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Kaskokürzung wegen Trunkenheit?, oder: Wer muss die Wildschweinrotte beweisen?

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Und als zweites Posting des Tages dann eine Entscheidung des OLG Brandenbrug mit (verkehrs)Versicherungsrechtlichem Einschlag. Das OLG hat im OLG Brandenburg, Urt. v. 08.01.2020 – 11 U 197/18 -über eine Leistungskürzung in der Kaskoversicherungbei wegen wegen relativer Fahruntüchtigkeit entschieden.

Die Beklagte hat sich nach einem Verkehrsunfall, der unstreitig einen wirtschaftlichen Totalschaden an dem Pkw des Klägers zur Folge hatte, auf die sog. Trunkenheitsklausel in de. AKB berufen. Die BAK des Klägers hatte zu einem Wert von 0,49 ‰ geführt. Ausfallerscheinungen gab es nicht.  Der Kläger hat das Abkommen von der Fahrbahn mit einer plötzlich aus dem Waldgebiet, durch das die von ihm befahrene Straße führte, von links kommenden Wildschweinrotte, die nach rechts über die Straße auf die daneben befindliche Wiese lief, erklärt. Darum wurde gestritten.Das LG hatte die Klage abgewiesen, das OLG hat ihr dann stattgegeben:

„1. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass das versicherte Fahrzeug bei einem Unfall nach dem Verständnis von Abschn. A.2.5.2 AKB einen sogenannten wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat, indem es von der Fahrbahn abkam, daneben noch einige Meter weiter fuhr, zu einem unmittelbar angrenzenden Waldgebiet gehörende Bäume zu Boden stieß und schließlich an einem Baum zum Stehen gekommen ist (LGU 4), wobei es schwer beschädigt wurde (vgl. dazu auch die Lichtbildmappe der Polizei in der beigezogenen Akte der Zentralen Bußgeldstelle, dort Bl. 8 ff.). Damit sind gemäß Abschn. A.2.5 AKB die Voraussetzungen für einen Leistungsfall in der Vollkaskoversicherung gegeben. Ein Recht, ihre Versicherungsleistung zu kürzen, hat die Beklagte unter den hier gegebenen Umständen laut Abschn. A. 2.21.1 Satz 3 AKB lediglich dann, wenn der Versicherungsfall vom Kläger infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel grob fahrlässig herbeigeführt wurde; diese Regelung schränkt § 81 Abs. 2 VVG – in zulässiger Weise (arg. e c. § 87 VVG) – zugunsten des Versicherungsnehmers ein. Die sogenannte Trunkenheitsklausel im Abschn. D.2.1 AKB, auf die sich die Rechtsmittelgegnerin schon vorgerichtlich in ihrem Schreiben vom 09.01.2017 (Kopie Anl. K6/GA I 28) berufen hat und deren Missachtung als Obliegenheitsverletzung ausgestaltet ist (Abschn. D.3 AKB), gilt – wie sich aus der Systematik des Regelwerkes ergibt – allein für die Kfz-Haftpflicht- und die Umweltschadenversicherung. Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen eines Leistungskürzungsrechts trägt der Versicherer; er kann sich dabei hinsichtlich des Verschuldensgrades zwar auf Indizien, nicht aber auf einen Beweis des ersten Anscheins stützen (vgl. Halbach in Stiefel/Maier, KraftfahrtVers, 19. Aufl., AKB 2015 A.2 Rdn. 953 und 956, m.w.N.). Um eine relative Fahruntüchtigkeit des Wagenlenkers zu bejahen, deren Unfallkausalität tatsächlich vermutet wird, genügt nicht allein die Feststellung einer Blutalkoholkonzentration im Bereich zwischen 0,2 und 1,1 ‰, sondern es müssen sich – anders als bei absoluter Fahruntüchtigkeit, die nach neuerer Rechtsprechung bei 1,1 ‰ beginnt (grundlegend BGH, Urt. v. 09.10.1991 – IV ZR 264/90, LS und Rdn. 7, juris = BeckRS 9998, 96172) – weitere Gegebenheiten, speziell alkoholtypische Ausfallerscheinungen oder Fahrfehler, konstatieren lassen, die den Schluss rechtfertigen, der Fahrer sei nicht mehr in der Lage gewesen, sein Automobil sicher im Verkehr zu steuern (so zur privaten Unfallversicherung BGH, Urt. v. 30.10.1985 – IVa ZR 10/84, Rdn. 8 ff, 13 und 16 f., juris = BeckRS 2008, 18039; vgl. ferner zur Kaskoversicherung OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.05.1989 – 12 U 49/89, VersR 1991, 181; OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.04.2004 – 5 U 688/03, juris Rdn. 13 ff. = BeckRS 2004, 7093; Halbach aaO Rdn. 963 ff.; jurisPK-StrVkR/Reichel, Stand 24.06.2019, AKB 2015 Rdn. 89 ff.; Klimke in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., AKB 2015 A.2.16 Rdn. 51 ff.).

2. Im Streitfall kann bereits keine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Berufungsführers zum Unfallzeitpunkt festgestellt werden.

a) Seine Blutalkoholkonzentration betrug bei dem Test, der ungefähr 75 Minuten nach dem Unfall durchgeführt wurde, 0,49 ‰. Sie lag somit nur wenig über dem unteren Schwellenwert, der für die relative Fahruntüchtigkeit bei etwa 0,3 ‰ angenommen wird (vgl. Klimke in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., AKB 2015 A.2.16 Rdn. 51, m.w.N.). Alkoholbedingte Auffälligkeiten, insbesondere Ausfallerscheinungen, haben sich bei der Blutentnahme nicht gezeigt (LGU 2). Vielmehr waren laut ärztlichem Untersuchungsbericht vom pp.12.2016 11:18 Uhr (in der Akte der Zentralen Bußgeldstelle, Bl. 12R) bei dem Kläger der Gang geradeaus, die plötzliche Kehrtwendung nach vorherigem Gehen, die Finger-Finger-Probe und die Nasen-Finger-Probe sicher, die Sprache deutlich, der Denkablauf geordnet, das Verhalten beherrscht, die Stimmung unauffällig und er schien äußerlich nicht merkbar unter Alkoholeinfluss zu stehen.

b) Freilich können – wie von der Vorinstanz zutreffend ausgeführt wird (LGU 4) – auch beim Unfallgeschehen zu Tage getretene alkoholtypische Fahrfehler, beispielsweise das Abkommen von der Fahrbahn ohne ersichtlichen Grund, den Schluss auf eine relative Fahruntüchtigkeit rechtfertigen. Es obliegt jedoch nicht dem klagenden Versicherungsnehmer, die von ihm behauptete – alkoholunabhängige – Unfallursache zu beweisen, sondern dem beklagten Versicherer die Sachdarstellung seines jeweiligen Prozessgegners zu widerlegen (vgl. insb. BGH, Urt. v. 30.10.1985 – IVa ZR 10/84, Rdn. 13, juris = BeckRS 2008, 18039). Selbst wenn das gelingt und danach eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit konstatiert werden kann, spricht nur ein Prima-facie-Beweis für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dieser und dem Unfall, der keine Umkehr der Beweislast bewirkt; er ist vielmehr entkräftet, sobald der Gegner der beweisbelasteten Partei Umstände nachweist, aus denen sich die ernsthafte – nicht allein rein theoretische (denkgesetzliche), sondern reale – Möglichkeit eines abweichenden Geschehensverlaufes ergibt, woran keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (so BGH aaO Rdn. 16 f.). Eine plausible Erklärung für die alkoholunabhängigen Unfallgründe, wie sie in der obergerichtlichen Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Höhe der jeweiligen Blutalkoholkonzentration vom Versicherungsnehmer verlangt wird (vgl. dazu insb. OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.04.2004 – 5 U 688/03, juris Rdn. 15 ff. m.w.N. = BeckRS 2004, 7093), hat der hiesige Kläger gegeben.

Nach seinem Vorbringen ist er durch eine plötzlich aus dem Waldgebiet von links kommende Wildschweinrotte, die nach rechts über die Straße auf die daneben befindliche Wiese lief, zu seinem Fahrverhalten veranlasst worden. So hat er den Unfallhergang laut der Verkehrsunfallanzeige vom 21.12. 2016 (in der Akte der Zentralen Bußgeldstelle, Bl. 1 f.) noch an der Unfallstelle den dort erschienenen Polizeibeamten geschildert. Deren Fotos vom Ort des Ereignisses lassen einen Wildwechsel solcher Art als denkbare Möglichkeit erscheinen, auch wenn es nicht zur Kollision mit den Tieren gekommen ist. Soweit die Zivilkammer angenommen hat, der Buchstabe „W“, der für Wildschwein stehen soll, sei vom Zeugen Dpp. Bpp. bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung in der dem Protokoll vom 15.03.2018 beigefügten Karte (GA I 83, 85) auf der falschen Seite eingezeichnet worden, beruht dies – wie die Erörterung der Sache und die Wiederholung der Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz ergeben hat – offensichtlich auf einem Irrtum des Landgerichts. Dass die Fahrzeuginsassen zu den Details des allenfalls wenige Sekunden andauernden Geschehensablaufs unmittelbar vor dem Abkommen des Wagens von der Fahrbahn, speziell dazu, wer die Wildschweine zuerst sah und wer sich weshalb erschrak, unterschiedliche oder – wie möglicherweise die ursprünglich benannte Zeugin Lpp. Kpp. – keine Wahrnehmungen oder Erinnerungen haben, erscheint dem Senat nachvollziehbar und ist aus seiner Sicht ungeeignet, die Plausibilität des klägerischen Vorbringens infrage zu stellen und die durch die Zivilkammer gezogenen Schlüsse zu tragen. Eine etwaige nicht alkoholbedingte Unaufmerksamkeit des Berufungsführers bliebe gemäß Abschn. A.2.21.1 Satz 2 AKB ohnehin folgenlos, da die Beklagte grundsätzlich auf das Recht zur Leistungskürzung bei grober fahrlässiger Schadensverursachung verzichtet hat. Dass eine plötzlich die Fahrbahn überquerende Wildschweinrotte Auslöser des Unfalls gewesen ist, hat der Zeuge Dpp. Bpp. bei seiner – aus prozessualen Gründen erforderlichen erneuten – Vernehmung vor dem Senat bestätigt. Seine Aussage war in sich schlüssig, glaubhaft und nachvollziehbar; er konnte den Ablauf auch anhand des ihm vorgelegten Kartenmaterials widerspruchsfrei darstellen. Anders als das Landgericht hat der Senat nicht den Eindruck gewonnen, dass die Bekundungen auswendig gelernt wurden. Soweit in den Gründen des angefochtenen Urteils argumentiert wird, der Zeuge habe eingeräumt, vor dem Termin seiner Vernehmung die Unterlagen des Klägers eingesehen zu haben, steht dies nicht im Einklang mit dem Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2018 (GA I 115, 116). In zweiter Instanz hat der Zeuge auf explizite Nachfrage bestätigt, die Prozessunterlagen nicht zu kennen (GA II 226, 228). Im Ergebnis vermag der Senat – abweichend von der Zivilkammer (LGU 5) – insbesondere nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass gar kein Wildwechsel stattgefunden hat.“

Besoffen fahren – das kann in der Kasko-Versicherung teuer werden

BierglasDer Kläger wollte die Zahlung einer weiteren Versicherungsleistung aus einer Kfz-Vollkaskoversicherung von der Beklagten. Die war Fahrzeugvollversicherer eines Pkw VW, dessen Versicherungsnehmer der Kläger war, der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls Fahrer des versicherten Fahrzeuges war. Mit dem war Kläger am 01.10.2012 gegen Abend auf öffentlichen Straßen gefahren. Kurz nach dem Durchfahren einer Linkskurve kam der Kläger nach rechts von der Fahrbahn ab, wobei an dem Pkw ein Totalschaden entstand. Eine dem Kläger um 20:47 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,07 Promille. Die Parteien haben um die Höhe der Leistungskürzung gestritten. Der Kläger meinte nur 50 %, die Beklagte wollte 80 %. Das AG  Dippoldiswalde hat im AG Dippoldiswalde, Urt. v. 18.09.2013 – 1 C 270/13 – dann um 70 % gekürzt.

Die Beklagte ist zur Leistungskürzung gegenüber dem Kläger um 70 % gemäß § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, da der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Nach Ansicht des Gerichts beträgt die angemessene Kürzung, die sich an der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers orientiert, vorliegend 70 %. …..

Der Kläger hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls fahruntüchtig. Dies steht aufgrund der weiteren Unfallumstände zur Überzeugung des Gerichts fest. Er hatte zum Unfallzeitpunkt um 19:15 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 1,07 Promille. Bei dieser Blutalkoholkonzentration ist der Fahrzeugführer relativ fahruntüchtig. Hinzu kam vorliegend eine alkoholbedingte Ausfallerscheinung. Das Abkommen von der Fahrbahn ohne ersichtlichen Grund stellt sich als typisch alkoholbedingter Fahrfehler dar (vgl. Landgericht Flensburg, Urteil v. 24.08.2011, AZ.: 4O 9/11). Der Kläger ist vorliegend am Ausgang einer Kurve von der Fahrbahn nach rechts abgekommen und im Straßengraben zum Stehen gekommen. Eine Beschädigung eines weiteren Fahrzeuges ist nicht eingetreten, ebenso wenig gibt es überhaupt objektive Anhaltspunkte dafür, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer sich zum Unfallzeitpunkt oder kurz davor in der Nähe des Unfallortes aufgehalten haben soll oder in etwa andere verkehrsfremde Umstände außerhalb der Person des Klägers sich auf den Verkehrsunfall ausgewirkt haben könnten. Es spricht daher schon der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Kläger infolge seiner Blutalkoholkonzentration von 1,07 Promille einen Fahrfehler begangen hat und nach rechts von der Fahrbahn im Anschluss an eine Kurve abgekommen ist. Dass ein alkoholisierter Verkehrsteilnehmer infolge des Alkoholgenusses einen Fahrfehler begeht, wodurch er entweder infolge zu hoher Geschwindigkeit oder infolge mangelnder Reaktionsfähigkeit oder alkoholbedingt fehlerhafter Reaktionen von der Fahrbahn nach rechts abkommt, ist eine typische Folge der Alkoholisierung……

Der Kläger hat den Verkehrsunfall auch grob fahrlässig herbeigeführt. Ein Fahrzeugführer, der in der Zeit von 15:30 Uhr bis spätestens 19:15 Uhr drei bis vier Bier trinkt, und direkt im Anschluss an das letzte Bier eine Fahrt antritt, handelt grob fahrlässig. Der Kläger gab auch selbst an, dass er zuvor nichts zu Mittag gegessen habe. Es leuchtet im Übrigen jedem Fahrzeugführer ein, dass er nach einer Trinkmenge von 3 bis 4 Bier, so wie es der Kläger selbst angab, alkoholisiert ist und sich eine Fahrt mit einem Pkw verbietet. Dass er trotzdem direkt im Anschluss an den Verzehr des dritten oder vierten Bieres innerhalb von nicht einmal 4 Stunden mit dem Pkw eine Fahrt angetreten hat, verstößt im besonderes hohem Maße gegen die Sorgfaltsanforderungen an einen Fahrzeugführer. In der Folge hat er ebenso im besonderen groben Maße sorgfaltswidrig den Versicherungsfall herbeigeführt, als er ohne Fremdeinwirkung von der Fahrbahn abgekommen ist. Gegenteiliges konnte der Kläger, wie oben bereits ausgeführt nicht beweisen.“

Wir gehen fremd… OLG Hamm zur Leistungskürzung nach einer Trunkenheitsfahrt

Hier mal etwas Zivilrechtliches, und zwar das Urt. des OLG Hamm v. 25.08.2010 – I-20 U 74/10, über das wir in einer der nächsten Ausgaben des VRR berichten werden.

Das OLG führt aus:

Im Falle einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer ist der Versicherer zu einer der Schwere des Verschuldens entsprechenden Leistungskürzung berechtigt. Bei Vorliegen relativer Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt und demgemäß ab circa 0,3 Promille wird in der Regel mit einer Kürzungsquote von 50 Prozent zu beginnen sein. Diese Quote ist nach dem Grad der Alkoholisierung bis auf 100 Prozent bei Erreichen einer absoluten Fahruntüchtigkeit mit 1,1 Promille zu steigern. Nach diesen Maßstäben rechtfertigt das Geradeausfahren in einer Linkskurve bei 0,59 Promille eine Einstiegsquote von 60 Prozent. Liegen besondere Umstände vor, die das Maß des Verschuldens in einem anderen Licht erscheinen lassen (hier: kürzliche Nachricht von Krebserkrankung der Schwiegermutter und der Aufnahme des Vaters in stationäre Behandlung), so kann die Quote nach unten korrigiert werden.