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Und die dritte und letzte Entscheidung des Tages behandelt ebenfalls eine Notwehrproblematik. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 26.06.2018 – 1 StR 208/18 – auch nicht mehr ganz taufrisch -, aber dennoch noch eines Hinweises wert.
Hier hatte das LG folgende Feststellungen getroffen – ohne Mitteilung des Sachverhalts geht es in diesen Fällen leider nicht 🙂 :
„Einige Tage vor dem 25. Februar 2017 entstand zwischen dem Angeklagten, seiner Lebensgefährtin, der nicht revidierenden Mitangeklagten G. und dem Geschädigten P. ein Streit wegen der Rückzahlung eines Geldbetrages. Hintergrund der Streitigkeiten war, dass die Mitangeklagte G. dem P. einige Zeit zuvor Tabletten überlassen hatte, wofür dieser der Mitangeklagten ihrer Ansicht nach noch 20 € schuldete; der Geschädigte P. war der Meinung, er habe den Betrag gezahlt und schulde nichts mehr. Im Rahmen des Streits kam es zu gegenseitigen Beleidigungen und Beschimpfungen per SMS.
Am frühen Morgen des 25. Februar 2017 rief der Geschädigte bei dem Angeklagten an und beschimpfte und beleidigte ihn erneut, wobei es auch um den angeblich geschuldeten Geldbetrag ging. In dem Telefonat kündigte P. an, jetzt bei dem Angeklagten vorbeizukommen. Um 5.12 Uhr erhielt der Angeklagte eine SMS mit dem Inhalt „komm runter ich bin da“. Der Angeklagte verließ daraufhin die Wohnung und nahm eine Metallstange, mutmaßlich eine Duschstange, mit, da er aufgrund vorausgegangener SMS-Nachrichten vermutete, dass P. nicht alleine auf der Straße auf ihn warten werde. Die Mitangeklagte G. folgte ihrem Lebensgefährten und nahm ein Messer mit, um sich zu schützen, aber auch um anderen Personen Angst einzuflößen. Beide gingen aufgrund der vorangegangenen Beschimpfungen und Beleidigungen zwischen den Beteiligten davon aus, dass es sich nicht nur um eine friedliche Aussprache handeln würde, sondern dass es auch zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen könnte.
Der Geschädigte wartete zusammen mit dem Zeugen F. in dessen Fahrzeug. Der Angeklagte ging zu dem Pkw und öffnete die Beifahrertür. P. stieg aus und verlangte von dem Angeklagten und der Mitangeklagten G. , dass sie in das Fahrzeug einsteigen sollten. Dabei führte er einen langen metallenen Schuhanzieher mit sich, mit dem er Schlagbewegungen in Richtung des Angeklagten und der Mitangeklagten machte, ohne sie jedoch tatsächlich anzugreifen. Daraufhin entwickelte sich ein kurzer Kampf zwischen dem Angeklagten und P. , im Zuge dessen der Angeklagte dem Geschädigten P. mit der Duschstange auf den Kopf schlug. Währenddessen stellte sich die Mitangeklagte G. zwischen die Kämpfenden und den Zeugen F. und hielt diesem das mitgeführte Messer entgegen. Dadurch verhinderte sie, wie von ihr beabsichtigt, dass der Zeuge F. dem Geschädigten P. zu Hilfe kommen konnte.
Nach dem kurzen Kampf gingen der Angeklagte und die Mitangeklagte zurück in ihre Wohnung. P. rief, sie sollten wieder zurückkommen und drohte „wehe, wenn ihr nicht nochmal runterkommt“. In der Wohnung bewaffnete sich der Angeklagte mit einem Messer und ging wieder nach unten; ihm war dabei klar, dass die Auseinandersetzung nun weitergeführt wird und er wollte dies auch. Die Mitangeklagte G. folgte dem Angeklagten nach unten. Nunmehr kam es zu einer im Einzelnen nicht mehr genauer aufklärbaren körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten P. . Nicht ausschließbar hatte P. sich zwischenzeitlich ebenfalls bewaffnet und führte einen Hammer und ein Messer bei sich. Ziel der Auseinandersetzung war es, zu klären, wer der Stärkere und damit wer im Recht ist. Im Zuge der Auseinandersetzung gewann der Angeklagte schnell die Oberhand und verletzte P. mehrfach mit dem mitgeführten Messer, unter anderem am Oberkörper und am Kopf. Schließlich versetzte er P. einen Stich in die linke Brustkorbseite, etwa 2 cm unterhalb der Achselfalte, wodurch es zu einer ca. 3 cm langen Hautdurchtrennung, zu einer Durchtrennung der 4. Rippe und zu einer Eröffnung der Brusthöhle ohne Beteiligung von Lungengewebe kam, wobei zu keinem Zeitpunkt konkrete Lebensgefahr bestand. Aufgrund der Stichverletzung sank der Geschädigte in sich zusammen und sagte „Hör auf, es ist genug“. Der Angeklagte ließ daraufhin von ihm ab. Der Geschädigte P. befand sich vier Tage in stationärer Behandlung. Die Verletzungen sind zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilt. Der Angeklagte erlitt eine Schnittverletzung unterhalb des linken Knies, eine kleinere Hautdefektstelle oberhalb der rechten Augenbraue sowie mehrere Hautverfärbungen und kratzerartige Verletzungen im Rumpfbereich, die auf die Einwirkung stumpfer Gewalt hindeuten.“
Das LG hat eine – durch eine Tat begangene – Strafbarkeit des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB angenommen. Es hat die Handlungen des Angeklagten als nicht durch Notwehr gerechtfertigt gewertet. Das hat der BGH anders gesehen:
„a) Bereits die Annahme, der Schlag des Angeklagten mit der Duschstange sei rechtswidrig, begegnet durchgreifenden Bedenken. Denn es ist nicht festgestellt und belegt, dass ein rechtswidriger Angriff seitens des Angeklagten vorlag. Das Landgericht hat insoweit lediglich festgestellt, dass in dem „Herumfuchteln“ mit dem Schuhlöffel kein Angriff seitens des P. vorliege und sich daraufhin ein kurzer Kampf zwischen dem Angeklagten und P. entwickelt habe (UA S. 14, 25). Weitere Feststellungen zu diesem „kurzen Kampf“ und dem dem Schlag mit der Duschstange vorausgehenden Geschehen hat das Landgericht nicht getroffen. Bei zeitlich aufeinanderfolgenden, wechselseitigen Angriffen der Beteiligten bedarf es zur Prüfung der Notwehrlage einer Gesamtbetrachtung unter Einschluss des der Tathandlung vorausgegangenen Geschehens; derjenige kann sich nicht auf ein Notwehrrecht berufen, der zuvor einen anderen rechtswidrig angegriffen hat, so dass dieser seinerseits aus Notwehr handelt (vgl. BGH, Urteile vom 23. Januar 2003 – 4 StR 267/02, NStZ 2003, 599, 600; vom 22. November 2000 – 3 StR 331/00, NStZ 2001, 143, 144 und vom 26. Oktober 1993 – 5 StR 493/93, BGHSt 39, 374, 376 f.). Dies hat das Landgericht verkannt.
b) Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ist überdies die Annahme einer dem Angeklagten vorwerfbaren Provokation der Notwehrlage und einer damit einhergehenden Einschränkung seiner Notwehrbefugnisse im Hinblick auf die Messerstiche in den Oberkörper rechtsfehlerhaft.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfährt das Notwehrrecht unter anderem dann eine Einschränkung, wenn der Verteidiger gegenüber dem Angreifer ein pflichtwidriges Vorverhalten an den Tag gelegt hat, das bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls den folgenden Angriff als eine adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheinen lässt. In einem solchen Fall muss der Verteidiger dem Angriff unter Umständen auszuweichen suchen und darf zur lebensgefährlichen Trutzwehr nur übergehen, wenn andere Abwehrmöglichkeiten erschöpft oder mit Sicherheit aussichtslos sind (vgl. BGH, Urteile vom 15. Mai 1975 – 4 StR 71/75, BGHSt 26, 143, 145 und vom 7. Februar 1991 – 4 StR 526/90, NStE Nr. 21 zu § 32 StGB). Darüber hinaus vermag ein sozialethisch zu missbilligendes Vorverhalten das Notwehrrecht nur einzuschränken, wenn zwischen diesem Vorverhalten und dem rechtswidrigen Angriff ein enger zeitlicher und räumlicher Ursachenzusammenhang besteht und es nach Kenntnis des Täters auch geeignet ist, einen Angriff zu provozieren (vgl. BGH, Urteile vom 2. November 2005 – 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333 und vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100).
bb) Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht, dass der Angeklagte die – zu seinen Gunsten angenommene – Notwehrlage in rechtswidriger oder sonst sozialethisch zu missbilligender Weise vorwerfbar provoziert hätte.
Der Angeklagte hat in keiner Weise verbal zum Fortgang der Auseinandersetzung beigetragen und den anschließenden Angriff gegen ihn provoziert. …………
Das Notwehrrecht erfährt vorliegend auch nicht deshalb eine Beschränkung, weil sich der Angeklagte überhaupt in die zweite Auseinandersetzung bewaffnet mit einem Messer begeben hat. Denn die bloße Kenntnis oder die („billigende“) Annahme, ein bestimmtes eigenes Verhalten werde eine andere Person zu einem rechtswidrigen Angriff provozieren, kann für sich allein nicht zu einer Einschränkung des Rechts führen, sich gegen einen solchen Angriff mit den erforderlichen und gebotenen Mitteln zur Wehr zu setzen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 118/10, NStZ 2011, 82, 83; Urteile vom 2. November 2005 – 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333 und vom 12. Februar 2003 – 1 StR 403/02, NJW 2003, 1955, 1959; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 32 Rn. 43).“
Ist/war ein wenig viel Text. Ich weiß 🙂 .