein kurzer Kampf zwischen dem Angeklagten und P. entwickelt habe (UA S. 14, 25). Weitere Feststellungen zu diesem „kurzen Kampf“ und dem dem Schlag mit der Duschstange vorausgehenden Geschehen hat das Landgericht nicht getroffen. Bei zeitlich aufeinanderfolgenden, wechselseitigen Angriffen der Beteiligten bedarf es zur Prüfung der Notwehrlage einer Gesamtbetrachtung unter Einschluss des der Tathandlung vorausgegangenen Geschehens; derjenige kann sich nicht auf ein Notwehrrecht berufen, der zuvor einen anderen rechtswidrig angegriffen hat, so dass dieser seinerseits aus Notwehr handelt (vgl. BGH, Urteile vom 23. Januar 2003 – 4 StR 267/02, NStZ 2003, 599, 600; vom 22. November 2000 – 3 StR 331/00, NStZ 2001, 143, 144 und vom 26. Oktober 1993 – 5 StR 493/93, BGHSt 39, 374, 376 f.). Dies hat das Landgericht verkannt.

b) Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ist überdies die Annahme einer dem Angeklagten vorwerfbaren Provokation der Notwehrlage und einer damit einhergehenden Einschränkung seiner Notwehrbefugnisse im Hinblick auf die Messerstiche in den Oberkörper rechtsfehlerhaft.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfährt das Notwehrrecht unter anderem dann eine Einschränkung, wenn der Verteidiger gegenüber dem Angreifer ein pflichtwidriges Vorverhalten an den Tag gelegt hat, das bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls den folgenden Angriff als eine adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheinen lässt. In einem solchen Fall muss der Verteidiger dem Angriff unter Umständen auszuweichen suchen und darf zur lebensgefährlichen Trutzwehr nur übergehen, wenn andere Abwehrmöglichkeiten erschöpft oder mit Sicherheit aussichtslos sind (vgl. BGH, Urteile vom 15. Mai 1975 – 4 StR 71/75, BGHSt 26, 143, 145 und vom 7. Februar 1991 – 4 StR 526/90, NStE Nr. 21 zu § 32 StGB). Darüber hinaus vermag ein sozialethisch zu missbilligendes Vorverhalten das Notwehrrecht nur einzuschränken, wenn zwischen diesem Vorverhalten und dem rechtswidrigen Angriff ein enger zeitlicher und räumlicher Ursachenzusammenhang besteht und es nach Kenntnis des Täters auch geeignet ist, einen Angriff zu provozieren (vgl. BGH, Urteile vom 2. November 2005 – 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333 und vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100).

bb) Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht, dass der Angeklagte die – zu seinen Gunsten angenommene – Notwehrlage in rechtswidriger oder sonst sozialethisch zu missbilligender Weise vorwerfbar provoziert hätte.

Der Angeklagte hat in keiner Weise verbal zum Fortgang der Auseinandersetzung beigetragen und den anschließenden Angriff gegen ihn provoziert. …………

Das Notwehrrecht erfährt vorliegend auch nicht deshalb eine Beschränkung, weil sich der Angeklagte überhaupt in die zweite Auseinandersetzung bewaffnet mit einem Messer begeben hat. Denn die bloße Kenntnis oder die („billigende“) Annahme, ein bestimmtes eigenes Verhalten werde eine andere Person zu einem rechtswidrigen Angriff provozieren, kann für sich allein nicht zu einer Einschränkung des Rechts führen, sich gegen einen solchen Angriff mit den erforderlichen und gebotenen Mitteln zur Wehr zu setzen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 118/10, NStZ 2011, 82, 83; Urteile vom 2. November 2005 – 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333 und vom 12. Februar 2003 – 1 StR 403/02, NJW 2003, 1955, 1959; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 32 Rn. 43).“

Ist/war ein wenig viel Text. Ich weiß 🙂 .

Notwehr verneint, der BGH hat Bedenken

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Mit einer Notwehrsituation befasst sich der BGH, Beschl. v. 07.06.2017 – 4 StR 197/17 -, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

„Nach den Feststellungen des Landgerichts sah sich der Angeklagte am Abend des 9. August 2015 aus Anlass einer Festveranstaltung mit etwa 200 Gästen in einer Halle in M. seitens des Nebenklägers mit dem – tatsächlich unzutreffenden – Vorwurf konfrontiert, diesem auf der Veranstal-tung das Mobiltelefon entwendet zu haben. Auf die wütende Aufforderung des Nebenklägers, stehen zu bleiben, bekam es der Angeklagte mit der Angst zu tun und wich zurück. Der Nebenkläger und einige seiner Bekannten bedrängten den Angeklagten weiter und forderten ihn zur Rückgabe des Telefons auf, wo-raufhin der Angeklagte erwiderte, er habe es nicht. Als einer der Begleiter des Nebenklägers dem Angeklagten ins Gesicht fasste, wich dieser weiter zurück und trat schließlich die Flucht aus der Festhalle an. Er wurde vom Nebenkläger verfolgt, dem es vor der Halle gelang, den Angeklagten einzuholen. Auf die er-neut und nachdrücklich erhobene Aufforderung zur Rückgabe des Mobiltelefons bestritt der Angeklagte, dieses entwendet zu haben, woraufhin der Nebenkläger antwortete, dass er ihm nicht glaube und ihn nunmehr durchsuchen wolle. Das wollte der Angeklagte seinerseits nicht zulassen und beschloss wegzulaufen. Der Nebenkläger beharrte auf einer Klärung der Angelegenheit und fasste den Angeklagten an der Schulter. Nunmehr entschied sich der Angeklagte, die beabsichtigte Flucht auch gewaltsam durchzusetzen und den Nebenkläger daran zu hindern, weiter auf ihn einzuwirken. Er zog ein unbekanntes Schneidwerk-zeug mit kurzer Klinge aus seiner Tasche und fügte dem Nebenkläger damit zwei Schnitte im rechten Brustbereich zu, wodurch zwei klaffende und binnen kurzem stark blutende Wunden entstanden. Kurz darauf überbrachte ein Beglei-ter des Nebenklägers diesem sein Telefon mit dem Bemerken, er habe es ge-rade auf dem Boden gefunden. Diese Situation nutzte der Angeklagte zur Flucht.

Das LG hatte Notwehr verneint. Der BGH hat Bedenken.

Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Messerstiche einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff ausgesetzt war und sich daher in einer Notwehrsituation im Sinne des § 32 StGB befand.

a) Gegenwärtig kann auch ein Verhalten sein, das zwar noch kein Recht verletzt, aber unmittelbar in eine Verletzung umschlagen kann und deshalb ein Hinausschieben der Abwehrhandlung unter den gegebenen Umständen entwe-der deren Erfolg gefährden oder den Verteidiger zusätzlichen, nicht mehr hin-nehmbaren Risiken aussetzen würde (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2017 – 1 StR 486/16, juris Rn. 28 mwN). Hat der Angreifer bereits eine Verletzungs-handlung begangen, dauert der Angriff so lange an, wie eine Wiederholung und damit ein erneutes Umschlagen in eine Verletzung unmittelbar zu befürchten ist (BGH, Urteil vom 21. März 2017 aaO). Dabei kommt es auf die objektive Sachlage an. Entscheidend sind daher nicht die Befürchtungen des Angegriffenen, sondern die Absichten des Angreifers und die von ihm ausgehende Gefahr ei-ner (neuerlichen oder unverändert fortdauernden) Rechtsgutsverletzung (BGH aaO mwN).

b) Danach hätte das Landgericht das Vorliegen einer Notwehrlage hier nicht unerörtert lassen dürfen. Denn dem Angeklagten drohte zu dem Zeitpunkt, als er sich zum Einsatz des unbekannt gebliebenen Schneidwerkzeugs ent-schloss, eine Verletzung seiner rechtlich geschützten Interessen. Er musste weder hinnehmen, dass der – sich in Begleitung weiterer Personen befind-liche – Nebenkläger ihn, wie angekündigt, durchsuchen, noch dass dieser ihn deshalb durch Festhalten am Verlassen des Festgeländes hindern wollte.“