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Gebrauchwagenkauf vom gewerblichen Händler, oder: Welche Nachforschungspflichten bestehen?

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Und als zweite Entscheidung am heutigen Samstag dann der OLG Braunschweig, Beschl. v. 02.01.2019 – 9 U 32/18. Problematik: Gutgläubiger Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs bzw. die Frage: Wann handelt ein Erwerber grob fahrlässig i.S. des § 932 Abs. 2 BGB. Das ist eine der Fragen, die man im Studium „rauf und runter deklinieren“ konnte und die einem dann in der Praxis dann doch eher selten begegnet (ist). Jedenfalls war das bei mir der Fall.

Dazu das OLG:

„Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Unter grober Fahrlässigkeit wird im Allgemeinen ein Handeln verstanden, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 18.06.1980 – VIII ZR 119/79 -, juris Rz. 22 = BGHZ 77, 274, 276; Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 -, juris Rz. 11). Beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs begründet der Besitz desselben allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen des gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 VI FZV bzw. früher den Kraftfahrzeugbrief (§ 25 IV S. 2 StVZO a.F.) vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 -, juris Rz. 13; Urt. v. 13.09.2006 – VIII ZR 184/05 -, juris Rz. 17; Urt. v. 13.05.1996 – II ZR 222/95 -, juris Rz. 7, m.w.N.). Denn es muss in der Regel Argwohn erwecken und zu weiteren Nachforschungen Anlass geben, wenn der Veräußerer entweder den Kraftfahrzeugbrief nicht vorlegen kann oder wenn sich aus diesem ein vom Veräußerer personenverschiedener Halter ergibt (BGH, Urt. v. 13.04.1994 – II ZR 196/93 -, juris Rz. 19). Sinn und Zweck der Zulassungsbescheinigung Teil II bzw. früher des Fahrzeugbriefs besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 -, juris Rz. 14). Diese Prüfungen hat der Erwerber jedenfalls vorzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen. Kommt der Erwerber dieser Obliegenheit nach und liegen auch keine anderen Verdachtsmomente für ihn vor, treffen ihn keine weiteren Nachforschungspflichten (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 -, juris. Rz. 14).“

Und dann setzt sich das OLG mit fünf Punkten auseinander, woraus man ableiten kann, worauf es ankommen kann. Nämlich:

(1) Den Beweis, dass es der Zeuge F. unterlassen hat, sich die Zulassungsbescheinigung Teil II anzusehen, hat die Beklagte nicht erbracht. Vielmehr ist das Landgericht nachvollziehbar zu der Feststellung gelangt, dass sich der Zeuge F., die Zulassungsbescheinigung Teil II angesehen hat……

(2) Aus dem Umstand, dass die Streitverkündete nicht als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen war, ergab sich keine weitergehende Nachforschungspflicht der Klägerin bzw. des Zeugen F..

Zwar muss demjenigen, der von einer Privatperson einen Gebrauchtwagen erwirbt, die nicht als Halter im Fahrzeugbrief ausgewiesen ist, sich der – eine Nachforschungspflicht auslösende – Verdacht aufdrängen, dass der Veräußerer auf unredliche Weise in den Besitz des Fahrzeugs gelangt sein könne (BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457). Das gilt aber nicht für solche Fälle, in denen – wie hier – ein gebrauchtes Fahrzeug von einem Händler in dessen Geschäftsbetrieb erworben wird und dabei der Kraftfahrzeugbrief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II samt allen sonstigen Unterlagen übergeben wird (vgl. BGH NJW 1975, 735; NJW-RR 1987, 1456, 1457; NJW 1992, 310). Beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs von einem Kfz-Händler reicht allein dessen fehlende Eintragung im Kfz-Brief zur Begründung der Bösgläubigkeit nicht aus, weil es nicht ungewöhnlich ist, dass ein Autohändler ein gebrauchtes Fahrzeug ohne vorherige Umschreibung verkauft (OLG Köln, Urt. v. 21.02.1996 – 6 U 167/94, Rn. 12; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.02.2009 – I-11 U 24/08, Rn. 12, jeweils zitiert nach juris). Zum einen bringt es dem Kfz-Händler nichts, den Aufwand seiner eigenen Eintragung als Halter auf sich zu nehmen; zum anderen ist zu berücksichtigen, dass ein Fahrzeug nach der Verkehrsanschauung umso mehr an Wert verliert, je mehr Eigentümer in den Fahrzeugpapieren eingetragen sind (OLG Stuttgart, Urt. v. 27.02.2013 – 3 U 140/12, Rn. 2; OLG Düsseldorf, a.a.O.).

(3) Auch der Verkaufspreis von 15.500,00 Euro hatte keine weiteren Nachforschungspflichten für die Klägerin bzw. den Zeugen F. zur Folge. Dies gilt unabhängig davon, ob der von der Beklagten behauptete Marktwert von 32.100,00 Euro brutto zutreffend ist.

(4) Auch die konkreten Merkmale der Zulassungsbescheinigung waren nicht geeignet, eine Bösgläubigkeit der Klägerin bzw. des Zeugen F. zu begründen. Dies ist bei einer gefälschten Zulassungsbescheinigung nur dann anzunehmen, wenn sie als solche deswegen leicht durchschaubar ist (vgl. MüKo/Oechsler, BGB, § 932, Rn. 56). Dies war vorliegend nicht der Fall…..

(5) Der Umstand, dass ein Kfz-Händler – wie hier die Streitverkündete – drei ähnliche junge gebrauchte Fahrzeuge zum Verkauf angeboten hat, kann verschiedene unverfängliche Gründe haben und muss mithin bei einem Kunden eines Gebrauchtwagenhändlers ohne Weiteres keinen Verdacht aufkommen lassen……

 

Einspruchsverwerfung: Vor der Verwerfung musst du forschen

Auf die Kurzformel: Vor der Verwerfung des Einspruchs muss der Amtsrichter seiner Aufklärungspflicht hinsichtlich dews geltend gemachten Entschuldigungsgrundes nachgehen, lassen sich die Gründe des OLG Bamberg, Beschl. v. 28. 11. 2011 – 3 Ss OWi 1514/11 – zusammenfassen. Allerdings mit einer Einschränkung: Der Betroffene muss schon etwas zur Entschuldigung vortragen. Die Leitsätze der Entscheidung:

1. Die Regelung des § 74 II OWiG birgt nicht nur die Gefahr eines sachlich unrichtigen Urteils in sich, sondern auch, dass dem Betroffenen das rechtliche Gehör (Art. 103 I GG) entzo­gen wird. Der Begriff der ‚genügenden Entschuldigung’ darf deshalb nicht eng ausgelegt werden.

 2. Den Betroffenen trifft hinsichtlich des Ent­schuldi­gungsgrundes grundsätzlich keine Pflicht zur Glaubhaftmachung oder zum lücken­losen Nachweis. Das Gericht hat vielmehr, wenn ein konkreter Hinweis auf einen Entschuldigungsgrund vorliegt oder Zweifel an einer genügenden Entschuldigung bestehen, dem im Rahmen seiner Aufklärungspflicht – gegebenen­falls im Wege des Freibeweises – nachzugehen (Anschluss u.a. an BayObLGSt 1998, 79/82; 2001, 14/16; OLG Bamberg wistra 2007, 79 f.; NZV 2009, 303 f.; NZV 2011, 409 f.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 25.03.2010 – 3 Ss [OWiZ) 37/10 [bei Juris]; KG DAR 2011, 146 f.).

 3. Die Nachforschungsverpflichtung des Gerichts ist andererseits nicht grenzenlos. Ihre Auslösung setzt (wenigstens) voraus, dass der Betroffene vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt, der geeignet ist, sein Aus­bleiben genügend zu entschuldigen (Anschluss u.a. an KG VRS 108, 110 ff.; OLG Bamberg OLGSt StPO § 329 Nr. 29 = DAR 2008, 217 [Ls]; BayObLGSt 1997, 145/147 f.; 1998, 79/81 f.).

 4. Legt der Betroffene eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, besteht regelmäßig ein konkreter Hinweis auf die Existenz eines berechtigten Entschuldigungsgrunds, sofern nicht Gründe dafür vorliegen, dass das Attest als erwiesen falsch oder sonst als offensichtlich unrichtig oder unzureichend anzusehen ist (Anschluss an OLG Hamm NZV 2011, 562 f.).

5. In der Vorlage des ärztlichen Attests durch den Betroffenen liegt regelmäßig zugleich die Entbindung des ausstellenden Arztes von seiner Schweigepflicht.