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Verständigung I: Gesamtpaket und „es muss alles auf den Tisch“

© FotolEdhar Fotolia.com

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Ich habe länger nicht mehr über die Verständigung (§ 257c StPO) bzw. die damit zusammenhängenden Mitteilungspflichten in der Hauptverhandlung (§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO) berichtet. Das hole ich dann heute nach. Hier also dann bei Verständigung I zunächst der BGH, Beschl. v. 12.07.2016 – 1 StR 136/16, in dem sich der BGH – zusammenfassend – erneut mit Verständigungsinhalten und/oder der Mitteilungspflicht auseinander setzt. und zwar wie folgt:

Zunächst stellte sich die Frage nach einem sog. unzulässigen Gesamtpaket. Das hatte der Angeklagte mit der Begründung gerügt, der in der Hauptverhandlung unterbreitete Verständigungsvorschlag des Gerichts habe – entsprechend dem Ergebnis der Vorgespräche die Wendung enthalten -, die Staatsanwaltschaft wirke darauf hin, dass ein gegen den Angeklagten anhängiges Berufungsverfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt werde.

Mit der Rüge war der Angeklagte nicht erfolgreich. Der BGH verweist darauf, dass in eine Verständigung nicht Verfahren mit Bindungswirkung einbezogen werden können, die außerhalb der Kompetenz des Gerichts liegen. Zusagen der Staatsanwaltschaft zu Einstellungen in anderen Verfahren nach § 154 StPO anlässlich einer Verständigung seien aber nicht etwa verboten. Zulässig sei deshalb, dass die Staatsanwaltschaft anlässlich einer Verständigung nach § 257c StPO ankündige, andere bei ihr anhängige Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die zu erwartende Verurteilung einzustellen oder auf eine Einstellung bereits anhängiger Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO hinzuwirken, solange nicht der Eindruck erweckt werde, dass es sich dabei um einen von der Bindungswirkung der Verständigung (§ 257c Abs. 4 StPO) erfassten Bestandteil handelt. Einem solchen Eindruck könne entgegengewirkt werden, indem der Vorsitzende den Angeklagten – was hier geschehen war – darüber belehre, dass diese Ankündigung keine solche Bindungswirkung entfalte.

Erfolgreich war die Revision aber dann mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO. Der BGH beanstandet nämlich, dass vom Vorsitzenden nicht mitgeteilt worden sei, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern der Verständigungsgespräche vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen sei. Auch sei keine Mitteilung über die an die Verständigungsgespräche anschließenden Telefonate des Vorsitzenden mit der Verteidigerin und der Staatsanwaltschaft erfolgt. Im Rahmen dieser Gespräche habe die Staatsanwaltschaft ihre Strafmaßvorstellungen modifiziert. Mitzuteilen seien nach § 243 Abs. 4 StPO sämtliche auf eine Verständigung abzielende Gespräche, also auch solche, durch die anfängliche Verständigungsgespräche inhaltlich später modifiziert werden. Es müsse – die Formulierung ist jetzt von mir: „alles auf den Tisch“.

Gespräche im Beratungszimmer, oder: Wenn die StK die Verfahrensbeteiligten „mitnehmen“ will

© Corgarashu – Fotolia.com

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Im Moment scheint an der „Verständigungsfront“ (§ 257c StPO) Ruhe zu sein = es gibt derzeit nicht so viele Entscheidungen (des BGH), über die man berichten könnte. Hinweisen möchte ich dann aber doch auf ein schon etwas älteres Urteil des BGH, nämlich das BGH, Urt. v. 23.03.2016 –   2 StR 121/15, das sich noch einma/mal wieder mit der Frage der sich aus § 243 Abs. 4 Satz 2 ergebenden Mitteilungspflicht befasst, hinweisen. Grundlage ist folgender Sachverhalt:

Das LG Erfurt verurteilt die Angeklagte in einem ersten Urteil wegen Totschlags durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil wird vom BGH im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben (Beschl. v. 06.12.2012 – 2 StR 170/12). Im zweiten Durchgang wird die Angeklagte dann zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen erneut die Revision, die mit einer Verfahrensrüge einr Verletzung der § 243 Abs. 4 Satz 2, § 273 Abs. 1a StPO Erfolg hat. Der Rüge liegt dann folgendes Prozessgeschehen zu Grunde:

„Nachdem der Verteidiger vor Beginn der Hauptverhandlung zweimal beim Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer angefragt hatte, ob eine Verständigung in Betracht komme, worauf dieser ablehnend reagiert hatte, teilte der Vorsitzende zu Beginn der Hauptverhandlung mit, dass eine Verständigung nicht stattgefunden habe. In der neuen Beweisaufnahme zur Straffrage äußerte die gerichtliche Sachverständige, es komme auch die Annahme von Schuldunfähigkeit der Angeklagten zur Tatzeit in Betracht. Danach unterbrach das Gericht um 15.10 Uhr die Hauptverhandlung. Auf Initiative des Vorsitzenden fand im Beratungszimmer ein Rechtsgespräch zwischen den Mitgliedern der Schwurgerichtskammer, dem Verteidiger und dem Staatsanwalt statt. Die Erörterungen bezogen sich auf das neue Sachverständigengutachten und betrafen die Frage, wie die Möglichkeit einer Schuldunfähigkeit der Angeklagten zur Tat-zeit angesichts der Rechtskraft des Schuldspruchs weiter zu prüfen sei. Insbesondere wurde die Frage besprochen, ob die in der ersten Hauptverhandlung vernommene Sachverständige erneut zu hören oder ein weiterer Sachverständiger hinzuzuziehen sei. Argumente dazu wurden ausgetauscht. Der Verteidiger betonte, dass das Ziel der Verteidigung die Herbeiführung einer Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung sei. Der Sitzungsvertreter der Staatsan-waltschaft lehnte ein solches Ergebnis ab. Hiernach beriet die Schwurgerichtskammer in Abwesenheit der Verfahrensbeteiligten darüber, wie weiter verfahren werden sollte.

In der ab 16.18 Uhr fortgesetzten Hauptverhandlung wurde kein Hinweis auf Gegenstand und Verlauf des Rechtsgesprächs gegeben und protokolliert.

M.E. braucht man gar nicht groß, weiter zu lesen, um zu erfahren, was kommt bzw. was der BGH ausführt. Denn: Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH zu § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO lag m.E. auf der Hand, dass es sich bei diesem Gespräch zwischen den Mitgliedern der Schwurgerichtskammer, dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger um eins gehandelt hat, das der Mitteilungspflicht unterlag. So auch der BGH:

„b) Nach diesem Maßstab unterlag das Rechtsgespräch im Beratungszimmer den Regeln über Transparenz und Dokumentation.

Schon aus der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden der Strafkammer ergibt sich, dass das Rechtsgespräch auf seinen Vorschlag außerhalb der Hauptverhandlung mit den Verfahrensbeteiligten geführt wurde, um zu erörtern, welche rechtlichen Probleme das Ergebnis des Gutachtens nach sich ziehen könnte. Weil die Sachverständige ausgeführt hatte, es habe möglicherweise zur Tatzeit sogar Schuldunfähigkeit der Angeklagten vorgelegen, sollte die Wirkung der Teilrechtskraft im Hinblick auf die bindenden Feststellungen zum Schuldspruch mit den Verfahrensbeteiligten besprochen werden. Dazu wurden Argumente ausgetauscht. Zuletzt wies der Verteidiger auf sein Prozessziel hin, eine Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung zu erreichen. Dies „nahm die Kammer lediglich ohne Kommentierung zur Kenntnis, nachdem der Sitzungsvertreter (der Staatsanwaltschaft) einer solchen ausdrücklich entgegentrat“.

Aus diesem Geschehensablauf ergibt sich, dass die Strafkammer die Verfahrensbeteiligten auf dem Weg der weiteren Entscheidungsfindung im Hinblick auf verfahrensbezogene Maßnahmen sowie ihr Prozessverhalten (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO) „mitnehmen“ wollte. Das Rechtsgespräch betraf damit nicht lediglich Fragen, die ausschließlich der Organisation sowie der verfahrenstechnischen Durchführung der Hauptverhandlung dienten. Dass es zu einem „Verständigungsvorschlag“ des Gerichts nicht gekommen ist, war möglicherweise der Tatsache geschuldet, dass der Verteidiger seine Ergebnisvorstellung geäußert und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft dieser sogleich widersprochen hatte.

Ansatzpunkte für eine Verständigung waren vorhanden. Zwar entfällt in einem Fall, in dem sich nach Rechtskraft des Schuldspruchs aufgrund weiterer Beweiserhebungen neue Anhaltspunkte für die Schuldunfähigkeit eines Ange-klagten zur Tatzeit ergeben, nach der bisherigen Rechtsprechung – entgegen einer in der Literatur verbreiteten Auffassung (vgl. LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 31; SK/Frisch, StPO, 4. Aufl., Vor §§ 296 ff. Rn. 296 mwN) – nicht die Bindung des neuen Tatgerichts an den rechtskräftigen Schuldspruch und die zugehörigen Feststellungen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 1955 – 4 StR 68/55, BGHSt 7, 283, 287). Jedoch kann die Feststellung von Schuldunfähigkeit nach Teilrechtskraft des Schuldspruchs jedenfalls zur Folge haben, dass das erkennende Gericht nur noch die Mindeststrafe verhängen kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1958 – 5 StR 377/58, GA 1959, 305, 306; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 28. Aufl., § 53 Rn. 19; a.A. BGH, Anfragebeschluss vom 12. Februar 1998 – 4 StR 521/97, StraFo 1998, 163, 164).

Demnach betrafen die Erörterungen der Strafkammer mit den Verfahrensbeteiligten eine umstrittene Frage von offensichtlich erheblicher Bedeutung für das Prozessergebnis. Die Führung des Rechtsgesprächs außerhalb der Hauptverhandlung auf Vorschlag des Vorsitzenden der Strafkammer in unmit-telbarem Anschluss an die überraschende Äußerung der Sachverständigen, dass die Angeklagte zur Tatzeit sogar schuldunfähig gewesen sein könne, weist darauf hin, dass hierüber Einvernehmen mit den Verfahrensbeteiligten herge-stellt werden sollte. Dass diese Gesprächsführung außerhalb der Hauptverhandlung jedenfalls auch dahin verstanden werden konnte, zeigt die Tatsache, dass der Verteidiger im Hinblick auf die veränderte Verfahrenslage erneut auf sein Prozessziel hingewiesen hat.

Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von demjenigen, den der 5. Strafsenat in seinem Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 9/15 (StV 2016, 87, 88 f. mit Anm. Kudlich) entschieden hat. Die Nichterteilung eines Hinweises auf die Gesprächsführung und den wesentlichen Inhalt sowie das Unterlassen seiner Protokollierung war hier rechtsfehlerhaft.“

Ich frage mich, warum die Strafkammer bzw. der Vorsitzende eigentlich nicht von sich aus auf die Idee gekommen ist, dieses Gespräch mitzuteilen. Dass es mitteilungspflichtig war, ist m.E. offensichtlich. Dafür brauche ich nicht den BGH.

Und: Was vergibt man sich, wenn man mitteilt“, obwohl keine Mitteilungspflicht bestand? Antwort: Nichts. Aber man hat einen potentiellen Revisionsgrund aus dem Weg geschafft und ist ggf. einer endgültigen Entscheidung, auf die ja nun auch die Angeklagte einen Anspruch hat, ein großes Stück näher gekommen.

Mitteilungspflicht verletzt, aber alles nicht so schlimm, oder: Wir schließen das Beruhen aus

© MK-Photo - Fotolia.com

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Nach dem BGH, Urt. v. 17.06.2015 – 2 StR 139/14 (vgl. dazu Auch „Einstellungs“mauscheleien“/-gespräche“ mit der StA gehören auf den Tisch), dann eine weitere Entscheidung aus der Serie: Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 05.08.2015 – 5 StR 255/15 -, in dem die mit der Mitteilungspflicht zusammenhängenden Fragen noch einmal schön zusammengefasst werden:

„2. Die Erklärung des Vorsitzenden über das Verständigungsvorgespräch vom 11. Dezember 2014 hat die Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO verletzt.

Nach dieser Vorschrift muss der Vorsitzende zu Erörterungen mit den Verfahrensbeteiligten (§ 212 i.V.m. § 202a StPO), die nach Beginn, aber außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung deren wesentlichen Inhalt mitteilen. Hierzu zählt zumindest, welchen Standpunkt die Gesprächsteilnehmer vertreten und wie sie sich zu den Ansichten der übrigen verhalten haben (vgl. BVerfGE 133, 168, 217 Rn. 85; BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313; Beschlüsse vom 14. Juli 2014 – 5 StR 217/14, NStZ-RR 2014, 315, 316, vom 11. Februar 2015 – 1 StR 335/14, NStZ 2015, 416, und vom 25. Februar 2015 – 4 StR 470/14, NStZ 2015, 353, 354).

Dieser Anforderung an eine der Informationspflicht des § 243 Abs. 4 StPO genügenden Mitteilung entsprach die Erklärung des Vorsitzenden nicht, da sie lediglich das Ergebnis der Besprechung mit dem von den Gesprächsteilnehmern abgestimmten Verständigungsvorschlag wiedergab. Zum Inhalt der diesem Vorschlag vorausgegangenen Erörterung und insbesondere zu den von den Beteiligten vertretenen Standpunkten enthielt der verlesene Gesprächsvermerk keine Angaben.“

Aber: Alles nicht so schlimm, denn: Der BGH schließt das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß aus. Zwar führt ein Verstoß gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung und hat zur Folge, dass ein Beruhen des Urteils auf diesem Gesetzesverstoß regelmäßig schon deshalb nicht auszuschließen ist, weil die Verständigung, auf der das Urteil beruht, ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet ist (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Aber ausnahmsweise kann nach einer wertenden Gesamtbetrachtung das „Beruhen“ (§ 337 StPO) verneint werden. Und das tut der BGH hier und stellt auf folgende Argumente ab:

  • Die Initiative für das Verständigungsvorgespräch erfolgte von Seiten der Verteidigung in öffentlicher Hauptverhandlung. Damit war sowohl für die Öffentlichkeit als auch für sämtliche Verfahrensbeteiligten nicht nur das Thema des durchzuführenden Gesprächs, sondern auch der Umstand offenkundig, dass die Frage nach einer Verständigung von der Verteidigung aufgeworfen worden war.
  • Die Gesetzesverletzung war hier unter dem Aspekt des Transparenzgebotes und des Gebotes des fairen Verfahrens nicht als gewichtig anzusehen: Eine Unterrichtung über die Besprechung wurde nicht gänzlich unterlassen, sondern fand als solche mit Bekanntgabe ihres Ergebnisses statt. Mit dem damit verbundenen Hinweis auf eine gemeinsame Verständigung über den unterbreiteten vorläufigen, unter dem Vorbehalt abschließender Kammerberatung stehenden Vorschlag war klar, dass nicht nur die Berufsrich-ter, sondern auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft die von der Verteidigung aufgeworfene Frage nach einer Verständigung zustimmend beantwortet hatten.
  • Die nicht mitgeteilten, allerdings nicht weit voneinander entfernten Sanktionsvorstellungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft und des Instanzverteidigers lagen von vornherein innerhalb des alsbald gemeinsam mit den Berufsrichtern abgestimmten Strafrahmens.
  • „Völlig fernliegend“ ist es für den BGH angesichts der Initiative des Instanzverteidigers für eine Verständigung, der unmittelbar vor ihrem Abschluss stehenden Beweisaufnahme und des nach dem zehnten Hauptverhandlungstag bereits unter den Besprechungsteilnehmern erfolgten Austauschs über Einschätzungen der Beweislage und Aspekte der Beweiswürdigung, dass der Vorsitzende mit seiner Stellungnahme auf das Zustandekommen einer Verständigung gedrängt haben und ein entsprechender Druck durch die Unvollständigkeit seiner späteren Mitteilung nicht offengelegt worden sein könnte.

Ich habe mit solchen „wertenden Gesamtbetrachtungen“ immer so mein Problem. Man kann, muss ihnen aber nicht folgen. Und „völlig fernliegend“ ist auch so eine Formulierung, die mich immer stutzen lässt.

Auch „Einstellungs“mauscheleien“/-gespräche“ mit der StA gehören auf den Tisch

© Andrey Burmakin - Fotolia.com

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Mitteilung, Mitteilung, Mitteilung – also § 243 Abs. 4 StPO -, das ist im Moment das große Thema in der „Verständigungsrechtsprechung“. Es geht also gar nicht (mehr) so sehr um das „Ob“ und den Inhalt, sondern um das „Wie“, also das Prozedere. In die Flut von Entscheidungen reiht sich dann auch das BGH, Urt. v. 17.06.2015 – 2 StR 139/14 – ein, das erst jetzt auf der Homepage des BGH veröffentlicht worden ist. Ergangen ist es in einem Verfahren mit dem Vorwurf des schweren Raubes.

In dem hatten die Vorsitzende der Strafkammer und die Berichterstatterin in der Zeit zwischen dem vorletzten und dem letzten Sitzungstag – nach den Schlussvorträgen – eine Vorberatung durchgeführt und waren zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sache hinsichtlich eines  zweiten Anklagevorwurfs gegen den Angeklagten noch nicht entscheidungsreif sei. Jedoch beabsichtigten sie, das Verfahren insoweit nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen, falls die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Antrag stellen würde. Die Vorsitzende bat die Berichterstatterin, den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft anzurufen, ihn über das Ergebnis der Zwischenberatung der Berufsrichter zu informieren und ihn zu fragen, ob er mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden sei. Die Berichterstatterin telefonierte mit dem Staatsanwalt, der einen Einstellungsantrag ankündigte. Die Verteidiger wurden hierüber zunächst nicht informiert. Im nächsten Hauptverhandlungstag trat das Gericht erneut in die Beweisaufnahme ein, worauf der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens über den zweiten Tatvorwurf gegen den Angeklagten I. C. beantragte. Dazu erhielten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei teilte die Vorsitzende mit, dass die Frage der Teileinstellung des Verfahrens im Vorfeld mit der Staatsanwaltschaft geklärt worden sei. Diese Mitteilung wurde aber nicht im Protokoll der Hauptverhandlung vermerkt. „Nach Beratung am Tisch“ beschloss die Strafkammer die Teileinstellung des Verfahrens hinsichtlich des zweiten Anklagepunktes. Es folgten eine Wiederholung der Schlussvorträge, die Erteilung des letzten Wortes an die Angeklagten, die Urteilsberatung und -verkündung.

Das Verfahren war nach Auffassung des BGH rechtsfehlerhaft:

„Aus diesem Grund unterliegen auch Gespräche von Richtern mit Verfahrensbeteiligten über eine Teileinstellung des Verfahrens in der Hauptverhandlung entsprechenden Transparenz- und Dokumentationsregeln. Dies muss auch deshalb gelten, weil die Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ohne Verletzung des Verbots der Verständigung über den Schuldspruch gemäß § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO (krit. LR/Stuckenberg, StPO 26. Aufl., § 257c Rn. 29) Gegenstand einer förmlichen Verständigung sein kann (vgl. BeckOK-StPO/Eschelbach, 21. Ed., § 257c Rn. 16; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl., § 257c Rn. 13; KK/Moldenhauer/Wenke, StPO 7. Aufl., § 257c Rn. 15; SK/Velten, StPO 4. Aufl., § 257c Rn. 11). Ein Gesetzentwurf des Bundesrats, wonach die §§ 154 ff. StPO ausdrücklich von einer Verständigung unberührt bleiben sollten (§ 243a Abs. 2 Satz 3 StPO des Ent-wurfs in BT-Drucks. 16/4197), ist nicht Gesetz geworden (SSW/Ignor, StPO § 257c Rn. 58). Zur Vermeidung informeller Absprachen hierüber sind die Förmlichkeiten zur Herstellung von Transparenz und zur Dokumentation des Verfahrensablaufs an den Maßstäben der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO zu messen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2014 – 5 StR 351/14, StV 2015, 153).

bb) Im vorliegenden Fall wäre es demnach erforderlich gewesen, in der Hauptverhandlung darauf hinzuweisen, dass das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung mit der Staatsanwaltschaft die fehlende Entscheidungsreife des Verfahrens hinsichtlich des zweiten Anklagepunkts sowie die Möglichkeit einer Teileinstellung des Verfahrens besprochen und die Staatsanwaltschaft einem solchen Vorgehen zugestimmt hatte. Dieser Hinweis hätte sodann in das Protokoll der Hauptverhandlung aufgenommen werden müssen.

Die genaue Mitteilung und Dokumentation des Vorgangs war auch deshalb angezeigt, weil ein Wahlverteidiger, der für den Verhandlungstag vom 6. November 2013 nur noch mit der Urteilsverkündung rechnete, dann nicht mehr anwesend war. Dieser Verteidiger hat aus eigenem Recht eine Rechts-mittelbefugnis für die Urteilsanfechtung; er muss auch deshalb den Vorgang nachvollziehen können.“

Auch wer keine Verständigung will, muss informiert werden

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Da haben wir mal wieder was zur Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 Satz3 StPO) bei einer Verständigung. Dazu hat es länger nichts gegeben. Jetzt hat sich der BGH aber mal wieder dazu geäußert, und zwar im BGH, Urt. v. 21.07.2015 – 2 StR 75/14. Da ging es um eine „geteilte Verständigung“. Ein Teil der Angeklagten und Verteidiger hat den Verständigungsvorschlag des Gerichts aufgegriffen, ein Angeklagter und sein Verteidiger nicht. Und die sind dann später mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO in die Revision gegangen und hatten Erfolg. Aus dem Urteil dazu – ist ziemlich umfangreich das Urteil, interessant wird es erst ab Seite 13 -:

a) Das Verfahren der Strafkammer war rechtsfehlerhaft.

….. Die Pflicht zur Mitteilung von Erörterungen nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO galt im vorliegenden Fall unbeschadet der Tatsache, dass der Verteidiger des Beschwerdeführers keine Verständigung wünschte. Vielmehr ist der Vorsit-zende gegebenenfalls gehalten, die Verfahrensbeteiligten von sämtlichen, ge-gebenenfalls auch erfolglosen Bemühungen des Gerichts um deren Zustande-kommen in Kenntnis zu setzen. Selbst die sofortige Ablehnung einer Verständi-gung ist daher zur Herstellung umfassender Transparenz mitteilungspflichtig (vgl. SK/Frister, StPO 5. Aufl. 2015 § 243 Rn. 44e; KK/Schneider, StPO 7. Aufl. 2014 § 243 Rn. 37). Das gilt insbesondere, wenn – wie hier – die Schöffen und die Angeklagten an den Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung nicht teilgenommen haben. Das Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO ist gerade dann von erheblicher Bedeutung, wenn die Möglichkeit einer Verständigung von Gericht und Staatsanwaltschaft mit Mitangeklagten gesehen wird, während ein anderer Angeklagter keine Verständigungsbereitschaft zeigt (vgl. KK/Schneider aaO § 243 Rn. 38).“