Da kann man nur sagen: (OWi-)Verteidiger aufgepasst, wenn man zwei obergerichtliche Entscheidungen aus der letzten Zeit sieht/liest.
- Zunächst ist es das BGH, Urt. v. 10.02.2015 – 1 StR 488/14 -, das sich zu den Grenzen der Selbstbegünstigung bei falscher Verdächtigung verhält: Im Pkw des Angeklagten waren zwei Feuerwerkskörper polizeilich sichergestellt worden. In dem wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz eingeleiteten Verfahren behauptete der Angeklagte bewusst wahrheitswidrig, die beiden Gegenstände gehörten nicht ihm, sondern seinem Sohn, woraufhin das AG ihn freigesprochen. Wie von dem Angeklagten billigend in Kauf genommen, wurde nunmehr ein Ermittlungsverfahren gegen seinen Sohn eingeleitet. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen falscher Verdächtigung verurteilt. Der BGH hat die Revision verworfen. Eine auf zulässiges Verteidigungsverhalten eines Beschuldigten im Strafverfahren oder dessen Selbstbelastungsfreiheit gestützte Einschränkung des Tatbestandes der falschen Verdächtigung gem. § 164 Abs. 1 StGB kommt in der Konstellation nach Auffassung des BGH nicht in Betracht. Ob eine in der obergerichtlichen Rechtsprechung (BayObLG NJW 1986, 441, 442; OLG Düsseldorf NJW 1992, 1119; OLG Frankfurt DAR 1999, 225) befürwortete Tatbestandseinschränkung für Fallgestaltungen, in denen der Täter wahrheitswidrig eine allein als alternativer Täter in Frage kommende Person ausdrücklich als solchen bezeichnet, angenommen werden kann, lässt der BGH offen. Jedenfalls dann, wenn eine Person konkret verdächtigt wird, für deren Tatbegehung bzw. Tatbeteiligung bis dahin keine Anhaltspunkte bestanden, komme im Hinblick auf das durch § 164 StGB auch gewährleistete Rechtsgut des Schutzes der innerstaatlichen Strafrechtspflege vor unberechtigter Inanspruchnahme (BGH StraFo 2013, 79) eine Tatbestandseinschränkung nicht in Betracht. Anders als in Fallgestaltungen, in denen außer dem falsch Verdächtigenden überhaupt nur eine weitere Person als Täter der fraglichen rechtswidrigen Tat in Betracht kommt, werde in der hier vorliegenden Konstellation erstmals eine andere Person als vermeintlicher Täter bezichtigt. Erst dadurch würden die Ermittlungsbehörden zu einer auf eine materiell unschuldige und bis zur Falschbezichtigung unverdächtige Person bezogenen Ermittlungstätigkeit veranlasst.
- Und zum Zweiten ist es das OLG Stuttgart, Urt. v. 23.07.2015 – 2 Ss 94/15: Da war gegen den Angeklagten 1 ein Bußgeldverfahren wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit anhängig. messen. Der Angeklagte 1 verabredete mit seinem Arbeitskollegen, dem Angeklagten 2, dass dieser seinen Namen und seine Adresse in den dem Angeklagten 1 zugesandten Anhörungsbogen eintragen sollte und an die Bußgeldstelle zurückschickt. Gegen den Bußgeldbescheid, der dann gegen diesen Angeklagten erging, legte dieser Einspruch ein. Beim AG teilte der Verteidiger dann mit, dass bei einem Lichtbildabgleich nun/nachträglich festgestellt worden sei, dass der Angeklagte 2 nicht gefahren sei. Das Verfahren gegen den Angeklagten wurde eingestellt. Gegen den Angeklagten 1 war auch nichts mehr zu machen, da Verfolgungsverjährung eingetreten war. Es erfolgt Anklage gegen 1 und 2 mit dem Ergebnis der Verurteilung.
Der Leitsatz aus dem OLG Stuttgart, Urt. v. 23.07.2015 – 2 Ss 94/15 – lautet:
„Führen der Täter einer Ordnungswidrigkeit und eine mit ihm zusammenwirkende, an der Tat unbeteiligte Person die Bußgeldbehörde bewusst in die Irre, indem sich die weitere Person selbst zu Unrecht der Täterschaft bezichtigt, kann dies für den Täter zu einer Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft und für die weitere Person wegen Beihilfe hierzu führen.“
Also Vorsicht, wenn die Mandanten mit solchen „Verteidigungsstrategien“ kommen. Finger weg….