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Wenn Sohnemann gefahren ist, darf Papa ihn schützen, oder: Genau hingucken bitte

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Gut zum BVerfG, Beschl. v. 26.05.2017 – 2 BvR 1821/16 (vgl. dazu Wenn das OLG die „Auslagen- und Kostenkeule“ schwingt, oder: BVerfG sagt schon mal „Willkür“) passt der LG Krefeld, Beschl. v. 07.06.2017 – 30 Qs-14 Js-OWi 1067/16-13/17. Da ist auch die „Auslagen- und Kostenkeule“ geschwungen worden, und zwar von der Staatsanwaltschaft. Die war mit einer in einem Bußgeldverfahren ergangegen amtsgerichtlichen Entscheidung nicht einverstanden. Das AG hatte nämlich das Verfahren gegen den Betroffenen eingestellt und hinsichtlich der Kosten-/Auslagenentscheidung nicht von § 109a Abs. 2 OWiG Gebrauch gemacht. Ds LG hat es im Beschwerdeverfahren dann ebenso wie das AG gesehen und das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verworfen:

„Die zulässige sofortige Beschwerde führt nicht zum Erfolg. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Die fakultative Ausnahmeregelung des § 109 a Abs. 2 OWiG greift vorliegend nicht. Zwar hat der Betroffene erst im Rahmen der Hauptverhandlung angegeben, dass nicht er, sondern sein Sohn das betreffende Fahrzeug geführt habe. Hierbei handelt es sich um einen entlastenden Umstand im Sinne der genannten Norm. Auch war dem Betroffenen der Umstand schon vorher bekannt. Ferner wären durch die rechtzeitige Mitteilung Auslagen vermieden worden. Dennoch sieht die Kammer keine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Amtsgericht. Sie tritt vielmehr der Auffassung des LG Zweibrücken (Beschluss vom 10. Mai 2007 — Qs 51/07 —, juris) bei. Normzweck von § 109a Abs. 2 OWiG ist die Vorbeugung von Missbräuchen. Er kann daher nur dann zur Anwendung kommen, in denen das zurückgehaltene Vorbringen des Betroffenen als missbräuchlich oder unlauter anzusehen ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Schützen eines nahen Angehörigen ist als billigenswerter Grund für die Zurückhaltung eines entlastenden Umstandes anerkannt (vgl. etwa LG Zweibrücken aaO.; BVerfG NJW 2013, 3569; OLG Köln ZfS 1995, 350; LG Berlin VRS 122, 37; KK-OWiG/Heidrich OWiG § 109a Rn. 13). Der Betroffene hat hier also in zulässiger Weise seinen Sohn vor Verfolgung geschützt. Dieses billigenswerte Verhalten wird nicht dadurch missbräuchlich, dass im Laufe des Verfahrens Verfolgungsverjährung in Bezug auf seinen Sohn eingetreten sein mag.

Davon abgesehen ist vorliegend zu beachten, dass es sich bei der genannten Norm um eine Ermessensvorschrift handelt. Im Zuge dessen kann das Gericht bei der zu treffenden Kostenentscheidung jedoch auch andere Umstände berücksichtigen, etwa auch, dass die Ordnungsbehörde bei Befolgung der ihr grundsätzlich obliegenden Ermittlungspflicht nach §§ 46 OWiG, 160 StPO ohne weiteres selbst zu dem entlastenden Umstand gelangt wäre, dessen verspätete Offenbarung dem Betroffenen vorgeworfen wird. So liegt der Fall hier. Der Betroffene ist am 01.07.1962 geboren. Dies war der Ordnungsbehörde bekannt. Auf dem als Beweismittel verwendeten Radarbild ist jedoch eine Person zu erkennen, hinsichtlich derer sich zumindest der starke Verdacht aufdrängt, dass sie deutlich jünger als 53 Jahre ist und es sich damit nicht um den Betroffenen handeln kann. Es hätte also unmittelbar nahegelegen, weitere Ermittlungen zur Fahrereigenschaft durchzuführen.“

Dem ist m.E. nichts hinzuzufügen, außer die Frage: Warum soll eigentlich der Betroffene mit Kosten und (seinen) Auslagen belastet werden, wenn die Verwaltungsbehörde die Augen nicht richtig aufmacht? Also „Döppen auf“ und: Verteidiger auch die Entscheidung bitte ins Gepäck.

Dank an den Kollegen T. Cörper, Krefeld, für die Übersendung des Beschlusses.

VW-Abgasskandal: Händler muss Autos mit der „Schummelsoftware“ zurücknehmen, sagt das LG Krefeld

entnommen wikimedia.org Urheber User: High Contrast

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Jetzt mache ich mal das, was ich sonst – fast – nie tue: Ich blogge zu einer PM, und zwar zur PM des LG Krefeld betreffend die LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16 und 2 O 83/16 – zum VW-Abgasskandal. Grund: Anders als beim LG Münster und beim LG Bochum hatten die Käufer in Krefeld Erfolg. Dazu aus der PM:

„Die Kläger hatten jeweils einen Audi-PKW bei dem beklagten Vertragshändler erworben und unter Bezugnahme auf den sog. VW-Abgasskandal den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Die Kammer hat die Rücktritte der Kläger für wirksam erachtet. Das beklagte Autohaus wurde dazu verurteilt, die betreffenden Fahrzeuge zurückzunehmen und im Gegenzug den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer an die jeweiligen Kläger zurückzuzahlen.

Zur Begründung hob die Kammer darauf ab, es sei den klagenden Kunden nicht zumutbar, dem Vertragshändler die in solchen Fällen im Gesetz grundsätzlich vorgeschriebene Möglichkeit einer Nacherfüllung einzuräumen. Zum Zeitpunkt des Rücktritts, auf den es insoweit entscheidend ankomme, sei noch nicht klar gewesen, ob die geänderte Software zur Motorsteuerung vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigt werde, wann dies geschehe und wann die Fahrzeuge der Kläger nachgerüstet würden. Hinzu komme, dass trotz einer entsprechenden Ankündigung des VW-Konzerns, die Fahrzeuge erfolgreich nachrüsten zu können, ein berechtigter Mangelverdacht verbleibe. Dieser Verdacht beruhe auf der Überlegung, warum der Hersteller nicht schon bei der Entwicklung der Motoren zur Erstellung einer entsprechenden Software in der Lage gewesen sei bzw. warum der Hersteller nicht schon viel früher, nämlich schon weit vor Bekanntwerden des Abgasskandals, die Entwicklung der jetzt in Aussicht gestellten Software unternommen habe. Außerdem ge-be es bekanntermaßen einen Zielkonflikt zwischen günstigen Stickoxidwerten und günstigen Kohlendioxidwerten, so dass bei den Klägern als betroffenen Kunden der berechtigte Verdacht verbleibe, eine Verbesserung der Stickoxidwerte werde nur unter Inkaufnahme anderer Mängel bzw. Nachteile möglich.

Eine Nachbesserung durch den beklagten Vertragshändler sei den klagenden Kunden auch nicht deshalb zumutbar, weil nicht der Händler über die Abgasreinigung der Fahrzeuge getäuscht habe, sondern viel-mehr die Firma Audi bzw. der VW-Konzern. Die Kläger müssten es nicht hinnehmen, dass faktisch derjenige als Erfüllungsgehilfe der Verkäuferin den Mangel beseitige, der die arglistige Täuschung begangen habe. Denn auch wenn der Vertragshändler die Software aufspiele, werde die wesentliche Arbeit zur Nachbesserung vom VW-Konzern geleistet, der die neue Software zur Motorsteuerung entwickle. Der Vertragshändler, der beim Verkauf vom guten Ruf des Herstellers profitiere, müsse im Fall des erheblichen Ansehensverlustes hinnehmen, dass der Kunde eine Nachbesserung durch den arglistigen Hersteller ablehne.

Aus den genannten Gründen sei der Mangel der Fahrzeuge trotz möglicherweise nur geringer Nachbesserungskosten auch nicht als unerheb-lich anzusehen. Eine Minderung des Kaufpreises als Alternative zum Rücktritt scheide im Übrigen faktisch aus, weil die betroffenen Fahrzeu-ge ohne eine Nachrüstung von den Zulassungsämtern stillgelegt würden.“

Ein Etappensieg, denn die Fragen werden sicherlich nicht in Krefeld – Münster oder Bochum – entschieden werden, sondern sicherlioch in Karlsruhe.

Unfallflucht, oder: Der Beschuldigte muss nicht schlauer als die Polizei sein…

entnommen wikimedia.org Urheber Opihuck

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Einer der Regelfälle des § 69 StGB ist nach Abs. 2 Nr. 3 die Entziehung der Fahrerlaubnis in dne Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach einem Unfall mit einem bedeutenden Sachschaden. Bei der Problematik spielen häufig zwei Fragen eine Rolle: Nämlcih einmal die Wertgrenze für den bedeutenden Schaden und dann dass der unfallflüchtige Beschuldigte von der unfallbedingten Verursachung eines bedeutenden Schadens wusste oder vorwerfbar nicht wusste. Das arbeitet der LG Krefeld, Beschl. v. 23.03.2016 – 21 Qs-13 Js 170/16-47/16 – noch einmal schön heraus:

Die Kammer kann allerdings derzeit nicht feststellen, dass auch die weiteren Voraussetzungen des §§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erfüllt sind. Nach der genannten Norm ist nicht nur dringender Tatverdacht hinsichtlich einer Tat nach § 142 StGB erforderlich, sondern der Täter muss auch gewusst haben oder wissen können, dass bei dem Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist. Insoweit kommt eine Anwendung der genannten Norm nur in Betracht, wenn der Unfallflüchtige von der unfallbedingten Verursachung eines bedeutenden Schadens wusste oder vorwerfbar nicht wusste (LG Bonn DAR 1991, 35; LG Oldenburg ZfS 1981, 191). Allein aus der nachträglichen Feststellung eines bedeutenden Schadens ergibt sich nicht ohne weiteres, dass dieser auch der Höhe nach bei laienhafter Betrachtung erkennbar war (Fischer, StGB, 62. Auflage 2015, § 69 Rn. 27; AG Saalfeld DAR 2004, 168). Entscheidend ist vielmehr, dass der Unfallflüchtige die objektiven Umstände erkennen konnte, die die rechtliche Bewertung des Schadens als bedeutend begründen (OLG Naumburg NZV 1996, 204). Derzeit dürfte – in Anknüpfung an die Rechtsprechung zur Wertgrenze des § 315c StGB – ein Sachschaden ab 1.300,00 € als bedeutend i.S.v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 StGB anzusehen sein (OLG Hamm NZV 2011, 356; OLG Hamburg ZfS 2007, 411; OLG Jena NStZ-RR 2005, 183; OLG Dresden NJW 2005, 2633). Die Kammer verkennt dabei nicht, dass in der Rechtsprechung mitunter auch andere Wertgrenzen vertreten werden (LG Frankfurt/Main NStZ-RR 2009, 215: 1.400,00 €; LG Hamburg DAR 2007, 660: 1.500,00 €; LG Berlin NZV 2006, 106: 1.100,00 €, LG Düsseldorf DAR 2003, 103: 1.250,00 €). Vorliegend weist das durch die Geschädigte vorgelegte Sachverständigengutachten zwar einen Schaden i.H.v. 1625,17 € EUR aus, dass die Erheblichkeit dieses Schadens für die Beschuldigte auch erkennbar war, ist indessen nicht hinreichend sicher feststellbar. Auf den vom Fahrzeug des Geschädigten gefertigten Lichtbildern, ist zwar eine Beschädigung, insbesondere am Kotflügel erkennbar, als erheblich oder gravierend stellt sich diese Beschädigung indessen nicht da. Sie lässt eher auf einen nicht bedeutenden Streifschaden schließen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass zum Tatzeitpunkt Dunkelheit herrschte.

Dieses Ergebnis wird hierbei weiter dadurch gestützt, dass auch die eingesetzten Polizeibeamten von einem Schaden von nicht mehr als 700 EUR ausgingen.“

Der Beschluss zeigt: Die Einschätzung der Schadenshöhe durch die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten kann als von (mit)entscheidender Bedeutung sein. Denn, warum soll der Beschuldigte schlauer als die Polizei sein?